Protocol of the Session on May 9, 2001

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist umso unverständlicher, als dass sich der ehemalige Justizminister Schleswig-Holsteins und spätere Oppositionsführer der CDU, Herr Heiko Hoffmann, heute hier im Hause befindet, der schon begrüßt wor

den ist und dem ich an dieser Stelle für seine Unterstützung ausdrücklich danken möchte.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie vereinzelt bei der CDU)

Seit ihrer Gründung im Jahre 1988 hat sich die Ostsee-Akademie durch ihre Arbeit parteiübergreifend einen guten Ruf und eine hohe Anerkennung europaweit, vor allem bei den Nachbarn rund um die Ostsee erworben. Der Leitgedanke sind Versöhnung und Verständigung.

Durch die erfolgten Eingriffe der zurzeit Verantwortlichen in der Pommerschen Landsmannschaft in die Leitung und programmatische Arbeit sind nicht nur die Eigenständigkeit und der gute Ruf der Akademie gefährdet, sondern ist dem Ansehen bereits in hohem Maße geschadet worden.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Gerade in meiner Heimatstadt Lübeck wird diese Entwicklung mit großer Sorge verfolgt. Ich gehörte 1988 zu denen in der Lübecker SPD, die mit großer Skepsis dem Bau des Pommernzentrums und der Gründung der Ostsee-Akademie in Travemünde gegenüberstanden. Es war der damalige Ministerpräsident Björn Engholm, der in der SPD Überzeugungsarbeit leistete, in der Hoffnung, dass die Pommersche Landsmannschaft mit der Gründung der Akademie den Weg der Verständigung einschlägt. Dass diese Hoffnung über ein Jahrzehnt Wirklichkeit gewesen ist, ist besonders dem langjährigen Sprecher der Pommernschen Landsmannschaft, Dr. von Bismarck, zu verdanken. Vor gut einem Jahr, am 8. April 2000, würdigte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, seine Verdienste um Aussöhnung und Verständigung aus Anlass der Festveranstaltung „Deutschland und Polen. Tausend Jahre der Begegnung“ in der Ostsee-Akademie in Travemünde und sie würdigte auch die Arbeit des langjährigen Leiters, Dr. Dietmar Albrecht, dem die Akademie ihren guten Ruf zu verdanken hat.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie vereinzelt bei der CDU)

Albrecht leitete die Akademie seit 1991 und hat sie im Laufe der Jahre zu einer Begegnungsstätte von internationalem Rang profiliert.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr wahr!)

Vor allem im schwierigen Verhältnis zu Polen gelang ihm die versöhnungs- und verständigungsorientierte

(Renate Gröpel)

Arbeit, auf die sich die Akademie in ihren Statuten verpflichtet hat.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in der gerade erschienenen Publikation der Akademie „Mare Balticum 2000“ fehlt diese Schlusspassage mit der Würdigung Dietmar Albrechts in der sonst vollständig abgedruckten Ansprache.

(Zurufe von der SPD: Unerhört!)

Dies ist ein weiteres Alarmzeichen, das die Veränderung in der Arbeit der Ostsee-Akademie deutlich macht. Bereits im letzten Jahr sind wir über die Vorgänge in der Akademie alarmiert gewesen, die sich mit der Kündigung des Leiters zuspitzten. Bund und Land hatten daraufhin die Konsequenzen gezogen und den größten Teil der Zuschüsse in Höhe von 1,2 Millionen DM gesperrt. Die Parlamente hatten eindeutig beschlossen, dass sie die Mittel erst entsperren, wenn die Empfehlungen des Kuratoriums der Ostsee-Akademie vom 1. November 2000 erfüllt werden. Das sind die Wiedereinsetzung des Leiters und die Erweiterung der Trägerschaft der Akademie um öffentliche und private Institutionen aus Deutschland und den Anrainern der Ostsee.

Es ist bedauerlich, dass sich die CDU nicht klar und deutlich zur Wiedereinsetzung des Leiters bekennen kann, wie ich feststelle, wenn ich mir den vorliegenden Antrag der CDU angucke.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Forderungen des Kuratoriums unterstützen namhafte Persönlichkeiten wie Günter Grass, Inge Jens, die große Mehrheit aller Partner und freien Mitarbeiter der Akademie. Auch Drittmittelgeber wie die Bosch-Stiftung haben ihre finanziellen Zuwendungen an die Umsetzung der Forderungen geknüpft.

Die Landesregierung und der Finanzausschuss des Landtages sind sich einig, dass die Voraussetzungen für eine Entsperrung noch nicht gegeben sind. Umso unverständlicher ist es, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages kürzlich die Freigabe der Mittel beschlossen hat. Offenbar ist dem Haushaltsausschuss des Bundestages die dramatische Situation der Ostsee-Akademie nicht bewusst oder er ist nicht vollständig informiert worden.

(Beifall des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Daher appellieren wir an die Landesregierung und vor allem an die Bundesregierung, dass die Empfehlungen des Kuratoriums mit Nachdruck umgesetzt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es mit aller Deutlichkeit für die Hansestadt Lübeck: In der Stadt

ihres Ehrenbürgers und Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt, der Brüder Heinrich und Thomas Mann, des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass, in Lübeck als weltoffener und toleranter Stadt, die für Verständigung und gute Nachbarschaft im gesamten Ostseeraum und gerade mit Polen eintritt, in dieser Stadt ist kein Platz für Revanchismus, ist kein Platz für reaktionäres Handel, ist kein Platz für ewig Gestrige, die spalten statt versöhnen wollen, und ist auch kein Platz für die, die die deutsche Ostpolitik und die Grenzen Deutschlands infrage stellen wollen.

(Beifall im ganzen Hause)

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, es muss schnell gehandelt werden, um weiteren Schaden zu verhindern und den guten Ruf der Akademie wieder herzustellen. Wenn die Pommersche Landsmannschaft auf Zeit spielen will, werden wir uns einen anderen Träger suchen. Wir wollen den Leitgedanken von Aussöhnung und Verständigung in einem friedlichen Europa retten, und nur dafür werden wir Landesmittel einsetzen.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und beim SSW)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Geißler.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich bedauere natürlich, dass es nicht möglich war, in dieser Frage einen gemeinsamen Antrag vorzulegen. Wir haben uns darum bemüht. Ich wäre Ihnen auch dankbar gewesen, wenn Sie fairerweise gesagt hätten, dass auch von Ihrer Seite in einigen Formulierungen wenig Flexibilität war. Ich glaube aber, mein Redebeitrag wird deutlich machen - auch der Antragstext, der von uns vorgelegt wurde, tut dies; Sie werden das feststellen, wenn Sie ihn genau lesen -, dass es in einer Vielzahl von Fragen ein hohes Maß an Übereinstimmung gibt. Liebe Frau Gröpel, das werden Sie ja eben auch an den Reaktionen meiner Fraktion auf Ihre Rede gemerkt haben.

Die Ostsee-Akademie hat sich seit ihrer Gründung im Jahre 1988 einen guten Ruf erarbeitet. Durch eine Vielzahl von Veranstaltungen, Seminaren, Konferenzen, Diskussionen, an denen mehr als 30.000 Gäste, darunter über 7.000 aus den Ländern Ost- und Mitteleuropas, teilnahmen, entwickelte sie sich schnell zu einem der wirkungsvollsten Foren der Völkerverständigung und Kulturbegegnung im Ostseeraum. Als die Akademie im Jahre 1998 ihren 10. Jahrestag beging, waren es nicht nur der damalige Bundespräsident Roman Herzog, sondern auch zahlreiche Gäste

(Thorsten Geißler)

aus dem In- und Ausland, die der Akademie in eindrucksvoller Weise ihren Respekt bekundeten.

Die Bundesregierung und das Land SchleswigHolstein haben die Arbeit der Ostsee-Akademie zu 100 % von Anfang an institutionell gefördert. Dieses Geld war auch bisher gut angelegt. Die Pommersche Landsmannschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie früher als andere die Realitäten der Folgen des Zweiten Weltkrieges anerkannt hat. Sie hat sich frühzeitig für die Aussöhnung mit Polen eingesetzt und sie hat die Charta der Heimatvertriebenen mit Leben erfüllt. Sie könnte stolz sein, mit dieser Einrichtung ihren Beitrag zur Verständigung mit den Nachbarn im Osten zu leisten. Auch wir verfolgen mit Sorge, dass sich in jüngster Zeit personelle und politische Entwicklungen in dieser Landsmannschaft so ausgewirkt haben, dass die Arbeit der Akademie eingeengt und belastet wurde.

Es geht uns nicht um Pauschalurteile. Die sind immer ungerecht. Wenn Funktionsträger der Pommerschen Landsmannschaft mit öffentlichen Äußerungen der Versöhnungspolitik aller Fraktionen in Bund und Land entgegenwirken und die völkerrechtlich anerkannten Grenzen zwischen Deutschland und Polen infrage stellen, dann müssen wir das zwar als demokratische Gesellschaft ertragen, das aber darf nicht den Geist der Arbeit der Ostsee-Akademie widerspiegeln, im Gegenteil.

(Beifall bei CDU, FDP und SSW sowie ver- einzelt bei der SPD)

Durch zahlreiche von der Ostsee-Akademie in den vergangenen Jahren arrangierte Begegnungen zwischen Deutschen und Polen, aber auch zwischen Deutschen und Tschechen und anderen europäischen Nationen konnten neue Brücken gebaut werden, konnte Vertrauen geschaffen, konnten alte Vorurteile abgemildert oder beseitigt werden. Dies ist die geistige Ausrichtung, mit der wir das Haus in Europa bauen wollen.

Völlig zu Recht hat das Kuratorium der OstseeAkademie in einem mit überwältigender Mehrheit am 1. November 2000 angenommenen Beschluss festgestellt, dass die Akademie in voller Übereinstimmung mit der Pommerschen Landsmannschaft in der Vergangenheit im Sinne ihres Statuts wichtige Beiträge zur Förderung der Zusammenarbeit und Verständigung mit den östlichen Nachbarn Deutschlands, der Vertiefung des europäischen Einigungsgedankens in den zum EU-Beitritt entschlossenen ost- und mitteleuropäischen Nachbarstaaten sowie zur Festigung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung und der sie bestimmenden Werte in der größer werdenden Europäischen Union geleistet hat.

Im Hinblick auf die Kündigung des Akademieleiters durch die Pommersche Landsmannschaft stellt das Kuratorium in demselben Beschluss fest, dass die inhaltliche und programmatische Profilierung der Arbeit der Ostsee-Akademie durch den Akademieleiter stets in Übereinstimmung mit dem Kuratorium und mit dessen Unterstützung erfolgt sei. Das hohe Ansehen und die weit über die Landesgrenzen SchleswigHolsteins hinaus reichende Anerkennung ihrer Arbeit sei in hohem Maße auch das Verdienst des Leiters der Ostsee-Akademie, Dr. Dietmar Albrecht. Aus diesem Grunde und wegen des falschen Eindrucks, der in der Öffentlichkeit entstanden war, fordert das Kuratorium die Rücknahme der Kündigung des Akademieleiters noch vor dem Termin der arbeitsgerichtlichen Verhandlung.

Das hat sich auch der Finanzausschuss dieses Landtages zu Eigen gemacht. Dieser Forderung ist jedoch nicht Rechnung getragen worden. Daraufhin haben konsequenterweise und richtigerweise sowohl der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages als auch der Finanzausschuss des Landtages die Förderung der Akademie zunächst eingestellt. Die entsprechenden Mittel wurden mit einem Sperrvermerk versehen. Es ist dann zu einem arbeitsgerichtlichen Prozess und zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach den Vorschriften der §§ 19 und 14 des Kündigungsschutzgesetzes gekommen, wogegen sich ein leitender Angestellter natürlich nicht zur Wehr setzen kann.

Zu begrüßen ist allerdings, dass dem Bundesministerium des Innern und dem Land Schleswig-Holstein in den Verhandlungen ein Vorschlags-, Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrecht bei der Bestellung des Akademieleiters und des Studienleiters eingeräumt wurden, und zwar sowohl bei der Programmarbeit wie auch in sonstigen Grundsatzangelegenheiten.

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat mit den Stimmen aller demokratischen Fraktionen in seiner Sitzung vom 7. März entsprechend einer Vorlage der Bundesregierung, also der Sozialdemokraten und der Grünen, diese 700.000 DM, die zunächst gesperrt waren, freigegeben. Auch diese Landesregierung hatte eine entsprechende Vorlage vorbereitet. Sie trägt die Unterschrift des Staatssekretärs im Finanzministerium. Sie ist zurückgezogen worden, sodass die Landesmittel weiterhin gesperrt bleiben.

Ich sage sehr deutlich, eine weitere öffentliche Förderung der Ostsee-Akademie durch den Bund und das Land Schleswig-Holstein ist nach unserer Auffassung nur dann zu rechtfertigen, wenn die Arbeit der Akademie an ihrem Statut ausgerichtet ist, wenn sie sich den Zielen der Verständigung und Zusammenarbeit über die Gräben der Vergangenheit hinweg und der

(Thorsten Geißler)

politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas auf dem Wege der EU-Erweiterung sowie der gemeinsamen Entwicklung des Ostseeraums als einer europäischen Zukunftsregion widmet. Ihrem Statut entsprechend widmet sich die Ostsee-Akademie auch der Förderung und Erhaltung der Kenntnis der Geschichte des ganzen Pommern und seines kulturellen Erbes als Bestandteil deutscher Kultur. Sie ist jedoch kein Organ der Durchführung und Durchsetzung verbandspolitischer Vertriebenenarbeit und darf dies auch nicht werden. Auch wir treten daher für eine Erweiterung der Trägerschaft um öffentliche und private Institutionen ein.

Auch wenn es bedauerlicherweise wegen einiger unterschiedlicher Formulierungen zu keinem gemeinsamen Antrag kommen konnte, sind wir uns in dieser von mir zuletzt genannten Zielsetzung und auch im Übrigen ganz überwiegend in diesem Hause einig und ich hoffe, dass der Appell dieses Landtages dazu beiträgt, dass bereits in Kürze Entscheidungen getroffen werden, die die Bedenken des Landtages ausräumen und die Ostsee-Akademie wieder zu der geachteten Einrichtung machen, die sie über viele Jahre hinweg war.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als die Ostsee-Akademie in Lübeck-Travemünde im September 1998 ihr zehnjähriges Bestehen feierte, hat sich neben vielen anderen Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland auch der damalige Bundespräsident, Professor Roman Herzog, in einer Ansprache über das Wirken dieser Bildungsstätte geäußert. Wörtlich erklärte Professor Herzog:

„Wenn es die Ostsee-Akademie nicht gäbe, müsste man sie schaffen.“

Der Bundespräsident hat dieses Lob, diese Aussage mit dem herausragenden Beitrag begründet, den die Akademie in der zurückliegenden Zeit für das Werk der Verständigung und Aussöhnung mit den Nachbarn im Osten geleistet hat. Zweieinhalb Jahre später, im Mai dieses Jahres, wie von Renate Gröpel erwähnt, gibt es eine Ausgabe einer Zeitschrift, herausgegeben von der Ostsee-Akademie, mit einem Beitrag, einem Redetext von einer Veranstaltung im letzten Jahr, und zwar der Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin auf einer Veranstaltung „Deutschland und Polen. Tausend Jahre der Begegnung“, wo in einer als Doku