Protocol of the Session on May 30, 2001

Für uns Grüne ist dieses eines der vornehmsten Themen in unserer demokratischen Gesellschaft überhaupt; denn unser Grundgesetz verpflichtet uns auf den Gedanken der gleichen Rechte für alle in Deutschland lebenden Menschen. Da müssen wir uns in Schleswig-Holstein denn auch zum Glück nicht verstecken. Unsere Innenminister waren regelmäßig diejenigen, die auch bundesweit keine Debatte scheuten und oft einsame Rufer in der Wüste waren,

(Martin Kayenburg [CDU]: Wer hat denn die Asylkompromiss gemacht? Das war der Kol- lege Haller, nicht Sie!)

wenn es um Rechte von Zuwanderern und Flüchtlingen ging, Herr Kayenburg!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ein Blick in unseren Koalitionsvertrag dieser Legislaturperiode hätte Ihnen gezeigt, dass ein großer Teil der von Ihnen geforderten Konzepte darin bereits festgelegt worden ist. Sie hätten also nicht erst bei Ihrem saarländischen Parteifreund, dem „schwarzen Peter“, abzuschreiben brauchen, sondern Sie hätten den rotgrünen Koalitionsvertrag heranziehen können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich zitiere, damit Sie es gegenwärtig haben, aus dem Abschnitt „Politik für Migrantinnen und Migranten“. Dort heißt es auf Seite 32:

„Die Vorschläge des runden Tisches beim Innenministerium“

- dieser besteht seit 1997

„für Integrationsmaßnahmen für alle Gruppen von Migranten, insbesondere die Förderung von Sprachkursen, werden aufgenommen.“

Aber auch eine Nachfrage im Innenministerium wäre möglich gewesen und hätte für Sie wahrscheinlich Erstaunliches zum Vorschein gebracht. Dort wird tatsächlich - wie wir es uns gewünscht haben - in einer Reihe von Arbeitsgruppen interministeriell an der Ausarbeitung eines Konzeptes gearbeitet. Ich wünsche mir, dass dieses ein auf unser Land und seine Möglichkeiten abgestimmtes, praxisorientiertes Konzept wird. Die sachkundigen Verbände und Vereine sollen zusammen mit den Ministerien den Bedarf ermitteln und entsprechende Vorschläge zu seiner Erfüllung machen. Ich wünsche mir, dass alle Ministerien hierzu ihren Beitrag leisten; denn Integration ist auch ein Querschnittsthema. Ich wünsche mir, dass auch Migrantinnen und Migranten zur Mitarbeit aufgefordert werden und dass die speziellen Belange von Frauen Gehör finden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Ihrem Antrag kann ich in vielen Punkten zustimmen. Ich denke, wir werden daran im Ausschuss konstruktiv zusammenarbeiten. Besonders eine verstärkte Einstellung von Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst und bei der Polizei ist eine von uns wiederholt gestellte Forderung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gleichberechtigung der Religionen wollen wir gern mit Ihnen zusammen auch in den Schulen des Landes auf den Weg bringen.

Auch die Sprachkompetenz von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern wollen wir fördern, wobei sowohl die Muttersprache, soweit es immer möglich ist, als Fremdsprachenkompetenz anerkannt werden sollte, als auch Lehrerinnen und Lehrer Kompetenz erwerben sollten, um ausländischen Schülerinnen und Schülern ihre erste Fremdsprache, nämlich Deutsch, auf möglichst effektive Weise beizubringen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Flensburger Uni hat hierfür vielleicht einen Schlüssel in der Hand, den man nutzen könnte. Nach den endlosen Debatten um die Lehrerversorgung an den Gesamtschulen freuen wir uns über Ihre Einsicht an dieser Stelle, dass Schulen mit besonderen Aufgaben im Bereich der Integration besondere Lehrerstunden benötigen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Übrigens beteiligt sich der Bund über den Sprachenverband Mainz bereits an den Kosten des Spracherwerbs für Migrantinnen und Migranten. Das wäre also eine Forderung, über die man sicherlich hinsichtlich der Höhe diskutieren kann, die aber im Grunde bereits erfüllt ist. Wünschenswert wäre, wenn wir dort fördern könnten, wo der Bund das nicht tut. Das heißt für mich vor allem, die Förderung nicht vom Status abhängig zu machen, sondern vom Bedarf.

Wir müssen allerdings auch Widerspruch zu Ihrem Antrag anmelden. Niemals möchte ich den Spracherwerb zum Druckmittel oder zu einer Zwangsveranstaltung machen. Das ist für das Lernen nicht gut und für die Integration auch nicht.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit dem Projekt „soziale Stadt“ sind wir Ihren Forderungen nach Integrationsbildung und Vermeidung von Gettobildung in den Städten schon ein Stück voraus,

(Klaus Schlie [CDU]: Gibt es keine Probleme mehr, oder was?)

(Irene Fröhlich)

wenn auch das bereits vorhandene Gute sicherlich noch verbessert werden kann.

Punkt 6 weckt bei mir misstrauische Gefühle. Dort fordern Sie nämlich, dass illegal einreisende Ausländer oder rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber so schnell wie möglich abgeschoben werden sollen,

(Klaus Schlie [CDU]: Das ist geltendes Recht, Frau Abgeordnete!)

und das auch noch im Interesse der Ausländer, die sich integrieren wollen.

(Klaus Schlie [CDU]: Natürlich, fragen Sie die doch einmal!)

Hierzu sollten wir im Ausschuss den Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und den Flüchtlingsbeauftragten hören.

(Klaus Schlie [CDU]: Fragen Sie doch ein- fach einmal die Ausländer!)

- Hören Sie doch einfach einmal zu und quatschen Sie nicht dauernd dazwischen, Herr Schlie!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Klaus Schlie [CDU]: Was soll man bei Ihnen anderes machen?)

- Ich versuche ja gerade auf das einzugehen, was Sie wollen! - Es ist wichtig, dass wir bei unseren Integrationsbemühungen zur Kenntnis nehmen, wie die Wirklichkeit der bei uns lebenden Ausländerinnen und Ausländer tatsächlich aussieht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

In vielen Fällen gibt es nämlich auch für rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber Abschiebehindernisse, sodass sie einen - wenn auch schwachen - Aufenthaltsstatus erhalten, der verhindert, dass sie abgeschoben werden. Dieser Aufenthaltsstatus erlaubt aber leider nicht, dass diese Menschen eine Arbeit aufnehmen, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können und um ihre Integration zu befördern. Das fällt übrigens nicht vom Himmel, sondern das sind Gesetze, die nicht wir gemacht haben.

Aber die CDU ist offenbar wirklich entschlossen, Einwanderung und Integration zu akzeptieren. Daher wird an dieser Stelle sicherlich eine Einigung möglich sein.

Was den Punkt 7 angeht, so freue ich mich schon auf die interkulturellen Wochen in diesem Jahr. Da werden wir die Kolleginnen und Kollegen bei den unterschiedlichsten Aktivitäten treffen können.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wie in der Ver- gangenheit!)

- Um so besser!

Leider fehlen noch einige Punkte, die ich kurz skizzieren will. Wir setzen uns für die Aufhebung der Residenzpflicht ein, unter anderem aus einem ganz praktischen Grund: Frauen, die Opfer von Menschenhändlern geworden sind, brauchen dringend Bewegungsfreiheit, mindestens in unserem Bundesland, um sich vor ihren Tätern in Sicherheit bringen zu können. Der Großen Anfrage der CDU zu diesem Thema entnehme ich, Frau Sassen, dass Sie sich bereits damit beschäftigt haben, sodass ich auf eine kraftvolle Unterstützung meiner Bundestagsfraktion hoffe.

Aus unserer Sicht heißt Integration auch, die Teilhabe an politischen Willensbildungsprozessen zu ermöglichen. Die Erleichterung der Einbürgerung ist auch hinsichtlich der politischen Integration von Einwanderern ein entscheidender Schritt. Neben EUBürgerinnen und -Bürgern, die bislang auf kommunaler Ebene Wahlrecht besitzen, sollen auch Drittstaatsangehörigen mit dauerhaftem Aufenthalt politische Beteiligungsrechte gewährt werden. Dazu gehören selbstverständlich das Demonstrationsrecht und das Recht, sich politisch zu betätigen.

Gerne nehme ich die Anregung der FDP auf, dass wir unser altes Thema „Kommunalwahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer“ wieder aufgreifen und die dazu notwendige Grundgesetzänderung, was das Staatsbürgerschaftsrecht angeht, gemeinsam in Berlin anmahnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

In diesem Zusammenhang bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Sorgen Sie bei Ihren Parteifreundinnen und -freunden in den anderen Bundesländern ebenso für neuen Wind. Herr Wadephul, da ist noch ein Betätigungsfeld für Sie. Jedenfalls war das Abstimmungsverhalten der unionsgeführten Bundesländer bei der erleichterten Einbürgerung für Kinder Mitte Mai im Bundesrat erbärmlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso wichtig ist die Einbindung der Gemeinden beim Thema Integration; insofern stimmen wir überein. Diesbezüglich gibt es an manchen Orten vorbildliche Aktivitäten, zum Beispiel das Lübecker Projekt

(Irene Fröhlich)

der Migrationsozialberatung. Solche Projekte sollten gesammelt und gemeinsam vorgestellt werden, um Gemeinden zu ermutigen, ihrerseits aktiv zu werden.

Wir werden sicherlich Gelegenheit haben, dieses Thema im Ausschuss weiterzuberaten und für unser Land die Wege zu bahnen, die zu seiner Zukunftsfähigkeit zwingend erforderlich sind. Ich freue mich darauf.