Protocol of the Session on October 17, 2001

(Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei der FDP)

Wer seit Jahren die Gefahren der Atomkraft herunterspielt, dem fällt es jetzt schwer, seine Einstellung plötzlich überprüfen zu sollen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist doch Quatsch! Wir reden doch über die Gefahren- vorsorge!)

Angesichts der veränderten Situation müssen wir alle über unsere eigene Einstellung nachdenken.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja! - Martin Kay- enburg [CDU]: Sie über Ihre auch!)

Da ist jeder gefordert, seine Einstellung zu überprüfen. Das tun wir sehr intensiv. Wir haben das in den letzten Tagen in sehr vielen Fragen getan und haben gesagt, wir müssen jetzt Dinge tun, die wir vorher abgelehnt haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Haben Sie da Kriegsrat gehalten?)

Aber das ist keine exklusive Lehrveranstaltung für Friedensbewegte und Grüne.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ach, Sie haben Kriegsrat gehalten?)

Alle Parteien sind gefragt und das gilt auch für die CDU und ihre Haltung zu den Atomkraftwerken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erstaunlich fand ich auch Ihre Reaktion auf den Vorschlag des Bundesfinanzministers, die Kontrolle des Kapitalmarktes und der Bankkonten zu verbessern.

(Martin Kayenburg [CDU]: Unglaublicher Vorgang!)

Die Union warnte doch tatsächlich davor, Steuerzahler und Bankkunden unter Kardinalverdacht zu stellen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist ja auch so!)

Die CDU-Mittelstandsvereinigung monierte sogar Zitat -: „Alle Konten zentral zu durchleuchten, ist eine Steuerrasterfahndung und ein Angriff auf den Vertrauensschutz der Steuerzahler und der Bankkunden.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Wenn ich das richtig sehe, lehnt die CDU neuerdings die Rasterfahndung ab, nachdem sie die Rasterfahndung zuvor in mehreren Bundesländern sogar ohne Gerichtsvorbehalt eingeführt hatte.

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock [CDU]: Was? - Martin Kayenburg [CDU]: Das lehnen wir (Karl-Martin Hentschel)

ab? - Klaus Schlie [CDU]: Was lehnen wir ab?)

- Das Zitat macht es deutlich: Die Rasterfahndung bei Bankkunden lehnt die CDU ab. Die Kontrolle von Kontobewegungen erscheint doch als eine der wenigen Möglichkeiten, „Schläfer“ aufzuspüren, da auch sie Geld benötigen. Die Kontrolle von Finanzbewegungen ist darüber hinaus auch ein mögliches Mittel,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die macht das Debakel transparent!)

die Geldwäsche von kriminellen Organisationen zu bekämpfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Steuerdelikte - meine Damen und Herren, da bin ich allerdings anderer Auffassung als Sie - sind keine Kavaliersdelikte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Fragen Sie mal den Finanzminister!)

Alle, die uns hier davor warnen, genauer hinzuschauen, und die behaupten, das sei geschäftsschädigend, sollten mal in die USA schauen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Johann Wadephul [CDU])

- Nein, Herr Wadephul, keine Unterbrechung!

(Glocke des Präsidenten)

Wussten Sie, dass alle Schweizer Banken, die doch als Trutzburgen des Steuergeheimnisses gelten, den USSteuerbehörden Kontrollmitteilungen über die Einkünfte von US-Bürgern liefern?

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das können Sie doch alles nicht bestätigen! - Anhaltende Zurufe des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Die EU hält das offensichtlich für unmöglich. Es ist schon komisch, dass das, was in den USA gilt, bei der Union als wirtschaftsfeindlich gilt. Ich finde das seltsam.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Helmut Plüschau [SPD] - Zurufe des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter Kubicki, es gibt nicht das Recht auf Zwischenrede, sondern nur auf Zwischenrufe.

(Heiterkeit - Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Präsident.

Wenn sich Deutschland am Krieg gegen Afghanistan beteiligt, sei es direkt oder indirekt, dann müssen wir auch über die humanitäre Situation und über die Flüchtlinge reden. Wir müssen prüfen, was wir tun können, um den Menschen zu helfen, und wie es möglich ist, die Menschen, die verletzt, gefoltert und am Verhungern sind, bei uns aufzunehmen.

Ich appelliere in diesem Zusammenhang auch an Sie, das Einwanderungsgesetz nicht zu vergessen. Das gilt gerade für die Union. Wir brauchen eine Regelung für nicht staatlich Verfolgte, wie die schleswigholsteinische Regierung fordert. Es kann doch nicht sein, dass Frauen, die gesteinigt würden, weil sie keinen Schleier tragen wollen, bei uns kein Asyl finden, nur, weil die Union sich weigert, im Bundesrat eine entsprechende Änderung mitzutragen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Johann Wadephul [CDU]: Entschuldi- gung! Das lehnt Herr Schily ab!)

Meine Damen und Herren von der Union, denken Sie darüber bitte einmal nach.

Terroristen und Mitglieder internationaler krimineller Organisationen sind keine armen Flüchtlinge und Einwanderer. Es sind auch keine Kleinkriminellen und Drogensüchtigen aus Hamburg-St. Georg. Terroristen und internationale Organisationen sind weltweit organisiert, verfügen über umfangreiche Geldmittel, die bis hin zu Milliardenbeträgen reichen.

Ich stimme mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten überein,

(Zurufe von CDU und FDP: Oh, oh!)

wenn er sagt, dass der Kampf lange dauern wird. Unüberlegte Schnellschüsse nützen wenig. Ohne Unterstützung von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, von Polizisten ausländischer Abstammung, ohne Unterstützung von islamischen und arabischen Regierungen wird der Kampf gegen den Terrorismus nicht erfolgreich sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn sich die Situation zu einem Kampf der Kulturen, der Religionen, der Rassen, des Abendlandes gegen das Morgenland entwickelt, dann wird sie außer Kon

(Karl-Martin Hentschel)

trolle geraten. Deshalb hat meine Partei eine Unterbrechung der Bombardierungen gefordert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist keine mangelnde Entschlossenheit, den Terrorismus zu bekämpfen, sondern es ist notwendig, das Humanitäre zu tun, und es ist notwendig, um die internationale Allianz gegen den Terrorismus zusammenzuhalten. Sie darf nicht auseinander brechen. Deswegen ist es auch in dieser Situation notwendig, immer den nächsten Schritt zu überprüfen.