Protocol of the Session on March 22, 2001

Der Nachweis an sich ist schon ohne weiteres möglich, aber die Quantifizierung der Inhaltsstoffe ist immer noch schwierig. Wie viel gentechnisch bearbeitetes Material in den einzelnen Lebensmitteln ist, ist immer noch schwer zu bestimmen. In Flensburg scheint man auf dem Weg zu sein, dieses Problem zu lösen.

Dies hätte zur Folge, dass eine genaue Deklaration der Inhaltsstoffe dann besser möglich wäre als bisher. Dieses Projekt wurde auch vom Land SchleswigHolstein unterstützt, was auch als wichtige Unterstützung der Land- und Ernährungswirtschaft der Zukunft anzusehen ist.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme nun zu der Frage der Vorsorgemaßnahmen zur Verminderung weiterer BSE- und TSEErkrankungen. Der Bericht des Sozialministeriums, auf den ich in der noch folgenden Debatte heute Nachmittag näher eingehen werde, macht deutlich, dass ein Zusammenhang zwischen Nahrungsaufnahme und BSE-Erkrankung besteht. Das zeigen auch neueste wissenschaftliche Untersuchungen in Großbritannien. Der Übertragung von BSE durch Futtermittel kommt somit heute die größte Bedeutung zu.

Dies scheint nicht die neueste Erkenntnis zu sein; denn der Bericht über die Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung weiterer BSE-Erkrankungen macht deutlich, dass es bereits Mitte der 90er-Jahre mehrere europäische Vorschriften zu alternativen Verfahren der Tierkörperbeseitigung gegeben hat. Man war sich also schon bewusst, dass auf diesem Sektor etwas getan

(Lars Harms)

werden muss, jedoch wurde es zugelassen, dass tierisches Rohmaterial aus der Tierkörperbeseitigung oder Wiederkäuerabfälle von nicht verzehrtauglichen Tieren ebenso wie zum Verzehr geeignete Knochen abweichend von den gültigen Behandlungsparametern bearbeitet wurden. Daher ist es umso erfreulicher zu erfahren, dass die Tierkörperbeseitigungsanstalten in Schleswig-Holstein belegen konnten, dass sie in den zurückliegenden Jahren die Verarbeitungsparameter eingehalten haben. Aber auch der Vorstoß des schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministers bereits 1990 und 1997, ein EU-weites Verfütterungsverbot zu fordern, ist ein Zeichen für einen vorausschauenden Verbraucherschutz.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es ist aber davon auszugehen - der Bericht weist auch darauf hin -, dass über einen langen Zeitraum hinweg Futtermittel in Deutschland eingesetzt wurden, die den hiesigen Anforderungen nicht entsprachen. Diese Erkenntnis ist meines Erachtens fatal. Sie zeigt aber auch, wie inkonsequent EU-Vorschriften sein können. Diese Inkonsequenz scheint sich nun weiter fortzusetzen, indem das Tiermehlverfütterungsverbot des EUAgrarministerrates nur ein halbes Jahr gelten soll. Ich wünsche mir, dass man hier endlich Nägel mit Köpfen macht und einen schwierigen Alleingang Deutschlands in dieser Sache verhindert.

Daher begrüßen wir auch die erneute Initiative der Bundesministerin für den Verbraucherschutz, Frau Künast, sich für ein dauerhaftes EU-weites Tiermehlverfütterungsverbot einzusetzen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Infektion bei BSE- und TSE-Erkrankungen erfolgt bevorzugt im jugendlichen Alter der Tiere. Dies belegt auch der Bericht der Landesregierung. Daher scheint es mir angebracht, alle tierischen Futtermittelkomponenten, die an Kälber verabreicht werden, von deren Speisenkarte zu verbannen, Milchaustauscher, die tierische Fette enthalten, nicht weiter als Futtermittel zuzulassen, bis es hierfür eine Unbedenklichkeitserklärung gibt, ist eine sinnvolle Maßnahme. Wir haben lange genug Fehler bei der Tiermehlverfütterung gemacht und sollten daher, solange noch Zweifel bei den Milchaustauschern bestehen, dieses Verbot aufrechterhalten.

(Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] - Zuruf des Abgeordneten Peter Jen- sen-Nissen [CDU])

Das Tiermehlverfütterungsverbot ist jedoch nur ein Bestandteil, lieber Kollege Jensen-Nissen, das dazu beiträgt, das Problem in den Griff zu bekommen. Ein

weiterer wichtiger Aspekt ist die Verbesserung der Testverfahren. Wir wissen, dass derzeit nur am toten Tier getestet werden kann, und die Erfolgsaussichten sind bisher als gering einzustufen, da die bisherigen Testverfahren nur bei hoch infektiösen Tieren anschlagen. Dies ist uns allen bekannt. Daher ist es unumgänglich, dass wir zu neuen Testverfahren gelangen, die nicht nur genauer sind, sondern auch am lebenden Tier durchgeführt werden können.

Der Bericht macht deutlich, dass an labordiagnostischen Verfahren geforscht wird, die künftig Untersuchungen am lebenden Tier zulassen. Eine solche Verfahrenstechnik weckt neue Hoffnungen und wird uns in erheblichem Maße in der BSE-Krise voranbringen. Leider liegen der Landesregierung hierzu keine näheren Angaben vor. Solange es aber noch Unsicherheiten gibt - dies macht der Bericht auch deutlich -, hat der Verbraucher- und Gesundheitsschutz immer oberste Priorität.

(Beifall bei SSW und SPD)

Das bedeutet weiterhin, dass Bestände, in denen BSE festgestellt wurde, zu keulen sind. Erst wenn wir in der Lage sind, eine hundertprozentige Sicherheit durch Lebendtests zu gewährleisten, können wir diese Tötungsmaßnahme abschaffen.

(Dr. Christel Happach-Kasan [F.D.P.]: Da gibt es nie eine hundertprozentige Sicherheit!)

- Aber sehen Sie doch einmal, wir arbeiten daran!

(Beifall bei SSW und SPD - Zurufe von der CDU)

Aus gegebenem Anlass möchte ich kurz auf die Problematik der Maul- und Klauenseuche eingehen. MKS gibt es jetzt an 326 Orten in Großbritannien und die Seuche breitet sich auf der Insel weiter mit rasanter Geschwindigkeit aus. Es ist erst wenige Tage her, dass das Virus auf das europäische Festland übergegriffen hat. Noch gilt Deutschland von offizieller Seite aus als MKS-frei. Doch machen wir uns nichts vor: Wir müssen jeden Tag damit rechnen, dass der erste bestätigte MKS-Fall in Deutschland gemeldet wird. Wenn die Seuche kommt, wird sie die Landwirtschaft noch schlimmer treffen als BSE.

Der Hintergrund für die rasante Ausbreitung dieser Seuche ist nicht nur, dass der Erreger durch den Wind weitergetragen werden kann, sondern eine Hauptursache für die Übertragung liegt auch in den bestehenden land- und ernährungswirtschaftlichen Strukturen.

(Lothar Hay [SPD]: Ja!)

Durch den ausgedehnten nationalen und internationalen Handel mit Tieren und Lebensmittelprodukten

(Lars Harms)

werden Seuchen binnen kürzester Zeit über Hunderte von Kilometern verbreitet.

(Konrad Nabel [SPD]: So ist das!)

Daher ist das Verbot von Tiertransporten die einzig richtige Konsequenz.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Peter Jensen-Nissen [CDU]: Hätten Sie das doch sehr viel eher gemacht!)

Hiermit sind Transporte gemeint, die eine bestimmte Entfernung überschreiten. Sowohl aus Tierschutzgründen als auch zur Vorbeugung von Seuchen müssen wir hier schnell Regelungen schaffen. Das ist auch im Interesse der Landwirtschaft, Herr Kollege JensenNissen.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU])

Was man im Zusammenhang mit der Maul- und Klauenseuche feststellen kann, ist, dass man in Großbritannien die Seuche trotz Keulung und Verbrennung ganzer Bestände nicht in den Griff bekommt. Leider greift die Seuche so schnell um sich, dass die Behörden mit der Verbrennung nur schwer hinterher kommen. Wenn man davon ausgeht, dass dies so ist, dann stellt sich die Frage, ob man unsere Tierbestände gegen diese Version des MKS-Erregers impfen kann und sollte. Mir ist klar, dass dann zumindest kurzfristig mit einem Embargo zu rechnen ist, da es Länder gibt, die Fleisch von geimpften Tieren nicht ins eigene Land lassen. Aber erstens sind die Grenzen ohnehin schon vorsorglich wegen der Maul- und Klauenseuche geschlossen worden und zweitens sollte man in Abwägung zwischen der Gefahr, die von MKS ausgeht, und der kurzfristigen Einschränkungen des Absatzmarktes für Fleisch über die Impfung nachdenken. Hiermit meine ich nicht, dass bundesweit prophylaktisch geimpft werden sollte, sondern es ist nun vielmehr über eine Ringimpfung in einem bestimmten Umkreis der betroffenen Betriebe nachzudenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Regierungserklärung macht deutlich, dass sich die gesamte Land- und Ernährungswirtschaft durch die BSE-Krise verändert hat. Vordergründig wird dies auch in der Entwicklung innerhalb der Land- und Ernährungswirtschaft deutlich. Die Fleisch verarbeitenden Betriebe haben erheblich unter der Krise zu leiden, während man bei Milchprodukten, Fisch und Gemüse erhebliche Umsatzsteigerungen verzeichnen kann.

Die gesamte Ernährungsbranche konnte ihren Umsatz im vergangenen Jahr noch einmal steigern. Die ganze

Branche ist aber durch BSE und Schweinemastskandale in Verruf gekommen. Das heißt, der gesamte Wirtschaftszweig wird auch langfristig darunter leiden, wenn der Verbraucher nicht zur Verkaufstheke zurückkehrt - auch die Teile der Land- und Ernährungswirtschaft, denen es jetzt vielleicht noch gut geht. Ein schlechtes Image droht immer auch auf vordergründig Unbeteiligte abzufärben.

Der Markt wird zunehmend international. Wenn wir nicht durch Qualität und glaubhafte Kontrollen unserer Lebensmittel nachweisen können, dass unsere Waren unbedenklich sind, werden wir es schwer haben, im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Die vielen neuen Qualitätsanforderungen, die in Zukunft an die deutsche Landund Ernährungswirtschaft gestellt werden, sind nicht dazu da, sie zu behindern, sondern sie wettbewerbsfähiger für den europäischen Markt zu machen. Ohne diese Maßnahmen werden wir es schwer haben zu bestehen. Daher sind die Ideen zum Gütesiegel, wie sie auch in der Regierungserklärung beschrieben worden sind, eine gute Sache.

(Beifall bei SSW und SPD)

Ich erwähne in diesem Zusammenhang vor allem die Tatsache, dass das genannte Konzept der Landesregierung für ein Gütesiegel nicht zwingend nur auf Schleswig-Holstein begrenzt ist. Ich werde darauf heute Nachmittag in der Debatte zum Gütezeichen Schleswig-Holstein noch näher eingehen.

In der Regierungserklärung wird mitgeteilt, dass sich Ressortzuständigkeiten ändern werden. Nach Auffassung des SSW kann es sich hierbei nur um strukturelle Änderungen in der Ablauforganisation handeln, die wir durchaus mittragen.

Seit Beginn der BSE-Krise ist deutlich geworden, dass die Zusammenarbeit zwischen Frau Ministerin Franzen auf der einen Seite und Herrn Minister Müller auf der anderen Seite gut funktioniert hat. Für diese gute Zusammenarbeit in dieser Krisensituation möchten wir beiden ausdrücklich unseren Dank aussprechen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beide Minister werden in Zukunft noch eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen haben. Deswegen spricht rein gar nichts dafür, dass das Ressort für die ländlichen Räume mit dem Umweltressort zusammengelegt wird, wie es die CDU vorschlägt.

(Beifall bei SSW und SPD)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die Landwirtschaft in erheblichem Maße ändern muss und wird. Auslöser hierfür war die BSE-Krise. Krisen sind im ersten Moment so ziemlich das Schlimmste, was

(Lars Harms)

jemandem passieren kann. Krisen haben aber auch immer die Eigenschaft, dass sie die Menschen zwingen, neue Wege zu gehen. Viele dieser Wege sind in unseren landwirtschaftlichen Debatten in den letzten Monaten schon in den verschiedensten Beiträgen skizziert worden.

Gleichwohl möchte ich die wichtigsten dieser neuen Wege für die Landwirtschaft noch einmal nennen. Erstens geht es um die Orientierung hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft. Damit ist keine komplette Ökologisierung der Landwirtschaft gemeint. Vielmehr geht es darum, im Bereich der Landwirtschaft neue Wege zu ebnen, die auf eine qualitativ hochwertigere Produktion abzielen. Dies erreichen wir mit nachhaltigen und verstärkt umweltorientierten Bewirtschaftungsformen. Wir müssen jedoch auch Grundlagen schaffen, die den Landwirten eine Umorientierung hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft überhaupt ermöglichen.

(Präsident Heinz-Werner Arens übernimmt den Vorsitz)

Zweitens geht es um die Änderung der Förder- und Subventionsstrukturen: weg von der mengenbezogenen Förderung. Die bisherigen Fördermaßnahmen für die Landwirtschaft sind überwiegend mengenorientierte Förderkulissen, die unweigerlich dazu führen mussten, dass die Landwirte vornehmlich quantitativ gewirtschaftet haben. Das war nicht ihre Schuld; das lag vielmehr am System. Wenn wir aber etwas verändern wollen, müssen wir auch die Kriterien für die Fördermaßnahmen ändern. Das bedeutet, dass wir die Maßnahmen an ökologische Auflagen koppeln müssen. Wir müssen die Mittelzuweisung für die gute fachliche Praxis an eine artgerechte und eine flächenbezogene Tierhaltung binden. Aber auch hierbei gilt es den Landwirten Übergangsmöglichkeiten einzuräumen, damit eine Umstellung erreicht werden kann. In der Regierungserklärung wird daher eine Grünlandprämie genannt, die es möglich macht, auf Kraftfutter und Stallmast zu verzichten und stattdessen ein Umsteigen auf Grünfutter und Weidehaltung lohnend zu machen. Das ist - wie ich glaube - der richtige Weg.