Ich will noch einmal ausdrücklich meinen Dank an die mitberatende Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der Kommunen, Leistungsträgern und anderen relevanten Gruppen, zum Ausdruck bringen. Diese Art von Zusammenarbeit stellt sicher, dass sich die dieses Gesetzes Ausführenden in ihrer Arbeit wiederfinden.
Ohne nun detailliert auf die einzelnen Paragraphen eingehen zu wollen, sind es einige doch wert, besonders hervorgehoben zu werden. Das sind zum Beispiel die §§ 4 und 5 des Entwurfs, mit denen die regionalen Kompetenzen besonders gestärkt werden. Die Informations- und Anhörungspflicht der Beteiligten wird ausdrücklich hervorgehoben. In § 5 wird festgeschrieben, dass die Kreise und kreisfreien Städte ihre aktive Gesundheitspolitik in eigener Verantwortung verpflichtend durchzuführen haben.
Was nun die Gesundheitsberichterstattung angeht, so haben wir zwar volles Vertrauen in die Regelungen des Datenschutzes. Dennoch sollte hierauf ein besonderes Augenmerk verwandt werden. Positiv beurteilen wir die Tatsache, dass mit der Erhebung von Daten auch die Auswirkungen der kommunalen Gesundheitspolitik evaluiert werden können. Ein heikler Punkt dieses Gesetzes - Sie haben es angesprochen - scheint der in § 7 des Entwurfs geregelte Bereich der Jugendzahnpflege und hier besonders der Gruppenprophylaxe zu sein. Auch uns haben entsprechende Briefe der kommunalen Landesverbände und der Zahnärztekammern sowie der Kostenträger erreicht. Sie, Frau Ministerin, sind in Ihrer Rede noch einmal ausdrücklich auf dieses Thema eingegangen. Für meine Fraktion und mich will ich noch einmal sehr deutlich machen, dass in diesem Punkt unbedingt eine Koordinierung der Beteiligten stattfinden muss.
Das SGB V mit seinem § 21 sehen wir ebenfalls als Grundlage eines Sicherstellungsauftrages. Ich sehe die Umsetzung dieses Paragraphen als Herausforderung an, das in diesem Gesundheitsdienst-Gesetz geforderte Gesundheitsmanagement mit Leben zu erfüllen. Ich bin sicher, die Kommunen werden sich ihrer Verpflichtung in dieser Sache bewusst sein und sich nicht zurückziehen, wie es oftmals angenommen wird. Das Land, der Gesetzgeber also, sollte sich besonders in die Pflicht nehmen, was § 14 Nr. 3 angeht, nämlich die Festlegung, dass es die Ausbildung in Gesundheitsberufen regeln kann. Dies könnte zum Beispiel in den Pflegeberufen weiterhin eine Rolle spielen, solange die bundesweiten Regelungen zur Altenpflegeausbildung nicht greifen können.
Zum Schluss will ich noch einmal deutlich sagen, wir erwarten eine konkrete und an den Menschen orientierte Umsetzung des Gesundheitsdienst-Gesetzes. Möglichkeiten für Kreativität und Innovation lässt dieses Gesetz zu, ja, es erwartet sie sogar.
Moderne Zeiten erfordern modernes Handeln, erfordern - ich wiederhole mich sehr gern - ein gutes Gesundheitsmanagement. Das novellierte Gesundheitsdienst-Gesetz des Landes Schleswig-Holstein ist eine gute Grundlage und Arbeitsbasis. Wir beantragen Überweisung an den Fachausschuss.
Wir fahren fort in der Beratung. Das Wort für die Fraktion der CDU hat der Herr Abgeordnete Werner Kalinka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es verwundert nicht, dass Landesregierung und SPD hier ihren Vorschlag mit wohlklingenden Worten untermauern.
Ich will auch gern hinzusetzen, dass dieser Gesetzentwurf zum Teil gute Ansätze beinhaltet und auch Dinge, über die wir uns nicht streiten werden. Es gibt aber auch Probleme, über die wir zu sprechen haben. Die will ich kurz skizzieren. Ein Stück mehr Freiheit für die Kommunen ist immer gut. Dies darf aber nicht zu einem Verzicht auf einen Mindeststandard führen. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie „hinzuwirken“, „streben an“ und andere bergen die Gefahr einer uneinheitlichen Aufgabenerfüllung. Es kann in diesem Lande natürlich nicht so sein, dass in einem Kreis A auch nur annähernd nicht das gemacht wird, was im Kreis B gemacht wird.
Die Ärztekammer äußert die Besorgnis deutlicher Verschlechterungen in diesem Bereich durch den Gesetzentwurf. Ich darf Ihnen kurz zitieren, was die Kassen des Landes am 30. April gesagt haben:
„Die im Gesetzentwurf enthaltene Tendenz, dem öffentlichen Gesundheitsdienst zukünftig im Wesentlichen lediglich allgemeine Zustandsbeschreibungs-, Koordinierungsund Vernetzungsaufgaben sowie Andienungsfunktionen zuzuordnen, ist unseres Erachtens nicht ausreichend. Der Aufgabenkatalog sollte um die Durchführung eigener konkreter Maßnahmen ergänzt werden...“
Wichtig ist auch, dass die Gesundheitsberichterstattung, der eine hohe Bedeutung zukommt, nur dann gut sein kann, wenn sie allgemein verbindliche und gültige Maßstäbe für Kreise und Städte beinhaltet, die dies erheben sollen. Sonst kann man nicht zu einer vernünftigen Analyse im Land selbst kommen.
Es ist notwendig, dass das Gesetz auch klarere Zielvorgaben beinhaltet über Aufgaben, hinsichtlich der Gesundheitsförderung und auch der Kinder- und Jugendgesundheit. Die Formulierung in § 7, Kreise und
kreisfreie Städte schützen und fördern die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen, ist mir zu wenig. Wir müssen genauer wissen, wie viel Untersuchungen in welchem Zeitraum in welchen Abständen und in welchen Schwerpunkten erfolgen sollen. Hier sind klarere Zielvorgaben auch im Schulbereich notwendig.
Ich möchte einen vierten Punkt hinzusetzen: die soziale Komponente. Sie haben in der Begründung zum Gesetzentwurf Dinge angesprochen, von denen ich mir gewünscht hätte, sie stünden eh im Gesetz. Sie sprechen nämlich zu Recht auch die an, die am Rande der Gesellschaft stehen: Suchtkranke, sich in sozialen Notlagen befindende Menschen, auch andere, die nicht am Rande stehen, beispielsweise chronisch Kranke. Sie sagen, die sozialstaatliche Funktion des öffentlichen Gesundheitsdienstes sei stärker zu akzentuieren. Dies halte ich für sehr diskussionsnotwendig, meine aber, dass dies dann auch mit Blick auf präventive Maßnahmen seinen Niederschlag konkreter im Gesetzentwurf finden muss.
Positiv ist der umweltbezogene Gesundheitsschutz zu bewerten. Wir sollten vielleicht auch mit Blick auf unsere Handy-Debatte von heute Vormittag überlegen, ob dies nicht ein Punkt ist, bei dem beides zusammenkommt und wir das formulieren sollten. Ich denke auch, dass die Fragen des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes in den Ausschussberatungen überlegt werden sollten, weil es hier Dinge gibt, die wir angesichts der Entwicklungen hinzusetzen sollten. Auch über das Thema Datenschutz werden wir uns noch austauschen müssen.
Zum Thema Jugendzahnpflege ist die Erwartung geäußert worden, es würde jetzt zu einem Agreement kommen, wie die Kosten zu tragen sind. Sie haben ja zumindest den Gesetzentwurf geändert und haben die vorrangige Leistungspflicht der Kassen herausgenommen, sodass dies, was Sie jetzt vorgenommen haben, schon ein Stück Gewichtung ist. Wir werden uns auch darüber im Ausschuss zu unterhalten haben.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist, wie ich in der Kürze der Zeit darzulegen versucht habe, präzisierungsbedürftig, er ist in Teilbereichen zu unscharf; er hat gute Absichten, aber in Teilen zu wenig Konkretes. Er definiert nicht klar genug, was künftig die Kernaufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes sind. Nicht ohne Grund hat deshalb die Ärztekammer eine Überprüfung vorgeschlagen, haben die Kassen Nachbesserungen gefordert, hat die Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände sogar angeregt, den Gesetzentwurf grundlegend neu zu konzipieren. Der Landesverband der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst übt deutliche Kritik.
- Herr Kollege Jahner, ich bin kein Scharfmacher, sondern ich referiere den Sachverstand in SchleswigHolstein. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
Dies alles spricht nicht dafür, dass wir derzeit schon einen gelungenen Entwurf haben. Wir sind der Auffassung, dass wir den Versuch machen sollten, in den Sozialausschussberatungen die Zeit zu nutzen, Verbesserungen im genannten Sinne hinzubekommen. Wir werden dazu gern Vorschläge unterbreiten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade festgestellt, für mich ist heute ein ganz außerordentlicher Tag, denn dass der Kollege Kalinka und ich uns einmal weitgehend einig sind, kommt so häufig nicht vor.
Der vorliegende Gesetzentwurf formuliert vier Ziele, die insbesondere auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte umgesetzt werden sollen. Wir unterstützen dabei die Intention des Gesetzes, präventiv die gruppen- und lebensraumbezogenen Leistungen zu berücksichtigen. Gleichzeitig ist der Gedanke, durch ein solches Gesetz die besonderen Verhältnisse vor Ort besser zu berücksichtigen, wünschenswert. Die kommunale Gesundheitspolitik erhält hierdurch einen wesentlich höheren Stellenwert und die Aufgaben können durch die Kommunen flexibel gesteuert werden. Das ist richtig so, das ist in Ordnung so.
Durch die Beratung und die Aufsicht durch das zuständige Ministerium soll - ich gehe davon aus, dass es auch so sein wird - die Erfüllung der Aufgaben gewährleistet werden. Die spannende Frage in diesem Zusammenhang lautet aber, Frau Ministerin Moser: Welche Aufgaben sollen das denn genau sein? Das vermisse ich in dem vorliegenden Entwurf - einen Aufgabenkatalog, der präzisiert, was genau die Kommunen eigentlich präventiv wahrnehmen sollen. Im vorliegenden Entwurf werden die Aufgaben der Gesundheitsförderung nur in völlig unverbindlichen Rechtsbegriffen festgeschrieben. Dabei hilft auch die
Formulierung der Zielsetzung in § 1 des Gesetzes nicht weiter, da hier lediglich Allgemeinplätze beschrieben werden, die hoffentlich in einem Land, das sich der Gesundheit verschrieben hat, ohnehin gewährleistet werden.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf bestimmen die Träger des öffentlichen Gesundheitsdienstes künftig selber, welche Ziele und Qualitätsmaßnahmen sie wahrnehmen wollen. Die Ziele sollen dabei im Rahmen einer künftig abzugebenden Gesundheitsberichterstattung abgeleitet werden. Es ist deshalb positiv aufzunehmen, da hierdurch eine kontinuierliche Weiterentwicklung stattfinden kann, ohne dass wir jedes Mal das Gesetz ändern müssen.
In der Konsequenz heißt das dann aber, dass die Gesundheitsvorsorge vom Willen der Kommunen abhängig gemacht wird. Deshalb frage ich Sie, Frau Moser: Wie soll und wie kann das Ministerium Einfluss nehmen, damit die Kommunen auch wirklich die erforderlichen Daten sammeln, und wer bezahlt diese Datenerhebung? Wann und wie oft sollen diese Erhebungen durchgeführt werden? Was, Frau Ministerin, geschieht, wenn kein Einvernehmen zwischen dem Ministerium und den Kommunen über die Kriterien der Datenerhebung hergestellt werden kann? Haben Sie mit den Kommunen auch darüber gesprochen, dass die Übertragung des öffentlichen Gesundheitsdienstes mit deutlich höheren Kosten für sie verbunden sein wird? Wenn, wie beschrieben, die Kommunen eine neutrale Sachverständigenfunktion für andere Stellen bieten sollen, dann müssen auch entsprechende Fachabteilungen geschaffen werden. Die kosten dann natürlich Geld.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, gestatten Sie mir abschließend folgenden Hinweis: Die Schaffung von Qualitätsstandards kann durch eine Datenerhebung verfeinert werden, doch ohne verbindliche und überprüfbare gesetzliche Standards besteht die Gefahr, dass es zwischen den Kommunen unterschiedliche Vorsorgemaßnahmen geben wird, die von der jeweiligen Haushaltssituation vor Ort abhängig gemacht werden können.
Angesichts der Finanzsituation unserer Sozialversicherungssysteme und hier insbesondere der Krankenkassen darf den Kommunen durch das GesundheitsdienstGesetz nicht die Hoffnung verkauft werden, dass ihre öffentlich-rechtlichen Aufgabenwahrnehmungen von Dritten bezahlt würden. Aus diesem Grund sind Standards im Gesetz zu verankern und darüber hinaus ist präzise festzuschreiben, welche Institution welche Aufgaben wahrnimmt und wer die Kosten dafür trägt. Ansonsten sehe ich die Gefahr, dass - wie uns allen in der derzeitigen Diskussion über das Rettungsdienstge
setz vorexerziert wird - Zuständigkeiten hin- und hergeschoben werden, für die sich keiner mehr tatsächlich verantwortlich fühlt. Damit es nicht zum Verlust von Chancengleichheit vor Ort kommt - wir wissen doch ganz genau, wer letztlich bei der Gesundheitsvorsorge auf der Strecke bleiben könnte -, sehe ich im Ausschuss noch größeren Änderungsbedarf. Aber ich bin sicher, dass wir das an dieser Stelle gemeinsam hinkriegen werden.
Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Was stellen sich heute Menschen unter einem Gesundheitsamt vor? - Die Ordnungsbehörde für Massenimpfungen, Seuchenabwehr und Psychiatrieeinweisung oder eine moderne Dienstleisterin für präventive Gesundheitsberatung, eine Organisatorin von kommunalen Gesundheitskonferenzen mit allen für die Gesundheit in einer Region Verantwortlichen? Letzteres wollen wir und deshalb begrüßen wir, dass uns nun ein neues Gesundheitsdienst-Gesetz vorgelegt wird, das die überwiegend ordnungsrechtliche Kontrollfunktion des Gesundheitsamtes in den Hintergrund stellt zugunsten der Aufgabe eines planenden, vernetzenden Dienstleistungszentrums. Weniger operative, mehr strategische Tätigkeit.