Protocol of the Session on March 22, 2001

Ich erteile Herrn Abgeordneten Fischer das Wort.

Frau Präsidenten! Meine Damen und Herren! Ich will es ganz kurz machen. Das Europathema verträgt Polemik, das ist wichtig, weil es nach vorn bringt und weil wir darüber nicht immer nur die Soße Harmonie gießen sollten. Ich will aber deutlich sagen: Eine Polemik, wie sie hier vonstatten geht, schadet dem europäischen Gedanken, auch in diesem Parlament. Ich würde mich freuen, wenn wir in Teilen der Europapolitik - Kaliningrad war ein Stichwort, Russland habe

(Rolf Fischer)

ich genannt; es gibt weit mehr Probleme in dieser Richtung - in Form eines Konsenses weitergehen könnten. Sie wissen ganz genau, dass Ihr Antrag daran völlig vorbeigeht, weil er die Delegierten der Konferenz ignoriert, die vorbereitenden Institutionen der Konferenz ignoriert. Ich habe das Gefühl, dass es eher ein Beitrag zur Frage um Platz drei oder vier in der bundespolitischen Debatte ist und nicht unbedingt ein Beitrag zur Europapolitik.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile der Frau Ministerpräsidentin Heide Simonis das Wort.

(Lothar Hay [SPD]: Das ist nicht beantragt worden! - Martin Kayenburg [CDU]: Zu Eu- ropa hat sie nichts zu sagen! - Thorsten Geißler [CDU]: Wir hätten schon ein Wort der Regierungschefin erwartet! - Weitere Zu- rufe)

Dann habe ich eine falsche Information.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es ist nur Abstimmung in der Sache beantragt worden. Wer dem Antrag der F.D.P. zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und F.D.P. abgelehnt.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, Tagesordnungspunkt 18 morgen früh nach Tagesordnungspunkt 4 zu behandeln.

Ich rufe jetzt für heute als letzten Punkt den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Schaustellergewerbe fördern

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/807

Antrag der Fraktionen von CDU und F.D.P. Drucksache 15/839

Auf der Tribüne möchte ich Vertreter der Schaustellerverbände Schleswig-Holsteins begrüßen.

(Beifall)

Wird das Wort zur Begründung der Anträge gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU]: Müller weiß doch gar nicht, was ein Karussell ist!)

Mein lieber Freund Ehlers, ich fahre gleich mit dir Karussell!

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sorge um unsere Volksfeste und die Sicherung des Markt- und Reisegewerbes in Deutschland hat schon den Deutschen Bundestag beschäftigt und ist heute Thema unserer Plenarsitzung. Warum? Das Schaustellergewerbe und der Markthandel sind immer wieder unterschätzte Gewerbe. Dies gilt sowohl für ihre Bedeutung für den Erhalt unserer Volksfeste als Kulturgut und wichtigen Beitrag zum Städtetourismus als nachfragestärkstem Segment des Deutschlandtourismus als auch für ihr volkswirtschaftliches Gewicht.

(Beifall der Abgeordneten Claus Ehlers [CDU] und Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

- Jetzt will er das wieder gutmachen.

Im Markt- und Reisegewerbe sind 1,2 Millionen Menschen in 320.000 Betrieben in Deutschland tätig. 6.000 sind Schaustellerbetriebe, davon haben 200 ihren Sitz in Schleswig-Holstein; im Markthandel sind es deutlich mehr.

Auch die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten von Schaustellerbetrieben werden allzu häufig unterschätzt. Ich habe viele Bilanzen von Unternehmen dieser Art in meiner Eigenschaft als Berater und Vorsitzender des Gewerbe- und Rechtsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Schausteller und Marktkaufleute gesehen. Ein Fahrgeschäft kostet nicht selten 4 Millionen bis 8 Millionen DM und mehr. Schausteller müssen sich um jeden Standplatz auf jedem Markt neu bewerben. Hohe Investitionen bei unsicheren Einnahmeperspektiven kennzeichnen diese Branche.

Zunehmend sehen sich die Schaustellerbetriebe zwei für sie bedrohlichen Entwicklungen gegenüber: In einer Zeit virtueller Welten verliert insbesondere das Volksfest auf dem Lande für jüngere Menschen immer mehr an Zugkraft. Sie sind Großevents mit technologisch anspruchsvollen Fahrgeschäften gewohnt, die gerade kleine Märkte nicht mehr zu bieten haben. Zum anderen werden traditionelle Volksfeste und Jahrmärkte mehr und mehr privatisiert. Der damit verbundene Übergang vom Kostendeckungsprinzip zum Prinzip der Gewinnmaximierung führt bei den Schaustellern zu enormen Kostensteigerungen, die nur teilweise über Preiserhöhungen aufgefangen werden können.

Sicherlich, wir alle in diesem Hause sind davon überzeugt, die Kommunen sollen sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Wenn aber Plätze meistbietend

(Klaus-Dieter Müller)

versteigert werden, wird der Kostendruck an die Betreiber weitergegeben und sehr hoch. Nicht selten trauen sich seriös rechnende Unternehmer die Teilnahme an solchen Veranstaltungen nicht mehr zu und überlassen das Feld den gastronomischen Eintagsfliegen, von denen es leider gerade in der Branche mehr als genug gibt.

Darüber hinaus unterliegen die Schaustellerbetriebe einer Reihe nicht mehr aufrecht zu erhaltender Restriktionen und Behinderungen, die wir mit dem vorliegenden Antrag aufheben helfen wollen.

Im Mittelpunkt des Anliegens stehen zwei Forderungen:

Während jeder Gastwirt nur ein einziges Mal in seiner beruflichen Karriere eine Gaststättenerlaubnis benötigt - und wir wissen, der Kollege Arp ganz sicher am besten, wie wenig Sachkenntnis dafür dem Antragsteller in aller Regel abgefordert wird,

(Widerspruch bei der CDU)

das bezog sich natürlich nicht auf den Kollegen Arp,

(Heiterkeit im ganzen Haus)

weil der Kollege Arp eine der Ausnahmen ist! -, muss der Schausteller nicht nur jedes Mal um seinen Standplatz kämpfen und eine Fülle von Überprüfungen auf jedem Markt über sich ergehen lassen, die in stationären Gastwirtschaften nicht annähernd praktiziert werden, nein, sie müssen auch jede Woche neu eine Gaststättenerlaubnis beantragen und bezahlen. Dies widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Im übrigen decken die so erzielten Einnahmen nur selten den Verwaltungsaufwand. Hier gilt es, durch eine klare Beschlussfassung eine ungerechtfertigte Benachteiligung beseitigen zu helfen.

Ein großes Problem für Schaustellerfamilien ist die Schulausbildung ihrer Kinder. Nicht selten besuchen Schülerinnen und Schüler aus Schaustellerfamilien 10 bis 20 verschiedene Schulen pro Saison. Das Ergebnis einer so strukturierten Schulausbildung können Sie sich vorstellen. Seit vielen Jahren versuchen die Schaustellerverbände, die Durchführung eines qualifizierten Blockunterrichts in den Wintermonaten durchzusetzen. Dankenswerterweise hat das Landesbildungsministerium erstmals im Februar dieses Jahres an der Theodor-Litt-Schule in Neumünster den ersten Lehrgang organisiert. Dieser Antrag soll festlegen, dass der Weg einer qualifizierten Berufsschulausbildung für Schaustellerkinder weiter gewährleistet ist.

Ich freue mich, dass dieses Haus auch in Zeiten rasanter technologischer Entwicklungen und Problemstellungen einem Gewerbezweig Aufmerksamkeit schenkt, der zu den traditionellen Berufszweigen ge

hört, dessen ungebrochene Bedeutung für Gesellschaft und Volkswirtschaft häufig unterschätzt wird.

Sie sehen auf Ihrer Vorlage, dass wir Abstimmung in der Sache beantragt haben. CDU und F.D.P. haben nun einen Antrag hinzugefügt. Ich meine, dass die Forderungen in den Nummern 9 ff. von uns abgeschrieben sind - die tragen Sie offensichtlich mit -, und die Forderungen in den Nummern 1 bis 8 entweder sehr unbestimmt in der Formulierung sind - dass es beim Immissions- und Nachbarschutzrecht nicht zu überzogenen Vorgaben kommen darf, ist zu unbestimmt - oder aber - wie die Forderung nach einer Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten; das hieße nämlich, es den Kommunen im Einzelnen zu überlassen - etwas abwegig sind. Diese Diskussion führen wir an anderem Ort schon sehr viel intensiver. Aber, mein lieber Kollege Arp und liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., das wollen wir gern mit Ihnen noch einmal im Ausschuss diskutieren. Deshalb beantragen wir die Überweisung der Anträge an den Wirtschaftsausschuss.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Arp.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Müller, Sie haben in dem Punkt sicherlich Recht, dass Gastwirt fast jeder werden kann; Sie hätten es auch werden können.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und F.D.P.)

Darüber diskutieren wir heute nicht, wir debattieren heute über die Situation der Schausteller in unserem Land und wollen damit das Schaustellergewerbe fördern. Hierzu kann ich Ihnen auf der linken Seite des Saales die volle Unterstützung der CDU-Fraktion zusagen.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Oh!)

67 % der Gesamtbevölkerung besuchen regelmäßig unsere Volksfeste. Damit sind Volksfeste, Schützenfeste und Weihnachtsmärkte der mit Abstand größte Freizeitbereich in Deutschland. Sie tragen natürlich auch das haben Sie gesagt, Herr Kollege - ganz wesentlich zur Attraktivität des Tourismusstandorts Schleswig-Holstein bei. Dabei wird das Kulturgut „Volksfest“ - das vergessen ganz viele - nicht durch öffentliche Mittel subventioniert. Wer es nicht weiß: Ein Jahrmarktsbesuch kostet nichts, anders - Frau

(Hans-Jörn Arp)

Kollegin Spoorendonk - als zum Beispiel in Dänemark. Dort wird regelmäßig Eintritt für einen Jahrmarktsbesuch erhoben. Das unterscheidet uns glücklicherweise von den Dänen.

Die enorme wirtschaftliche Bedeutung, die die Volksfeste für einzelne Regionen besitzen, wird an Aushängeschildern wie beispielsweise der Kieler Woche, der Travemünder Woche, dem Lübecker Weihnachtsmarkt, der Flensburger Rumtage oder der Husumer Krabbentage deutlich. Darüber hinaus bleiben sie sowohl für den Einzelhandel, die Taxiunternehmen, die Gastronomie und Hotellerie als auch für unsere Busunternehmen eine Wertschöpfung in unserem Land.

Einen großen Beitrag zum Erfolg dieser teilweise Jahrhunderte alten Volksfeste leisten hier ganz besonders die Schaustellerunternehmen und Marktleute, die oft auch persönlich mit den Marktstandorten über viele Jahrzehnte eng verbunden sind. Das mittelständisch geprägte Schaustellergewerbe leidet nicht nur unter einem Umsatzrückgang, sondern ganz besonders unter der Einführung der Ökosteuer sowie unter der Neuregelung der 630-DM-Jobs. Herr Kollege, ich hätte von Ihnen erwartet, dass wir gerade hier darüber diskutieren.