Wenn wir diese Frage anders beantworten, dann müssen wir sagen, dass diese Forschung grundsätzlich zugelassen werden muss. Es liegt dann an uns als Parlamentariern, die Grenzen festzulegen und zu pönalisieren - ich sage ausdrücklich: strafrechtlich relevant zu pönalisieren -, was in der Relation dieser Forschung nicht mehr geschehen darf. Herr Kollege Wadephul, die Fragen, die Sie gestellt haben, können wirklich sinnvoll erst dann beantwortet werden, wenn man die Forschung betrieben hat.
Wir können das Ergebnis von Forschung doch nicht zu seiner Voraussetzung machen. Wer soll denn empfinden, wer soll denn bewerten, welches Risikopotenzial und welche Missbrauchsmöglichkeiten bestehen? Soll dies - wie bei der französischen Revolution - ein Wohlfahrtsausschuss tun, den wir gründen? Politik muss zwangsweise immer der Forschung hinterher hinken. Das ist der Kern von Forschung. Sonst wären wir kein Parlament, sondern eine Forschungseinrichtung. Das sind wir eben nicht.
Leider muss ich aufhören. Frau Kollegin Hinrichsen, weil mich das wirklich berührt, sage ich zum Schluss: Ich habe in gleicher Weise von der Bischöfin Jepsen gehört, es gäbe kein Recht auf dauerhaftes Leben und auch kein Recht auf schmerzfreies Leben. Ich halte es für zynisch und für mit meinem Menschenbild überhaupt nicht vereinbar - ich sage ausdrücklich, mit meinem Menschenbild -, dass ich Sterbenden die Hand reichen und sie beim Sterben mit der Erklärung begleiten soll, wir haben darauf verzichtet, Forschungs
- Frau Kollegin Schmitz-Hübsch, selbstverständlich können Sie - zum Beispiel bei einem Brandopfer, das bis zu 60 % Hautverbrennungen hat - Sterben verhindern, indem Sie in der Lage sind, Hauttransplantationen vorzunehmen, wobei das Material aus eigenen Zellen stammt.
Ich bin gern bereit, mit Ihnen zu Menschen zu gehen, die die Frage haben, ob Wissenschaft in der Lage ist, ihr Sterben zumindest hinauszuzögern. Sie können beispielsweise zu Aidsopfern gehen und ihnen sagen: Wir verzichten darauf, Ihr Leben zu verlängern, weil wir auf Forschung verzichten. - Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg.
„Was wir im Augenblick in der Bundesrepublik Deutschland erleben, ist eine Diskussion - und die erfasst auch den Landtag - einer Werteabwägung zwischen der Erfurcht vor dem Leben einerseits und einer Ethik des Heilens andererseits.“
Das ist ein Zitat aus einer Pressemitteilung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU, das für mich persönlich die ganze Bandbreite darstellt. Wir mögen noch so viele Ethikräte auf Bundes- oder Landesebene oder noch so viele Enquetekommissionen haben: Die letzte Entscheidung muss jeder Abgeordnete für sich mit seinem Gewissen abmachen. Wir haben heute Morgen einen Antrag der CDU-Fraktion auf ein Moratorium in der Embryonenforschung bekommen. Die SPD-Fraktion hat das Bedürfnis, sich mit diesem An
trag noch einmal in der Mittagspause auseinander zu setzen, und wir bitten darum, dass die Abstimmung über die vorgelegten Anträge erst zu Beginn der Nachmittagssitzung vorgenommen wird.
Mir liegen noch zwei weitere Wortmeldungen vor. Zunächst erteile ich Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich respektiere selbstverständlich den Wunsch der SPD, noch einmal über das Thema zu beraten. Ich finde es in solch einer Frage wichtig, dass diese Möglichkeit gegeben wird, wenn ein neuer Antrag eingereicht wird. Wir haben eine sehr ernsthafte Debatte geführt. Herr Kubicki, ich kann nicht erkennen, dass diese Debatte in irgendeiner Weise zynisch war. Das habe ich nicht gemerkt.
Ich finde, die Debatte war ernsthaft. Ich habe auch den Beitrag Ihrer Fraktionskollegin begrüßt. Wir haben eine ernsthafte Debatte geführt, die sich mit einem ernsthaften Problem beschäftigt. Das ernsthafte Problem ist, dass wir entscheiden müssen, wo Grenzen der Forschung gesetzt werden und ob wir sie in dieser Frage setzen wollen.
Es gibt in unserem Grundgesetz die Freiheit der Forschung. Es gibt aber auch den § 1 und der hat die Würde des Menschen zum Inhalt. Es ist unstreitig, dass es Grenzen für die Forschung gibt. Die gibt es auch zurzeit. Es geht nicht um die Frage, die Sie gestellt haben, nämlich ob wir erst beliebig lange forschen lassen wollen, um dann beurteilen zu können, was wir tun. Es geht tatsächlich um die Frage: Wo müssen der Freiheit der Forschung Grenzen gesetzt werden, weil es gegen die Würde des Menschen spricht?
In der aktuellen Situation ist mit dem Embryonenschutzgesetz eine Grenze für die Forschung gesetzt worden. Wir stellen fest, dass die wissenschaftliche Entwicklung so schnell vorangegangen ist, dass dieses Embryonenschutzgesetz nicht mehr ausreicht, weil bestimmte Fälle nicht erfasst sind. Jetzt brauchen wir
eine gesellschaftliche Debatte darüber, ob wir dieses Embryonenschutzgesetz weiterentwickeln wollen. In dieser Debatte befinden wir uns. Ich denke, ja.
Die Frage ist nur, in welcher Weise wir es weiterentwickeln. Das heißt, ich gehe davon aus, dass es noch in diesem Jahr - oder spätestens im nächsten Jahr eine Entscheidung des Bundestages geben wird, die dieses Embryonenschutzgesetz in die eine oder andere Richtung neu fasst. Deshalb finde ich es richtig, dass ein Moratorium erfolgen soll.
Frau Fröhlich hat es sehr deutlich dargestellt: Im Moment werden vonseiten der Wissenschaft Fakten geschaffen, die dem Embryonenschutzgesetz vom Geiste her widersprechen, jedoch nicht vom Text des Gesetzes her. Ich denke, das ist die klassische Situation, in der man sich für ein Moratorium aussprechen sollte, bis das neue Gesetz verabschiedet ist. Das hat nichts damit zu tun, dass man die Freiheit der Wissenschaft einschränkt. Es hat etwas damit zu tun, dass auch eine Gesellschaft wie die Unsrige eine gewisse Zeit für eine Grundwertedebatte braucht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin wirklich der Auffassung, dass wir heute Morgen eine nachdenkenswerte und zielgerichtete Debatte geführt haben. Herr Hay, mit großen Respekt erkennen wir an, dass Sie noch Beratungsbedarf haben, sodass wir erst heute Nachmittag abstimmen. Herr Dr. Wadephul hat es sehr deutlich ausgeführt: Genauso nehme ich für uns in Anspruch, dass wir auch eine Denkpause brauchen, Herr Kubicki. Das heißt nicht, dass wir aufhören zu denken. Wir brauchen eine Pause, um weiter zu denken und uns zu positionieren. So war Moratorium definiert.
Herr Hay hat auf das Papier des Evangelischen Arbeitskreises hingewiesen: Die Fortschritte in der Gentechnologie sagen sehr deutlich, dass wir Fragen der grundlegenden Werteorientierung entscheiden müssen und dass hier Gesetzgeber und Politik gefragt sind. Insoweit wird es auch keine konsensuale Festlegung geben können. Wir entscheiden und wir müssen uns positionieren. Das ist die Aufgabe.
Herr Hentschel, ich denke aber genauso: Die internationale Forschung steht nicht still. Da sie nicht stillsteht, müssen wir auch die Antwort darauf finden, wo denn ihre Grenzen liegen sollen. Wir müssen entscheiden, was wir tun, wenn andere diese Grenzen überschreiten. Das ist für mich eine durchaus ungeklärte Frage. Wollen wir Medikamente, die bei Überschreitung dieser Grenzen entwickelt werden, in unserem Lande verhindern? Wollen wir Verbote für die Einführung solcher Medikamente überlegen? - Auch hier gibt es Bedarf darüber nachzudenken, in welcher Form Entscheidungen getroffen werden.
(Beifall des Abgeordneten Lothar Hay [SPD] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir laden vor allem keine Nobelpreisträger aus anderen Ländern mehr ein!)
- Herr Kubicki, genau dies ist nicht unsere Absicht. Wir wollen eine Basis finden, auf der wir auch ethisch vertreten können, dass man Forschung auch in Deutschland betreibt.
Grundlage ist für uns das christliche Menschenbild und dieses Menschenbild sieht Leben vor Gott - in welcher Form auch immer - als gleich und schützenswert an. Da ist der Grundgesetzartikel in gleicher Form zu berücksichtigen.
Wenn wir das so wollen, müssen wir auch entscheiden, wo die Grenzen sind. Das ist das Dilemma, in dem wir stecken.
Ich bitte, dass wir die ernsthafte Debatte, die heute Morgen durch die Frau Kultusministerin begonnen worden ist, in dieser Form, in dieser Ehrlichkeit und Offenheit fortsetzen. Wir sollten in dem Zusammenhang von gegenseitigen Vorwürfen absehen, weil es hier um ein bisschen mehr geht als um Forschungsergebnisse; es geht um das höchste Gut, es geht um die Würde des Menschen, es geht um unser Leben. Dafür ist es gut, wenn wir gemeinsam weiter nachdenken.
Es ist beantragt worden, die Abstimmung heute Nachmittag durchzuführen. Ich höre keinen Widerspruch. Damit schließe ich die Beratung dieses Tagesordnungspunktes an dieser Stelle; wir werden ihn heute Nachmittag wieder aufrufen.
Auf der Besuchertribüne begrüße ich jetzt Besuchergruppen des SSW-Ortsverbandes Munkbrarup, der Beruflichen Schulen Heide und des SSW-Ortsverbandes Tönning.