Protocol of the Session on May 30, 2001

Bereits in unseren ersten Stellungnahmen haben wir darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die außergerichtliche Streitschlichtung so zu gestalten, dass sie in der Bevölkerung akzeptiert wird. Ohne Akzeptanz in der Bevölkerung wird es keine nennenswerte Entlastung der Gerichte geben können. Akzeptiert wird eine außergerichtliche Streitschlichtung nur dann, wenn sie qualitativ hochwertig, inhaltlich überzeugend und professionell ausgestaltet ist und in der Sache erfolgreich arbeitet. Frau Ministerin, das fängt mit der Akzeptanz der Schiedsmänner und -frauen an.

Hier freue ich mich besonders, dass die Landesregierung von ihrer ursprünglichen Idee abgewichen ist, allein die Schiedsleute bisheriger Prägung mit der obligatorischen Streitschlichtung zu betrauen. Die Einbindung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und insbesondere die Einbindung der bestehenden Schlichtungs- und Gütestellen - beispielsweise bei den Architekten- und Ingenieurkammern, den Industrieund Handelskammern oder den Verbraucherzentralen bietet eine gute Gewähr dafür, dass die Streitschlichtungsverfahren professionell und qualitativ hochwertig und damit letztlich erfolgreich durchgeführt werden können. Ich sage aber ausdrücklich: Es ist zu überlegen, ob diese erfolgreiche Arbeit nicht zum Beispiel durch vergleichbare Einrichtungen für Mietsachen ergänzt werden könnte. Es leuchtet mir nicht ein, warum beispielsweise Mieterhöhungsverlangen und andere Dinge vor die Amtsgerichte gehören, wo man sich um Beträge von monatlich 6,20 DM streiten muss. Warum werden nicht auch dort entsprechende Schlichtungsstellen eingerichtet, die diese Fragen klären können?

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Gleiches könnten wir beispielsweise auch für Verkehrsstreitigkeiten - die Fragen von Verkehrsschadensverursachung und Verkehrsschadenshöhe - organisieren. Dies gilt auch für Fragen im Baubereich. Viele Bausachfragen werden vor Amtsgerichten oder auch Landgerichten verhandelt, die dort eigentlich nicht hingehören, weil der nötige Sachverstand eh von außen eingekauft werden muss. Da ist die entsprechende Frage, ob wir nicht anregen sollten, Schlichtungsstellen dieser Art zu schaffen. Für Medizinfragen - jedenfalls für Krankenhausleistungen - haben wir diese. Das wissen die wenigsten Leute.

Das soll keineswegs die bewährte Arbeit der bisherigen Schiedsleute diskreditieren. Das große Engagement und die profunde Menschenkenntnis - darauf kommt es auch an -, mit denen die ehrenamtlich tätigen Schiedsleute bereits heute zur Streitschlichtung beitragen, verdienen große Anerkennung und großen Respekt. Es ist daher gut, dass sie Anlaufstelle im vorgerichtlichen Streitschlichtungsverfahren bleiben. Gleichwohl hat offenbar auch die Landesregierung erkannt, dass sie mit der vollständigen Übernahme der außergerichtlichen Streitschlichtung fachlich und vor allem zeitlich überfordert wären.

Doch lassen Sie mich nach so viel ausgesprochenem Lob auf einige Kritikpunkte zurückkommen: Zum einen ist die von der Landesregierung vorgenommene Einschränkung der örtlichen Zuständigkeit zu nennen. Es erscheint nicht sachgerecht, die obligatorische Streitschlichtung auf die Fälle zu beschränken, in denen die Parteien in demselben Landgerichtsbezirk wohnen. Wir haben häufig den Fall, dass die Streitfragen Landgerichtsbezirksgrenzen überschreiten und Dörfer nebeneinander liegen. Die spannende Frage ist, warum wir diese Fälle von der Streitschlichtung ausschließen wollen. Warum ziehen wir nicht das gesamte Land Schleswig-Holstein in einen Bereich zusammen, in dem eine Streitschlichtung erfolgen kann? Warum begrenzen wir das auf die Landgerichtsbezirke?

Es sind beispielsweise auch Verkehrsunfallfälle denkbar, in denen die Haftpflichtversicherungsträger aus unterschiedlichen Bezirken kommen. Warum nehmen wir nicht das gesamte Land Schleswig-Holstein als Einzugsgebiet für die Fälle, die der obligatorischen Streitschlichtung zugeführt werden sollen?

Ob - wie angemerkt - Zeitaufwand und Reisekosten die Einschränkung rechtfertigen können, erscheint mir zumindest fraglich. Wir diskutieren, dass wir andere Rechtsuchende durch das gesamte Land fahren lassen, wenn sie beispielsweise zum Verwaltungsgericht nach

(Wolfgang Kubicki)

Schleswig müssen. Da haben wir auch keine entsprechende regionale Begrenzung.

Des Weiteren haben wir große Bedenken gegen die Regelung, dass eine außergerichtliche Streitschlichtung entbehrlich wird, wenn das Verfahren durch einen Mahnbescheid eingeleitet wird. Es besteht dadurch die Gefahr, dass sich die Parteien ins Mahnverfahren flüchten, um die obligatorische Streitschlichtung zu umgehen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Abgesehen davon, ist es auch gar nicht einzusehen, warum ein Streitschlichtungsversuch nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid weniger Aussicht auf Erfolg versprechen soll als vor einer Klageerhebung beim Amtsgericht.

Zur Kostenregelung will ich mich jetzt nicht mehr äußern. Wir müssen aufpassen, dass bei einer Differenzierung der Kostentragungslast und bei einer Differenzierung der Gebührenhöhe nicht der Eindruck entsteht, das, was teurer ist, sei eine bessere Streitschlichtung als das, was preiswerter ist. Darüber werden wir im Ausschuss diskutieren. Auch hier muss man aufpassen, dass man das Verfahren nicht durch die Gebührenregelung aushebelt. Herr Geißler, wir werden - genau wie Sie, jedoch intensiver - konstruktiv im Ausschuss mitberaten.

(Beifall bei FDP, SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich erteile Abgeordneter Frau Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Volksmund sagt: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Wer immer dieser Dritte sein mag, die Justizverwaltung und die Haushaltspolitikerinnen und -politiker können damit ganz sicher nicht gemeint sein. Die Tendenz, kleine zivilrechtliche Streitigkeiten vor Gericht auszutragen, nimmt zu. Mit kleinen Streitigkeiten meine ich solche mit geringem Streitwert und ohne grundsätzliche Bedeutung für die Weiterentwicklung der Rechtsprechung. Sie verstopfen die Gerichte und verursachen Wartezeiten, sodass sich manche Leute während dieser Zeit womöglich verschulden müssen.

(Holger Astrup [SPD]: Rechtschutzversiche- rungen abschaffen!)

Es gibt sie überall, die Prozesshanseln und Streithähne. Dass hier oft eher der gesunde Menschenverstand

als der Richter gefragt ist, hat bestimmt jede und jeder schon einmal erlebt. Ich verweise auf die Zeitschrift „Der Spiegel“ von dieser Woche, in dem das seltsame Beispiel eines jungen Jurastudenten genannt wird -

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit!

Dort wird das Beispiel eines jungen Jurastudenten gezeigt, der erkannt hat, dass seine Mitbürgerinnen und Mitbürger offensichtlich voller Rachegelüste sind. Daher bietet er an, diesen Gelüsten im Internet unter dem Stichwort „Rache ist süß.de“ nachzukommen. Dort darf jeder - natürlich anonymisiert und juristisch einwandfrei - seine Rachegelüste ausleben. Das ist wohl die Spitze des Eisbergs.

Die Einschaltung eines lebenserfahrenen und verständigen Menschen, der auf eine einvernehmliche Lösung hinwirkt, macht also oft Sinn. Oft geht es eher darum, das Mütchen zu kühlen, denn eine Rechtsfrage zu klären.

Andererseits gibt es aber auch die Fälle von grundsätzlicher Bedeutung, die im allgemeinen Interesse nur durch eine Entscheidung, nicht aber durch einvernehmliche Kompromisse gelöst werden können.

Diese Fälle dürfen durch ein obligatorisches vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren nicht verzögert werden. Wir stimmen der außergerichtlichen obligatorischen Streitschlichtung in dieser Form daher zu, wenn gewährleistet ist, dass genügend ausreichend qualifizierte Schiedsleute und Rechtsanwälte zur Verfügung stehen.

Im Hinblick auf die Bedenken der Kommunen ist es wichtig, dass sie durch eine Neugestaltung der Gebührenregelungen für den Mehraufwand entschädigt werden und insbesondere auch eine gute Fortbildung der kommunalen Schiedsleute gewährleistet werden kann.

Über die Details werden wir uns in den Ausschussberatungen unterhalten. Allerdings kann ich die Auffassung der kommunalen Landesverbände nicht teilen, dass das Land der Träger der kommunalen Schiedsleute sein soll. Eine ortsnahe Aufgabenerledigung mit entsprechenden Gebührenregelungen, die sicherstellen, dass unter dem Strich keine zusätzlichen Lasten auf die Kommunen zukommen, ist aus unserer Sicht der einzige Weg.

Eine Finanzierung der sächlichen Kosten für die Schiedsleute durch das Land im Sinne der Kommunen

(Irene Fröhlich)

würde selbstverständlich auch bedeuten, dass das Land die Gebühren einzieht, die der öffentlichen Hand zufließen. Das wiederum wäre ein Rückschritt für die Kommunalisierung von Landesaufgaben und müsste im Zuge von Funktionalreformen gegebenenfalls wieder mühselig eingesammelt werden. Ich setze darauf, dass wir uns in den Ausschussberatungen auch mit den Kommunen einig werden. Vielen Dank für Ihre nicht ganz ungeteilte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

Ich erteile Frau Abgeordneter Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich war überrascht über die spannende Debatte. Jeder von uns hat sich gute Gedanken über den Inhalt des Landesschlichtungsgesetzes und seiner Ausgestaltung gemacht. Ich freue mich deshalb - das möchte ich ganz ehrlich sagen - auf die Beratungen im Ausschuss.

Es sind in der Diskussion einige Gesichtspunkte genannt worden, die ich so nicht gleich gesehen habe, und ich kann verstehen, dass wir darüber noch einmal reden müssen.

(Holger Astrup [SPD]: Richtig!)

Durch den vorliegenden Gesetzentwurf soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei geringen Streitwerten, Nachbarschaftsstreitigkeiten und ähnlichem über Gütestellen eine Lösung für die Parteien zu erreichen. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon gesagt, dass die Gerichte damit belastet sind.

Diese Streitigkeiten sind jedoch kein schleswigholsteinisch typisches Phänomen, das von einer besonderen Streitkultur hier bei uns zeugte. Vielmehr handelt es sich dabei um ein allgemeines Phänomen; deshalb wurde bereits in einigen anderen Bundesländern von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht.

Erfahrungswerte darüber, wie das wirklich laufen wird, liegen mir - soweit mir bekannt ist - noch nicht vor.

(Holger Astrup [SPD]: Wie ist es in Däne- mark? - Heiterkeit)

Für uns stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll. Die Eingangsfrage muss zunächst lauten: Warum benötigen wir dieses Gesetz? Nach den Erwartungen der Landesregierung werden zirka 9.000 Fälle pro Jahr erwartet, bei denen diese obligatorische Streitschlich

tung den gerichtlichen Verfahren vorgeschaltet ist. Die Frage ist aber, wie viele dieser Verfahren letztlich nicht vor Gericht kommen. Denn es liegt nur dann eine Entlastung vor, wenn gewährleistet wird, dass die Schiedsstellen erfolgreich arbeiten.

(Holger Astrup [SPD]: Sehr richtig!)

Zurzeit ist aber nicht abzusehen, ob dieses Ziel durch dieses Verfahren in der vorgelegten Form erreicht wird. Sinn und Zweck bleibt, die Eingangsgerichte zu entlasten beziehungsweise - das halte ich für noch viel wichtiger - den Streit zur Zufriedenheit der Beteiligten zu erledigen. Hier wäre nach meiner Ansicht auch einmal zu gucken, wie es bisher in den anderen Bundesländern läuft.

Weiterhin besteht bei diesen Verfahren die Gefahr das hat einer meiner Vorredner auch schon angesprochen -, dass die Parteien des Rechtsstreits ein bisschen „vergleichsresistent“ werden. Denn nach einem gescheiterten Einigungsversuch ist es schwer, jemanden vor dem Richter erneut zu einer Einigung zu bewegen. Auch hier wären Erfahrungswerte hilfreich.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Frage, wer die Vorhaltekosten für die Gütestellen trägt. Wie bereits im Schreiben der kommunalen Landesverbände zum Ausdruck gebracht, müsste geprüft werden, warum die Kommunen diese Kosten übernehmen sollen.

Inhaltlich sind noch folgende weitere Punkte zu diskutieren -: Die Möglichkeit des Schiedsverfahrens besteht nur in demselben Landgerichtsbezirk. SchleswigHolstein ist ein Flächenland. Mit der Begrenzung auf den Landgerichtsbezirk ist zumindest schon eine Einschränkung vorgenommen worden, aber trotzdem haben wir weiterhin ganz erhebliche Reisewege. Ich möchte nur auf den Landgerichtsbezirk Flensburg verweisen, der von Sylt bis nach Kappeln geht. Zwischen diesen beiden Orten gibt es keine öffentlichen Verkehrsmittel, ohne dass man mehrmals umsteigen müsste.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das lässt sich jetzt vielleicht durch das Bähnlein beheben!)

Darüber hinaus ist es auch fraglich, ob nicht die Rechtsanwälte ihren Mandanten möglicherweise eher zum Mahnverfahren raten, sodass diese Streitschlichtungsfunktion bei geringeren Streitwerten umgangen wird.

In der Eingangsbegründung des Gesetzentwurfs ist schon dargestellt worden, dass man deshalb von einer Erhöhung bei Mahnverfahren ausgehen will.

(Thorsten Geißler [CDU]: Ja, natürlich!)