Protocol of the Session on September 26, 2001

(Karl-Martin Hentschel)

Beschönigung seiner Parolen auch noch hoffähig gemacht zu haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ihre Politik hat ihn erst groß gemacht!)

Wir alle müssen uns fragen, was wir falsch gemacht haben und was das bedeutet.

Hamburg ist eine der reichsten Städte Europas und zugleich eine Stadt, die wie kaum eine andere von sozialen Gegensätzen zerrissen ist. Die Folgen der Globalisierung machen sich hautnah bemerkbar. Es reicht nicht aus, wirtschaftliche Erfolge zu feiern - da ist Hamburg ganz vorne - und den Fetisch der Flexibilisierung anzubeten. Vielen Menschen macht dies Angst. Sie fühlen sich von der Geschwindigkeit der Entwicklung überrollt.

Wir Grüne werden uns diesen Herausforderungen stellen. Wir wissen, dass wir schwach sind, wenn die politische Debatte durch Stammtischparolen beherrscht wird. Aber wir wissen auch, dass unsere Argumente dringend notwendig sind, wenn es darauf ankommt, differenzierte Konzepte für die Zukunft zu entwickeln, damit wir unsere Zukunft nachhaltig gestalten können.

Darum geht es auch, wenn wir über den Haushalt 2002 reden. Das Kabinett hat auf Vorschlag des Finanzministers Claus Möller sehr harte Sparmaßnahmen beschlossen. Dass es der Landesregierung gelungen ist, trotz der durch neue Bundesgesetze verursachten immensen Steuerausfälle einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, ist eine bemerkenswerte Leistung der Ministerpräsidentin und des Finanzministers. Dazu stehen wir.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber angesichts der vielen Demonstrationen vor der Tür und der Sorgen vieler Betroffener im Land sind wir auch verpflichtet, sehr sorgfältig zu prüfen, welche Sparmaßnahmen gerechtfertigt sind und an welchen Stellen wir nachbessern müssen.

Ich will auf einige Punkte eingehen, die bedacht werden müssen.

Die öffentliche Sicherheit steht in diesen Tagen im Brennpunkt des Interesses. Hier ist das Land in besonderer Weise gefragt; denn dies ist neben der Bildung der zweite Kernbereich, für den die Zuständigkeit bei den Ländern liegt.

Die öffentliche Sicherheit ist ein wichtiger Beitrag zur Lebensqualität der Menschen. Wir wollen Städte, in denen sich unsere Kinder, die alten Menschen und auch die Frauen abends sicher bewegen können. Um dies zu gewährleisten, brauchen wir eine arbeitsfähige

und gut ausgestattete Polizei und Justiz. Gefragt sind auch eine Stadtentwicklungspolitik, die soziale Brennpunkte entschärft, und eine Jugendpolitik, die den Jugendlichen attraktive Angebote macht und sie von der Straße holt. Gefordert ist der Abbau der Arbeitslosigkeit genauso wie Ganztagsangebote an den Schulen. Auch das ist öffentliche Sicherheit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Haushalt sind bereits wichtige Maßnahmen enthalten, um die Ausstattung der Polizei auf den modernsten Stand zu bringen. Dazu gehören 5 Millionen DM für die Ausstattung mit neuen leichten Schutzwesten ebenso wie die Ausrüstung mit neuen Polizeifahrzeugen und die vorgezogene Renovierung zahlreicher Polizeireviere durch die GMSH. Wir werden aber auch prüfen müssen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind. Das muss sowohl die Ausstattung der Polizei als auch die Handlungsfähigkeit der Justiz sicherstellen.

Besondere Sorge macht mir die wachsende Zahl der Überstunden bei der Polizei, die sich durch zusätzliche Objektüberwachungen infolge der Terroranschläge sowie durch die ständig notwendige Präsenz bei rechtsradikalen Demonstrationen aufgebaut hat und nicht mehr abgebummelt werden kann, ohne die Präsenz in den Revieren übermäßig einzuschränken.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie reagieren Sie darauf?)

Deshalb ist meine Fraktion bereit, zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, damit die Überstunden ausgezahlt werden können und nicht verfallen müssen.

Wenn wir eine kinderfreundliche Gesellschaft in Schleswig-Holstein wollen und die Situation von Familien mit kleinen Kindern verbessern wollen, dann ist es falsch, wenn wir öffentlich den Eindruck erwecken, als müssten die Elternbeiträge ansteigen. Die jungen Familien haben es schwer genug.

Für das kommende Jahr halten wir eine Neufassung des Kindertagesstättengesetzes für nicht erforderlich, da die bereitgestellten finanziellen Mittel für das kommende Jahr ausreichen. Deshalb sollte die Änderung des Gesetzes aus dem Haushaltsbegleitgesetz herausgenommen werden.

(Beifall des Abgeordneten Rainder Steen- block [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Alle Fraktionen des Landtages haben sich darauf verständigt, die betreute Grundschule weiter auszubauen und schrittweise Ganztagsangebote an den Schulen zu schaffen. Es gibt bereits ein vielfältiges Spektrum von Angeboten für die Nachmittagsbetreuung der unterschiedlichsten Art. Häufig existieren Angebote

(Karl-Martin Hentschel)

von Vereinen, der Jugendhilfe, Kinderhorte, Schularbeitenhilfe und in einzelnen Fällen auch Mittagstische nebeneinander, ohne dass sich die Eltern darauf verlassen können, dass die Kinder nachmittags verlässlich untergebracht sind.

Unser Ziel ist es, schrittweise an immer mehr Schulen Mittagessen und abgestimmte Ganztagsangebote einzuführen. Die Schulen und Kommunen stehen vor der Aufgabe, Konzepte zu entwickeln, die unterschiedlichen Angebote zu organisieren und aufeinander abzustimmen. Das Jugendministerium hat den Kreisen erst einmal Mittel zur Verfügung gestellt, um Konzepte erarbeiten zu können.

Eine weitere wichtige Säule dieses Konzeptes sind die Mittel, die durch die Verlängerung der Lehrerarbeitszeit frei werden und vom Bildungsministerium dafür eingesetzt werden. Ob dafür der Gegenwert von 45 Planstellen ausreichend ist, muss noch beraten werden. Wir haben da unsere Zweifel und denken, dass für die Gestaltung des Ganztagsangebotes weitere Vorschläge erarbeitet werden müssen.

Ein weiteres Problem sind die geplanten Kürzungen bei den Privatschulen. Schon heute kommen die Privatschulen pro Kind dem Steuerzahler erheblich günstiger als die entsprechenden staatlichen Schulen. Eine weitere Kürzung der Mittel um über 10 % ist deshalb weder verständlich noch akzeptabel. Aus der Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Kollegin Heinold lässt sich erkennen, dass die Kommunen erhebliche Mittel einsparen, wenn die Kinder nicht eine öffentliche, sondern eine private Schule besuchen. Besonders extrem ist die Differenz bei den dänischen Schulen. Auch darüber muss gesprochen werden.

Die Schließung der Abendschulen hat ebenfalls erhebliche Unruhe ausgelöst. Nun scheint eine Lösung gefunden worden zu sein. Die Abendgymnasien werden in reduzierter Form entsprechend dem Bedarf fortgeführt, allerdings angegliedert an andere Schulen. Abendrealschulen werden wegen des geringen Bedarfs eingestellt. Aber es wird auch weiterhin für diejenigen, die aufgrund ihrer Berufstätigkeit oder ihrer Familiensituation auf ein Abendschulangebot angewiesen sind, zumindest in dem bisherigen Umfang die Möglichkeit geben, kostenfrei an einem entsprechenden Angebot teilzunehmen. Wenn das so umgesetzt werden kann, ist das eine akzeptable Lösung, die wir mittragen können.

Die Einführung der Oberflächenwasserabgabe hat dazu geführt, dass die Eigenfinanzierung des Umwelthaushalts deutlich verbessert werden konnte. Darüber hinaus konnte der Umweltminister dem Finanzminister erhebliche Mittel für den allgemeinen Haushalt bereitstellen. Auch wenn es sich nur um vorübergehende Beiträge handelt, die nach der Stilllegung der Atom

kraftwerke wieder wegfallen werden, so ist es doch ein wichtiger Beitrag, der die Entlastung des Landeshaushaltes erleichtert.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich bin gespannt, ob die Opposition so konsequent ist, den Wegfall des OWAG in den Haushaltsänderungsanträgen zu fordern, und wie sie die Ausfälle gegenfinanzieren will.

Trotzdem sind auch im Haushalt des Umweltministeriums bittere Einschnitte vorgenommen worden. Zugleich haben sich Umweltminister und Regierung im Umweltschutz ehrgeizige Ziele gesetzt. Die Naturschutzflächen sollen im Laufe der Legislaturperiode 10 % der Landesfläche ausmachen. Das ist mehr als dreimal so viel wie 1996. Der Anteil der regenerativen Stromerzeugung wird in diesem Jahr vermutlich 20 % überschreiten und Ende des Jahres über 50 % liegen. Damit liegen wir um Längen vor jedem anderen Bundesland. Das zeigt, dass die äußerste Sparsamkeit für die Grünen keineswegs bedeutet, dass ein ökologisches Profil verloren geht. Die Befürchtung des Kollegen Kubicki, dass die Grünen in dieser Regierung nicht genügend Profil zeigen können, ist also unbegründet. Das tut mir Leid für Sie.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das befürchte ich gar nicht!)

Das Kabinett hat den Umweltminister aufgefordert, neue Organisationsformen für die Landesforste zu prüfen, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Das hat - wie Sie sicher gemerkt haben - zu einer verstärkten Präsenz der Förster vor dem Landeshaus geführt. Natürlich müssen wir überall, auch in der Forstverwaltung, die Strukturen immer wieder auf ihre Effizienz hin überprüfen.

(Lachen des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])

Aber wir müssen auch im Auge behalten, dass der Wald nicht nur eine Holzplantage ist. Der Wald hat eine wichtige Erholungsfunktion für unsere Menschen und Feriengäste. Er hat einen wachsenden Freizeitwert. Schließlich sind die Wälder Naturräume, die zum großen Teil unter Naturschutz stehen und eine wichtige Rolle für die Ökologie des Landes spielen. Nicht umsonst hat der vorige Umweltminister die naturverträgliche Waldbewirtschaftung entsprechend der FSC-Zertifizierung eingeführt. Diese wichtigen Funktionen des Waldes dürfen nicht gefährdet werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Lars Harms [SSW])

(Karl-Martin Hentschel)

Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes macht uns zurzeit Sorgen. Da hilft es leider wenig, wenn die Opposition grobschlächtig und vollmundig verkündet, sie könne alles besser.

(Caroline Schwarz [CDU]: Na, na, na!)

Herr Kayenburg, was Sie besser können, das erleben Sie gerade in Ihrer Partei, wo der Vorsitzende nicht einmal die Wahl für einen Bundestagskandidaten managen kann und ein Mitglied Ihrer Fraktion mittlerweile sein Geld mit Klagen gegen den Parteivorsitzenden verdient.

(Widerspruch bei der CDU)

Jeder Beobachter, der etwas von Wirtschaftspolitik in diesem Land versteht, erkennt an - das können Sie überall nachlesen -, dass der Wirtschaftsminister und seine Vorgänger in diesem Land einen guten Job gemacht haben. Es sind wichtige Signale für den Strukturwandel gesetzt worden und es ist gelungen, dass die ITund Kommunikationswirtschaft in SchleswigHolstein mittlerweile deutlich überproportional vertreten ist. Das ist ein bemerkenswerter Erfolg, auch wenn dieser Wirtschaftszweig durch die Schwäche des NEMAX vorübergehend in die Krise geraten ist und dies Schleswig-Holstein dann natürlich auch überproportional trifft.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mein Gott!)

Mittelfristig wird sich diese Orientierung auszahlen, da bin ich mir sicher. Und jetzt zu sagen: „Schluss mit IT, zurück zu den Werften!“, kann nicht die richtige Antwort sein.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wer sagt das denn?)

Wesentlich mehr Sorgen macht mir die Bauwirtschaft. Jetzt rächt es sich, dass die Bauwirtschaft während der 90er-Jahre durch die unseligen Abschreibungsmodelle der vorigen Bundesregierung übermäßig aufgebläht worden ist. Als Folge davon ist in den vergangenen sechs Jahren fast ein Drittel der Arbeitsplätze am Bau in Schleswig-Holstein wieder verloren gegangen. Darunter leidet insbesondere das Handwerk, das in den strukturschwachen Regionen des Landes eine sehr wichtige Rolle spielt und ein Drittel der Ausbildungsplätze stellt. Hier müssen wir uns Gedanken machen, wie wir helfen können. Insbesondere die starken Kürzungen bei den Beratungsleistungen der Handwerkskammern sind in meiner Fraktion kritisiert worden. Hierdurch werden überwiegend Handwerker, die eigene Existenzen gründen, und diejenigen, die Betriebe von älteren Handwerkern übernehmen, beraten und damit wichtige Arbeitsplätze und

Ausbildungsplätze gesichert. Diese Kürzungen sollten wir noch einmal überprüfen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Herr Kubicki, ich halte es für kontraproduktiv, wenn Sie in dieser Situation gegen den Willen der gesamten Wirtschaft und insbesondere gegen den Willen der Handwerker die Sparkassen abschaffen und damit eine der wesentlichen Institutionen, die für die Finanzierung des Handwerks zur Verfügung stehen, wegschlagen wollen. Das ist kontraproduktiv und hat mit Wirtschaftspolitik nichts zu tun.