Protocol of the Session on September 26, 2001

(Wolfgang Kubicki)

von der Finanzentwicklung gelöst hat, dass es da keine Kompatibilität mehr gibt, dann sage ich Ihnen, Herr Minister, wie in allen Jahren vorher noch einmal: Warten Sie das Ergebnis des letzten Quartals für Schleswig-Holstein ab! Unsere Unternehmen und Personen reagieren später als in anderen Ländern auf die Anpassung ihrer Vorauszahlungen und ihre Anträge beim Finanzamt auf die Anpassung - auch der Rückzahlungen - als in anderen Bundesländern. Das hat möglicherweise etwas mit der Mentalität der Schleswig-Holsteiner zu tun. Ich sage Ihnen voraus, dass wir - was die Steuereinnahmen des Landes angeht - im letzten Quartal einen dramatischen Einbruch erleiden werden, weil die Anpassungen entsprechend vollzogen werden.

Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen. 1 % Wachstum ergibt Steuereinnahmen und -ausfälle in Verbindung mit Finanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen zwischen 80 Millionen und 100 Millionen DM für das Land Schleswig-Holstein. Ich will mich nicht auf 1 Million oder 2 Millionen DM festlegen. In diesem Bereich ist 1 % weniger Wachstum weniger anzusiedeln. Wenn wir von 2,2 % auf 0,2 % kommen, was aus heutiger Sicht nicht unwahrscheinlich ist, so ist das ein Brocken, von dem ich mir anschauen werde, wie er verarbeitet werden soll, ohne dass es massive Eingriffe auch in bestehende Leistungsgesetze des Landes Schleswig-Holstein gibt. Aus der freien Finanzmasse wird das nicht mehr darzustellen sein.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was schlagen Sie vor?)

Die Zahlen des Finanzplans, die uns überreicht worden sind, sind völlig unbrauchbar. Allerdings zeigen schon die Vorbemerkungen, dass die Landesregierung für dieses sinnvolle Planungsinstrument ohnehin keine Verwendung mehr hat, denn es wird nur noch zu Propagandazwecken herausgegeben. Ein Beispiel: Beim Wirtschaftswachstum von 1991 bis 2000 erreicht unser Land nach Aussage der Landesregierung einen guten fünften Platz. Fünfter Platz stimmt zwar, aber gut ist das leider nicht. Das durchschnittliche Wachstum Deutschlands belief sich auf 14,8 % und das der westlichen Bundesländer auf 11,2 %. SchleswigHolstein liegt signifikant unter dem Durchschnitt. Das ist geradezu höhnisch, denn wir haben - wie gesagt - in diesen zehn Jahren insgesamt ein Wachstum von 9,8 % gehabt. Wir dürfen uns auch nicht dauernd mit den neuen Bundesländern vergleichen, um zu sagen, dass wir noch vergleichsweise gut dastehen, denn das ist der falsche Maßstab.

(Beifall bei FDP und SSW)

Wir müssen wieder dazu übergehen, uns an den Ländern zu orientieren, mit denen wir schon in der Vergangenheit im Wettbewerb standen, zu denen wir aufholen müssen und es eigentlich auch können, wenn das Richtige getan wird. Wirtschaftsminister Rohwer betont ständig richtigerweise, man müsse sich auf den Wachstumstrend konzentrieren, um die wirtschaftliche Entwicklung zu beurteilen. Wir sehen, im deutschen Vergleich hängen wir beim Trend zurück. Jetzt sind wir sogar nur noch auf dem zwölften Platz und belegen den letzten Platz unter den westdeutschen Bundesländern. Ich erinnere noch einmal an die anfangs zitierten Worte Peer Steinbrücks:

„Ohne öffentliche Investitionen werden wir diese Entwicklung nicht verändern.“

Zweites Beispiel: Die Landesregierung schreibt, die Rückführung der jährlichen Neuverschuldung sei unvermeidlich. Gleichzeitig legt sie einen Märchenplan dazu, wie es geschehen soll. Das ist inzwischen ein Evergreen des Finanzplans. Wir haben dokumentiert, dass wir seit 1992 jedes Jahr - immer acht Jahre nach hinten verschoben - die Erklärung bekommen, dass die Nettoneuverschuldung dann bei null sei. Jedes Jahr steht dies drin, noch nie ist es verwirklicht worden. Das Einzige, was sich ändert, ist das Jahr, in dem die Nettoneuverschuldung auf null sinken soll. In diesem Zusammenhang sind die Eckdaten bezeichnend, die wir einfach betrachten müssen, um zu wissen, dass das, was verkündet wird, gar nicht erreicht werden kann.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Bei Ausgaben und Einnahmen werden noch prozentuale Veränderungen angegeben, bei der Neuverschuldung nicht. Warum nicht? Ganz einfach. Niemand glaubt ernsthaft, dass die Neuverschuldung 2003 um 13,3 % sinken wird und 2004 sogar um über 30 %, was sie müsste, wenn man das Ziel erreichen wollte. Man erreicht dies schon gar nicht, wenn die Neuverschuldung 2002 nach dem Entwurf um über 8 % steigen wird. Also legen wir auch diesen Finanzplan zu den Geschichten, die keiner braucht und keiner glaubt, außer vielleicht einige Mitglieder der Koalition. Die Koalition glaubt ihre eigene Propaganda, das ist das eigentliche Problem unseres Landes.

(Beifall bei FDP und CDU)

Damit komme ich zum Entwurf des Haushalts 2002. Er steht unter dem konsequenten Einspardiktat der Landesregierung - so sagt sie jedenfalls. Deswegen steigen die Ausgaben ja auch um 2,12 % und die Neuverschuldung um über 8 %. Niemand sollte glauben, mit den neuen Schulden würden neue Handlungsspiel

(Wolfgang Kubicki)

räume geschaffen. Die Landesregierung braucht die neuen Kredite komplett, um über die Hälfte der Zinszahlungen für die alten Schulden des Landes zu begleichen. Das muss man sich vor Augen führen. Das ist ein Fakt, ohne dass ich zunächst eine Schuldzuweisung betreiben will.

Die restlichen Zinszahlungen werden aus dem Länderfinanzausgleich bezahlt. Kredite aufnehmen, um die Zinsen auf alte Kredite zahlen zu können, ist der sichere Weg in den Ruin. Das ist der leuchtende Pfad finanzpolitischer Unfähigkeit. Dieser Unfug muss aufhören. Schleswig-Holstein braucht Geld - und zwar nicht aus Schulden. Um die Herausforderungen der kommenden Jahre einigermaßen bewältigen zu können, müssen wir Finanzierungsquellen finden. Ich sage aber ausdrücklich: nicht bei den Blinden! die haben es nicht verdient, die Sündenböcke der finanzpolitischen Unfähigkeit zu sein.

Eine wirklich viel versprechende Quelle haben wir schon. Ich nenne ausdrücklich die Landesbank Schleswig-Holstein. Angesichts der Entwicklungen im Brüsseler Beihilfestreit und der Diskussion um Basel II - darüber werden wir uns noch unterhalten stellt sich die Frage, ob wir wirklich noch eine Landesbank im Besitz des Landes Schleswig-Holsteins brauchen. Basel II hat viel gravierendere Auswirkungen als die Frage, welche Rechtsform ein Institut hat.

(Beifall bei FDP und CDU - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Brauchen wir noch Politik?)

- Herr Hentschel, wollen Sie mir sagen, dass Sie mit der Landesbank Schleswig-Holstein Politik machen? Ich sage Ihnen: Die Landesbank macht mit Ihnen Politik. Nichts anderes!

(Beifall bei FDP und CDU)

Eine öffentlich-rechtliche Landesbank, die in erster Linie den privaten Banken Konkurrenz macht und ihr Hauptgeschäft außerhalb Schleswig-Holsteins abwickelt, brauchen wir - so denke ich - nicht mehr. Wir brauchen sie im Eigentum des Landes nicht mehr. Wir werden sie im Eigentum des Landes auch gar nicht halten können, wenn man sich die Eigenkapitalvorschriften anguckt, die die Landesbank SchleswigHolstein erfüllen muss, wenn sie umgewandelt worden ist. Deshalb sollten wir die Landesbank verkaufen, und zwar diesmal richtig. Richtig und nicht so stümperhaft wie die Preussag-Wohnungen, die Provinzial oder die LEG, sondern mit einem sauberen Schnitt: Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und Verkauf auf dem freien Kapitalmarkt. Das wäre der Anfang eines finanzpolitischen Befreiungsschlags.

(Beifall bei FDP und CDU)

Seit Jahren warnt die FDP davor, dass die Landesregierung finanzpolitische Luftschlösser baut und dass diese in der nächsten Konjunkturschwäche zerplatzen werden, was schwerwiegende negative Folgen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben wird. Jetzt ist die Konjunkturschwäche da und die Luftschlösser zerplatzen. Ganz vorn hat die Ministerpräsidentin das Land gesehen. Sie sieht es immer noch dort. So ist das, wenn man plus mit minus und hinten mit vorn verwechselt. Ganz oben sind wir auf der Landkarte und ganz vorn bei den Schulden, ganz hinten beim Wachstum und den Investitionen. So sieht es leider auch nach 13 Jahren roter und fünf Jahren rotgrüner Regierung aus.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. In den letzten Tagen ist wegen der traurigen Ereignisse in den USA häufig die Rede von der offenen Gesellschaft und dem Schöpfer dieses Ausdrucks, Sir Karl Popper. Im Zusammenhang mit der offenen Gesellschaft schrieb Popper auch über die Demokratie, sie sei die einzige Staatsform, die der offenen Gesellschaft angemessen sei, vor allen Dingen aus einem Grund: Die Demokratie ist die einzige Staatsform, in der das Volk - so sagt Popper - die Chance hat, schlechte Regierungen regelmäßig ohne Blutvergießen wieder loszuwerden. So auch diese Landesregierung. Es ist höchste Zeit.

(Beifall bei FDP und CDU)

Auf der Besuchertribüne begrüße ich jetzt die Besuchergruppe der Senioren-Union Eutin.

(Beifall)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die furchtbaren Terroranschläge von New York werfen ihren Schatten auch nach Schleswig-Holstein. Ich finde es gut, dass mein Kollege Lothar Hay auf diese Sache eingegangen und nicht zur Tagesordnung übergegangen ist. Auch mir fällt es schwer, einfach zu sagen: Wir reden jetzt über Finanzen.

Vieles von dem, was wir in unserem kleinen friedlichen Land diskutieren, erscheint plötzlich unbedeutend, wenn der Weltfrieden bedroht ist. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt. Unsere ernsthaften wirtschaftlichen Probleme relativieren sich

(Karl-Martin Hentschel)

plötzlich, wenn wir sie einmal mit der Situation in vielen anderen Regionen der Welt vergleichen, in denen die Menschen und Regierungen um das Überleben kämpfen. Dafür sollten wir dankbar sein und wir sollten es nie vergessen.

Mir persönlich hat das alles auch wieder ins Bewusstsein gerufen, dass es nicht ausreicht, den eigenen Laden in Ordnung zu halten. In einer globalisierten Welt können wir uns nicht abschotten. Die Ereignisse in Amerika, Afrika und Asien haben direkte Auswirkungen auf unser Leben in Schleswig-Holstein. Auch wir müssen angesichts der Ereignisse dazu beitragen, dass Terror und Schrecken hier keinen Platz haben und dass die Täter für diese Verbrechen bestraft werden.

Wir müssen uns aber auch mehr als bisher darum kümmern, anderen Ländern und Regionen zu helfen, damit die Menschen dort eine Chance haben, eine lebenswerte Existenz zu führen. Der Friede in der Welt muss uns etwas wert sein. Ich erinnere mich noch an manche kleinkarierte Diskussion darüber, ob sich ein Land wie Schleswig-Holstein in bescheidenem Rahmen auch eine Dritte-Welt-Politik leisten darf. Ich sage: Ja, wir müssen es sogar tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

Viele Menschen haben mich in den letzten Tagen erschrocken gefragt, ob es Krieg gibt. Kinder waren verstört, alte Menschen saßen nächtelang vor dem Fernseher und erinnerten sich plötzlich an längst vergangen geglaubte furchtbare Zeiten.

Ich bedanke mich deswegen ausdrücklich bei all den Menschen, die sich in den letzten Tagen dafür eingesetzt haben, dass nicht pogromartige Stimmungen und der Ruf nach Rache die Oberhand gewinnen konnten, sondern Vernunft und Besonnenheit gefragt sind. Dabei denke ich an die Lübecker Bischöfin Bärbel Wartemberg-Potter mit ihrer beeindruckenden Predigt in der Nicolai-Kirche am Tag nach dem Terroranschlag, als sie sagte, dass wir die Globalisierung nur bewältigen werden, wenn die Welt gerechter wird.

Ich bedanke mich bei der Ministerpräsidentin Heide Simonis, die uns so würdig in New York vertreten hat.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Ich bedanke mich auch bei den Sylter Bürgern für die Einladung von 50 New Yorker Feuerwehrleuten. Dies war ein wichtiges Zeichen für unsere Solidarität mit den Opfern in dieser Stunde.

(Beifall des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

Ich bedanke mich auch bei Bundesaußenminister Fischer, der in unzähligen Telefonaten und Gesprächen mit den NATO-Partnern erfolgreich dafür geworben hat, die USA in eine internationale Allianz einzubinden, übereilte militärische Reaktionen zu vermeiden, gleichzeitig aber keinen Zweifel an unserer Solidarität gelassen hat.

Ich bedanke mich bei Innenminister Buß, der in seiner bewährten ruhigen Art schnell die notwendigen Maßnahmen in Schleswig-Holstein ergriffen hat und jetzt die Konsequenzen für die Zukunft erarbeiten lässt, ohne übereilte Schnellschüsse zu machen.

Mein Dank geht auch an Anne Lütkes, die mit ihrer ruhigen, freundlichen und bestimmten Art in dieser schwierigen Situation in den Bund-Länder-Abstimmungen unermüdlich dafür kämpft, dass der Rechtsstaat nicht populistischen Strömungen geopfert wird. Es wird keine Rasterfahndung ohne gesetzliche Grundlage geben. Sie wird rechtlich abgesichert sein und es werden alle notwendigen Sicherungen eingebaut werden. Es wird auch geprüft - ich denke, wir werden das hinbekommen -, ob es möglich ist, die meisten notwendigen Änderungen zeitlich begrenzt einzuführen, damit man sie dann, wenn die Bedrohung vorbei ist, wieder zurückführen kann.

Wir setzen uns auch dafür ein, dass der § 129 b StGB, über den jetzt diskutiert wird, kein Gesinnungsparagraph wird mit der Folge, dass Meinungen bestraft werden, sondern dass er so gestaltet wird, dass lediglich auf Fakten abgehoben werden kann, die überprüfbar sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Vor zwei Jahren wollten Sie das alles abschaffen!)

Gestatten Sie mir auch einige Anmerkungen zu Hamburg. Ich weiß, dass die politische Konkurrenz ein gnadenloses Geschäft ist und dass mancher Konkurrent sich über die bittere Niederlage meiner Partei freut.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da ist etwas dran!)

Ich gehöre nicht zu denjenigen, die so etwas schön reden. Manche verkaufen es ja schon als Sieg, wenn sie nach einer euphorischen 18-%-Kampagne bei 5,1 % gelandet sind. Ich bin entsetzt darüber, dass ein Demagoge wie Schill mit einer Truppe von abgehalfterten Nobodies von jedem fünften Wähler gewählt wurde, und ich werfe sowohl der CDU als auch der FDP vor, diesen Mann durch Koalitionsangebote und

(Karl-Martin Hentschel)