Protocol of the Session on September 26, 2001

kann. Wir können die Amerikaner nur darin bestärken - so schwer dies auch sein mag angesichts der verständlichen Trauer und Wut -, den Versuch einer Verhältnismäßigkeit in der Reaktion zu machen. Nach dieser Form der Demütigung und Gewaltanwendung des Terrorismus muss es aber eine Reaktion geben. Was würde wohl passieren, wenn es keine Antwort gäbe, wenn dieser Triumph - aus Sicht des Terrorismus - so stehen bleiben würde? - Das sind Fragen, die jeder von uns beantworten kann und muss. Deshalb ist es aus politischen und sicherheitspolitischen Gründen notwendig, dass eine direkte Antwort erfolgt, dass die Täter und ihre Unterstützer zur Rechenschaft gezogen werden.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Die Bekämpfung von Not und Elend in den ärmeren Ländern dieser Welt wird helfen, dem Terrorismus keine neue Nahrung zu verschaffen. Terrorismus hat vielfältige Ursachen. Nur wenn sich die Völkergemeinschaft gemeinsam der Ursachen stellt, wird es den Terrorismus zum Verschwinden bringen. Bis dahin ist es aber ein langer Weg.

Um nicht missverstanden zu werden: Es gibt keine Legitimation - weder Elend noch Unterdrückung - für den totalitären Terror. Es darf für Terroristen in der ganzen Welt keinen sicheren Unterschlupf, kein sicheres Hinterland geben.

Was die Debatte um die innere Sicherheit bei uns angeht, die aus den Anschlägen in New York und Washington folgt, so wird sowohl auf Bundesebene als auch in Schleswig-Holstein einiges getan werden müssen. Wir müssen dazu beitragen, dass Deutschland als Hinterland für Schläfer aus dem terroristischen Bereich nicht mehr infrage kommt. Allerdings ist diese Aufgabe nur äußerst schwer umzusetzen. Es ist klar, dass Maßnahmen wie die Verbesserung der Flugsicherheit, des Schutzes von gefährdeten Industrieanlagen und Versorgungseinrichtungen, der chemischen Industrie und der Atomkraftwerke zu ergreifen sind. Gleichzeitig muss die Zusammenarbeit der für die Sicherheit zuständigen Behörden und Dienste weiter verbessert werden. Welche Maßnahmen im Land Schleswig-Holstein zu ergreifen sind, sollten wir gemeinsam auf der Grundlage der Vorschläge der Landesregierung debattieren. Bei allen Maßnahmen, die denkbar sind und von einigen sofort ins Spiel gebracht werden, ist klar: Für eine demokratische und offene Gesellschaft ist eine absolute Unverwundbarkeit nicht zu erreichen.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei FDP und SSW)

Für die Politik kommt es darauf an, sich den Ängsten der Menschen zu stellen, sie ernst zu nehmen und in konstruktiver Weise darauf zu reagieren. Es gibt so etwas wie eine gefühlte innere Sicherheit und eine gefühlte Kriminalität. Mit Ängsten und Befürchtungen angemessen umzugehen, ist Aufgabe aller demokratischen Parteien.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ein Wort noch zur Rolle der Medien in der Berichterstattung der letzten Tage: Ich hoffe, dass sich die Journalisten der Verantwortung, die sie in der Berichterstattung bei Wort- und Bildauswahl haben, bewusst sind. Mit Sicherheit wird es nach dem Anschlag im arabischen Bereich Menschen gegeben haben, die heimlich oder öffentlich gejubelt haben. Wenn aber „Panorama“ oder „Der Stern“ Beweise dafür liefern, dass unter den Palästinensern Menschen von den Medien zum Jubeln aufgefordert wurden oder gar materielle Gegenleistungen für mediengerechten Jubel erhalten haben, dann müssen wir die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Journalisten stellen.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Ich habe mit großer Achtung gestern beim Empfang der Landespressekonferenz die Rede des Vorsitzenden Peter Höver wahrgenommen. Ich habe aber auch festgestellt, das diese Rede nicht von allen uneingeschränkt begrüßt wurde. Sie war nachdenklich und sie kam aus dem Munde eines Journalisten zum richtigen Zeitpunkt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich halte es ebenfalls für nötig, die Debatte über die Zuwanderung jetzt weiter zu führen und nicht auf Grund der aktuellen Entwicklungen bis auf den Oktober 2002, nach der Bundestagswahl, zu verschieben.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, FDP und SSW)

Es kommt jetzt darauf an, dass wir weiter für Toleranz gegenüber Ausländern eintreten. Wir müssen deshalb Ausländer, besonders aus den islamischen Ländern, die in ihrer übergroßen Mehrzahl weder Sympathien für den Terror haben noch irgendetwas mit ihm zu tun haben, vor Angriffen und Übergriffen schützen. Das ist auch unsere Aufgabe.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Lothar Hay)

Der Islam ist im Grunde eine tolerante Weltreligion und wir sollten uns vor kollektiven Anschuldigungen und Vorurteilen hüten.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen alles dafür tun, dass Freundschaften und Verbindungen über konfessionelle und ethische Grenzen hinweg durch diesen Anschlag nicht zu Bruch gehen. Gerade wegen der Ereignisse in den USA müssen wir die Debatte um die Zuwanderung in angemessener Form weiterführen. Machen wir uns doch nichts vor: In einer Welt, die sich global immer mehr verzahnt, kann ein Ansatz der Argumentation: Wenn wir unter uns blieben, dann hätten wir solche Probleme nicht!, nur in die Irre führen.

(Beifall bei der SPD)

Sicher muss jedes Land seine eigene Debatte über die Terrorangriffe in den USA und die notwendigen Konsequenzen führen. Doch was im Moment aus Dänemark berichtet wird, empfinde ich als erschreckend. Um nicht missverstanden zu werden: Ich zeige nicht mit dem Finger auf Dänemark. Äußerungen wie in Dänemark halte ich auch in Deutschland für möglich, wenn sie nicht sogar auch schon hier gefallen sind. Der Europaparlamentarier der Dänischen Volkspartei Mogens Camre erklärte:

„Alle westlichen Länder sind von Moslems infiltriert. Einige sprechen, reden mit uns, während sie nur darauf warten, dass sie genügend sind, um uns totzuschlagen.“

Der große öffentliche Aufschrei unterblieb. Die dänische Innenministerin Karen Jespersen forderte, kriminelle Asylbewerber auf eine unbewohnte Insel zu deportieren.

Eine neue Angst vor Fremdem kann das zarte Pflänzchen Integration, das in Deutschland zu wachsen begonnen hat, wieder zerstören.

(Beifall bei SPD und FDP)

Politik ist dafür da, Entscheidungen zu treffen. Politik ist dazu da, Ängste von Menschen ernst zu nehmen, sie aber nicht zu instrumentalisieren und bei den Menschen noch zu verstärken.

Ich persönlich habe viele Fragen hinsichtlich des weiteren Weges. Schnelle Antworten, die ich zum Teil schon vor dem 11. September gehört habe, Aktionismus, Einschränkungen des Rechtsstaates und von Grundrechten sind nicht der richtige Weg. Ich bekenne, dass auch ich nicht frei von Ängsten hinsichtlich dessen bin, was auf uns zukommt.

Ich werde mich jetzt in wenigen Bemerkungen auch mit einigen Punkten der aktuellen politischen Situa

tion des Landes Schleswig-Holstein im Zusammenhang mit dem Haushaltsentwurf 2002 beschäftigen, ich hielt es aber für meine ganz persönliche Pflicht, diesen ersten Einschub zu machen, auch wenn vielleicht nicht alle in diesem Hause damit einverstanden sind. Aber das war mir ein Grundbedürfnis.

(Beifall bei SPD, FDP und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

An der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Landes Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik Deutschland insgesamt gibt es nichts herumzudeuteln. Wir müssen sie ernst nehmen. Wir müssen davon ausgehen, dass nach dem 11. September weitere, von uns im Augenblick nicht abzusehende Verschlechterungen eintreten können. Das geben auch die Daten des Statistischen Landesamtes her, die nur das erste Halbjahr beurteilen. Auch wenn jetzt das Weltwirtschaftsinstitut in Kiel für das Jahr 2002 positivere Ansätze sieht, so weiß man nicht, ob in diesen positiven Ansätzen die letzten Ereignisse schon berücksichtigt worden sind.

Wir alle haben gewusst, dass die Steuerreform zu Mindereinnahmen in den Ländern führen wird. Wir haben gehofft, dass aufgrund der Mindereinnahmen in den Ländern und der geringeren Steuerzahlungen der Unternehmen die Konjunktur einen positiven Anstoß bekommen wird. Das ist bisher nicht eingetreten.

Das Beispiel der Maßnahmen zur inneren Sicherheit, wie sie vom Bund geplant sind, macht eines deutlich: Während der Bund in der Lage ist, zusätzliche finanzielle Aufwendungen durch die Erhöhung von Tabak- und Versicherungssteuer zu finanzieren, stehen den Ländern ähnliche Möglichkeiten nicht zur Verfügung.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Lage unübersichtlich und für die vor uns liegende Zeit auch ein Stück unkalkulierbar bleibt. Deshalb habe ich gesagt: Wir warten die Steuerschätzung ab und dann werden wir im Lichte der dann vorliegenden Fakten zu entscheiden haben, was am Haushaltsentwurf 2002 auch unter Berücksichtigung dessen, was ich schon gesagt habe, geändert werden muss.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokraten haben aber auch unter erschwerten Bedingungen die Absicht, an dem Ziel der Konsolidierung des Haushalts mit einer Konzentration auf das Notwendige und Machbare festzuhalten. Wir wollen die Schwerpunkte auch in den zukünftigen Haushalten deutlich sichtbar machen. Sowohl Infrastrukturprojekte als auch die Unterrichtsversorgung und der Einstieg in die Ganztagsangebote stehen dabei

(Lothar Hay)

im Vordergrund. Das ist angesichts der Haushaltslage schon sehr viel.

Im Nachtragshaushalt werden den Werften des Landes noch einmal zusätzlich 8 Millionen DM Landesgeld und 4 Millionen DM Geld des Bundes zur Verfügung gestellt - eine Entscheidung, die uns in der Fraktion angesichts der Daten nicht leicht gefallen ist. Aber wir haben sie getroffen, um die Arbeitsplätze zu sichern. Wir haben sie getroffen angesichts des Wirkens der Europäischen Kommission, die bisher wenig unternommen hat, um Südkorea zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung zurückzubringen und deutlich zu machen, dass es nicht angehen kann, mit Dumpingpreisen 40 % unter Marktniveau Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein und darüber hinaus zu gefährden. Wir erwarten, dass die Europäische Kommission hier endlich handelt.

(Beifall bei der SPD)

Für die Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion steht hinsichtlich der nächsten Wochen die Aufgabe, den Haushalt insgesamt einer kritischen Durchsicht zu unterziehen. Wer jedoch Einsparungsvorschläge der Landesregierung an einzelnen Stellen nicht für machbar hält, der ist aufgefordert, an anderer Stelle Kürzungsvorschläge in gleicher Höhe auf den Tisch zu legen, wie Finanzminister Möller mich zitierte. Hier gilt auch: alternativ statt additiv.

(Beifall bei der SPD)

Für uns in der SPD-Fraktion ist zum jetzigen Zeitpunkt schon eines klar: Wir werden vielen Menschen im Lande im Haushaltsjahr 2002 und in den Folgejahren Einschnitte und Kürzungen in erheblichem Umfang zumuten. Dies ist der einzige Weg, um das Ziel von Landesregierung und SPD-Landtagsfraktion gemeinsam mit unserem Koalitionspartner zu erreichen, nämlich die Konsolidierung des Haushalts.

Wir bleiben bei der Einstellung von 200 Lehrern pro Jahr bis zum Jahre 2004. Wir werden die Ganztagsangebote in den Schulen ausbauen und in den nächsten Jahren Schritt für Schritt fortsetzen.

Wir werden den Rechtsextremismus in den kommenden Jahren noch genauer beobachten, hat doch gerade die Reaktion auf den furchtbaren Anschlag in den USA gezeigt, wie menschenverachtend die NPD und ihr Umfeld auch in Schleswig-Holstein auftreten.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir unterstützen die Bildungsministerin bei dem Ziel, das Abendschulwesen neu zu ordnen. In Gesprächen mit Menschen, die befürchten, dass die Landesregierung den zweiten Bildungsweg aufgeben will, haben

wir klargestellt: Wer derzeit als Schüler eine der fünf Abendrealschulen oder eines der vier Abendgymnasien besucht, wird seinen Abschluss dort erwerben können. Wer künftig einen höheren Abschluss erwerben will, wird in Schleswig-Holstein die Möglichkeit dazu erhalten. Die Strukturen und die Träger des zweiten Bildungsweges haben sich in der Vergangenheit auch immer wieder geändert und eines ist klar: Flächendeckend waren diese Angebote nie.

Über die Fraktionsgrenzen hinaus besteht Einigkeit darin, ein Ganztagsangebot für Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein zu entwickeln. Natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des Umfangs des Angebots und über den zeitlichen Rahmen der nächsten Schritte. Für den Einstieg in die Ganztagsangebote werden in den nächsten drei Jahren Haushaltsmittel im Wert von 45 Planstellen zur Verfügung gestellt werden.

Auch im Hochschulbereich werden einige, auch schmerzhafte Veränderungen stattfinden. Im Bereich der Studiengänge der Fachhochschulen wird es um eine deutlich bessere Zusammenarbeit und um eine Bündelung der Architektur- und Bauingenieurstudiengänge gehen. Gleichzeitig soll in Flensburg die Zusammenarbeit zwischen der Universität und der Fachhochschule verbessert werden. Das ist eigentlich schon seit längerer Zeit erforderlich.