Protocol of the Session on May 30, 2001

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Maurus?

Bitte, Herr Maurus.

Herr Kollege, teilen Sie meine Auffassung, dass das Thema bei Ihrer Fraktion auf kein großes Interesse stößt?

- Das Gegenteil ist der Fall, Herr Kollege! Ich führe mit meinen Kollegen eine sehr angeregte Diskussion über diese Thematik. Das kann ich Ihnen bestätigen.

(Lachen bei der CDU)

Ich darf noch einmal die Ausführungen von Herrn Dietmar Meineke im Rahmen unserer Anhörung vom 23. Mai erwähnen, der uns aufgefordert hat, alle kritischen Fragen zur Gentechnologie anzunehmen und ernst zu nehmen und alle Ergebnisse von Überprüfungen und alle diesbezüglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse unseren Bürgerinnen und Bürgern auch mitzuteilen. Ich denke, das sollte unser höchstes Ziel sein. Ich danke dem Herrn Minister für seinen Bericht, den wir in den Ausschüssen weiter diskutieren wollen.

(Beifall bei der SPD - Peter Jensen-Nissen [CDU]: Das hatten wir schon mal!)

Frau Abgeordnete Dr. Happach-Kasan hat das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Maurus, Sie haben in der Tat Recht. Wer sich in diesem Hause im Plenarsaal umsieht, der stellt fest, dass das Thema „gentechnisch veränderter Mais“ kein Thema mehr für die Öffentlichkeit und auch nicht für die Abgeordneten der SPD-Fraktion ist. Herr Kollege Höppner, es ist kein Thema mehr und damit hat stattgefunden, was Sie befürchtet haben, nämlich dass wir bereits eine schleichende Verbreitung von transgenen Pflanzen auf unseren Feldern haben. Wir haben jetzt die Maßnahmen zu treffen, die in dieser Situation erforderlich sind. Wir sollten nicht so tun, als ob transgene Pflanzen noch aus Schleswig-Holstein

(Dr. Christel Happach-Kasan)

ferngehalten werden könnten. Das ist eine Diskussion, die längst beendet ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Frau Kollegin Scheicht, Sie haben ausdrücklich ausgeführt, dass Sie es beunruhigend finden, dass es transgene Maissorten gibt und diese in so großer Zahl auch ausgebracht werden. Ich habe nicht verstanden, warum Sie deshalb beunruhigt sind. Das ist mir nicht klar geworden. Wir haben in der Enquetekommission Gentechnik in der vergangenen Legislaturperiode sehr ausführlich darüber diskutiert und Professor Dr. van den Daele aus Berlin hatte dargestellt, dass nicht die Frage der Züchtungsart entscheidend ist für die ökologische Wirkung einer Sorte, sondern die Frage der Eigenschaften der Sorte. Von daher ist die Tatsache, dass es transgene Maissorten gibt, eben nicht an sich beunruhigend. Die Fragen nach den Eigenschaften einer Sorte können sehr wohl beunruhigend sein, unabhängig von der Methode, mit der sie gezüchtet wurden.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Scheicht?

Ganz so habe ich es auch nicht gemeint. Ich dachte nur: Wenn von 500 Sorten schon 100 Sorten gentechnisch verändert sind, dann ist das für mich nicht beunruhigend. Beunruhigend ist das Resultat, dass irgendwelche Vermengungen auch im konventionellen Rapssaatgut enthalten sein können.

Es geht um 100 Maissorten und die können sich nicht mit Rapssorten kreuzen. Kollege Höppner hat während der Anhörung im Wirtschaftsausschuss gut zugehört. Mais hat bei uns keine Kreuzungspartner. Frau Kollegin Scheicht, daher kann ich Ihre Ausführungen nicht verstehen, besonders auch deshalb nicht, weil Frau Schmitz-Hübsch deutlich gemacht hat, dass Sie sich gegen das Moratorium des Bundeskanzlers wendet. Ich weiß nicht mehr, wofür die CDU in diesen Fragen steht.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben festgestellt: Hier ist das Thema transgene Maissorten nicht relevant. Die Beteiligung an dieser Diskussion zeigt dies. Deshalb stellt sich die Frage, warum die Fraktionen von Rot-Grün dieses Thema

heute aufgerufen haben. Sie wollen dies offensichtlich zu einem Thema machen. Tatsächlich besteht kein Bedarf für einen Bericht. Die Zeitungen haben korrekt darüber berichtet. Lesen Sie den Bericht im „Bauernblatt“ nach. Dort wurde ausführlich und mit Angabe aller Konstrukte darüber geschrieben. Wir haben keinen Bedarf für einen Bericht. Warum also nehmen Sie das zum Thema? Ich kann mir nur vorstellen, dass Sie es sich eben doch angelegen sein wollen, gegen transgene, grüne Gentechnik zu polemisieren. Genau in diese Richtung geht auch die Pressemitteilung des grünen Umweltministers. Wer BSE - eine Krankheit, an der in Großbritannien 180.000 Rinder gestorben sind - in einen Zusammenhang mit der Verunreinigung von Maissaat mit einer transgenen Sorte bringt, will politisch Stimmung machen und nichts anderes. Genau dagegen wenden wir uns.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sie wollen Stimmung machen, obwohl Sie selbst in Ihrer Presseerklärung festgestellt haben, dass es nicht um Gefahrenschutz geht. Es geht vielmehr darum, die Verbraucher vor nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen zu schützen. Es geht nicht um Gefahren, die daraus hervorgehen. Das heißt, dass es Ihnen ums Prinzip geht. Es geht um grünen Fundamentalismus gegen grüne Gentechnik.

(Beifall bei FDP und CDU)

Interessant ist in diesem Zusammenhang: Wie wollen wir in einer Welt, in der es inzwischen eine Menge transgener Sorten gibt, weiterhin mit diesem Phänomen umgehen? Die Herstellung von Saatgut und pflanzlichen Agrarrohstoffen geschieht in der Natur. Damit unterliegt sie natürlichen Einflussfaktoren und es lässt sich nicht verhindern, dass Pflanzen einer Sorte - wenn auch nur in geringem Umfang - auch mit Pollen von Fremdsorten bestäubt werden, deren Erbgut dann im Saatgut der vermehrten Sorte wieder zu finden ist. Solche Sortenverunreinigungen können nicht vollständig ausgeschlossen werden und sie sind völlig unabhängig davon, mit welchen Zuchtmethoden Pflanzen gezüchtet worden sind.

Um diesem Phänomen zu begegnen, gibt es verschiedene Bestimmungen im Saatgutrecht wie beispielsweise die Forderung nach Abständen zu Nachbarfeldern. Es geht darum, in jedem Falle eine möglichst hohe Sortenreinheit zu erzielen. Es ist aber nicht möglich, eine Sortenreinheit von 100 % zu erzielen. Die Nulltoleranz, wie Sie sie fordern, ist nicht durchsetzbar.

Wir haben in Deutschland seit Jahren Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Organis

(Dr. Christel Happach-Kasan)

men. Ohne Frage sind bei diesen Versuchen Pollen und Samen in die Umwelt gelangt und Raps und Rüben haben sich ausgekreuzt. Das Robert-Koch-Institut, die Biologische Bundesanstalt, das Bundesumweltamt und die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit haben alle Freisetzungsanträge auf Grundlage des Gentechnikgesetzes vor der Genehmigung gründlich geprüft und für unbedenklich erklärt. Ein Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt besteht nach dem Stand der Wissenschaft und den Aussagen dieser Institutionen nicht.

100 % reines Saatgut ist nicht realisierbar. Deshalb müssen wir dazu übergehen, auch im Bereich der gentechnisch veränderten Organismen Schwellenwerte festzulegen. Es bietet sich an - entsprechend der Novel-Food-Verordnung -, einen Schwellenwert von 1 % festzulegen und eine ähnliche Regelung im Bereich der unbeabsichtigten Verunreinigung von Saatgut mit Samen von transgenen Pflanzen festzustellen. In biologischen Systemen und unter natürlichen Produktionsbedingungen sind Nulltoleranzen nicht durchführbar. Sie sind im Übrigen auch nicht sinnvoll.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU] und Pe- ter Lehnert [CDU])

Frau Abgeordnete Fröhlich hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es macht doch Sinn, dass wir das hier diskutieren, auch wenn sich die Reihen etwas gelichtet haben, denn es liegt sicherlich auch in unserer Verantwortung, mit diesem Thema offen und einigermaßen sachlich umzugehen.

Vertrauen ist ein empfindliches Pflänzchen. Das Vertrauen der Menschen in unsere Landwirtschaft ist in den letzten Monaten durch verschiedene Einbrüche und Nachrichten grundlegend erschüttert worden. Dieser Vertrauensverlust beruhte auf Versäumnissen und Unterlassungen der 90er-Jahre, nicht etwa auf dem schnellen und konsequenten Handeln der heute Verantwortlichen. Wer das Vertrauen der Bevölkerung in die Landwirtschaft wieder herstellen will, der muss seine Kontrollmöglichkeiten nutzen, auf Basis der erhobenen Daten richtig entscheiden und diese Entscheidungen konsequent umsetzen. So etwas nenne ich nicht Panikmache, sondern Vernunft, Frau HappachKasan.

(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Ich ha- be nicht von Panikmache gesprochen!)

- Das haben Sie in Ihrer Pressemitteilung gemacht. Kontrollen von Saatgut auf Vermischung mit gentechnisch veränderten Pflanzen sind zwingend notwendig, wie die Funde von gentechnisch verändertem Mais gezeigt haben.

Diese Kontrollmöglichkeiten des Umweltministeriums müssen genutzt und intensiviert werden. Nur so kann in der Bevölkerung das Vertrauen gestärkt werden, dass nicht unbemerkt durch das Hintertürchen gentechnisch veränderte Produkte ohne Zulassung auf die Äcker und in die Nahrungskette gelangen. Besser wäre es sicherlich, wenn die Saatguthersteller in Zukunft durch lückenlose eigene Kontrollen vermeiden helfen würden, dass Saatgut mit unzulässigen Beimischungen an die Landwirte ausgeliefert wird. Das könnte dem mancherorts aufkeimenden Verdacht entgegenwirken, dass fahrlässig die Freisetzung nicht zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen in Kauf genommen wird, um die Zulassungsverfahren zu unterlaufen und die Bevölkerung allmählich daran zu gewöhnen.

Die Entscheidung des Umweltministers, das Saatgut zurückzurufen und die schon ausgesäten Pflanzen unterpflügen zu lassen, war richtig und konsequent.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Der entstandene Schaden muss selbstverständlich von den Saatgutunternehmen und nicht etwa von den Landwirten oder den Steuerzahlern getragen werden. Wir setzen uns seit langem für entsprechende Haftungs- und Schadenersatzregelungen ein. Der vorliegende Fall zeigt jetzt, wie nötig das ist.

Den ausgesäten Mais dagegen bis zur Reife auswachsen zu lassen, statt ihn unterzupflügen, hätte bedeutet, dass selbst bei einem Anteil des BT-Maises am gesamten Saatgut von unter 0,1 % über 30.000 gentechnisch veränderte Maispflanzen ihre Pollen mit dem Wind auf andere Äcker verbreitet hätten. Das wäre grob fahrlässig gewesen; denn es gibt gute Gründe, warum die betreffenden Genpflanzen in Deutschland gar nicht oder nur eingeschränkt zugelassen waren.

Lassen Sie mich Ihnen dazu einige Informationen liefern, Frau Happach-Kasan. Besagter BT-Mais enthält ein bakterielles Gift, das gegen den Maiszünsler wirken soll. Aktuelle Untersuchungen aus den USA zeigen, dass dieses Gift im Boden überdauert. Darüber hinaus gefährdet der BT-Mais auch Nützlinge und Schmetterlinge. Das ist noch nicht alles: Die Antibiotikaresistenzgene in besagtem BT-Mais sind ein Risiko für die Wirksamkeit von Antibiotika.

Doch nicht allein Umwelt- und Gesundheitsbedenken, sondern auch wirtschaftliche Gründe sprechen deutlich gegen BT-Mais. Das US-Landwirtschaftsministerium

(Irene Fröhlich)

fand in einer Studie heraus: Genpflanzen führen weder zu deutlich geringerem Pestizideinsatz noch bringen sie automatisch höhere Gewinne. Ich halte es deshalb für vernünftig, Steuergelder lieber in eine fundierte Technikfolgenabschätzung statt in eine Imagekampagne für Genpflanzen zu investieren, auch um unseren Firmen millionenschwere Fehlinvestitionen zu ersparen.

Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen: Beim Einsatz von gentechnischen Produkten in der Landwirtschaft müssen die Erfordernisse des Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutzes im Vordergrund stehen. Genau das hat unser Umweltminister mit seinem konsequenten Vorgehen beherzigt.

Ich will zu dem Stichwort „beunruhigen“ etwas sagen. Mich beunruhigt schon, dass wir anscheinend möglicherweise schon kein nicht verunreinigtes Saatgut mehr bekommen. Das beunruhigt mich schon. Wie oft hat uns die Wissenschaft erzählt, dieses oder jenes sei unbedenklich, und wie oft hat sich herausgestellt, dass das nicht der Fall war.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Es ist für mich also gar keine Beruhigung, dass die Wissenschaft sagt, dies alles sei unbedenklich. Und es ist für mich erst recht keine Beruhigung, dass man sagt, anders bekomme man es schon gar nicht mehr hin, und dass man nur noch über die Erhöhung der Grenzwerte redet, Frau Happach-Kasan. Das ist überhaupt nicht meine Vorstellung von vorsorgendem Gesundheitsschutz, von vorsorgendem Technikfolgenschutz. Da kann ich überhaupt nicht mitgehen. Diesbezüglich haben wir unterschiedliche Einschätzungen. Es ist auch gut, dass das so ist und dass auf diese Weise deutlich wird, auf welcher Seite des Hauses die Vorsicht waltet, auf welcher Seite man sich für Technikfolgeneinschätzung einsetzt und auf welcher Seite man zukunftsfähig denkt.

(Beifall der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])