Protocol of the Session on March 22, 2001

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Sache!)

- Ja, Herr Kollege Hentschel, jetzt zur Sache. Da Sie von der Sache wie immer nichts verstehen und Herr Steenblock uns als omnipotenter abgelöster Minister jetzt erklären muss, wie Diplomatie stattfindet, will ich einmal etwas zur Sache sagen. Deutschland ist Ausrichter der Ostseeparlamentarierkonferenz in Greifswald. Das allein schon würde eigentlich bedingen, dass bei dieser Konferenz ein hochrangiger deutscher Regierungsvertreter anwesend ist, wenn die Parlamentarier sich selbst ernst nehmen und die Bedeutung der Ostseeparlamentarierkonferenz ernst nehmen wollen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

In der Vergangenheit haben hochrangige Diplomaten, auch um im Ost-West-Konflikt entspannend zu wirken, jede Gelegenheit genutzt, an Treffen teilzunehmen und dort auch persönlich Meinungen auszutauschen,

(Wolfgang Kubicki)

wobei das Ziel war, zur Entspannung von möglichen Konfliktlagen beizutragen. Ich erinnere daran, dass wir uns über die Situation der Kaliningrader Region werden unterhalten müssen. Der Bundesaußenminister wäre durchaus gut beraten, wenn er von sich aus die Gelegenheit nutzen würde - es geht nicht darum, dass er einen umfangreichen Bericht vorträgt -, anlässlich einer solchen Konferenz einmal Herrn Iwanow zu treffen. Herr Fischer beklagt, dass die russische Delegation zu Recht das Gefühl hat, sie würde nicht ganz ernst genommen. Dazu, dass sie das Gefühl hat, ernst genommen zu werden, könnte beitragen, dass man sich nicht darauf beschränkt, Berichte im Parlament abzugeben, sondern eine Dokumentation in der Sache vorlegt.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Herr Fischer, wir können Herrn Fischer nicht zu etwas zwingen. Wir wollen das auch gar nicht tun. Wir können als Landesparlament, obwohl wir eine diplomatische Zuständigkeit nicht haben, nur die Anregung geben - das tun wir gelegentlich auch in anderen Bereichen -, diese Konferenz zum Anlass zu nehmen, um ihrer Bedeutung nicht nur dadurch Ausdruck zu verleihen, dass man sich trifft, sondern auch dadurch, dass man möglicherweise gemeinsame, sich überschneidende ostseepolitische Perspektiven entwikkelt, wodurch ganz andere Möglichkeiten als bisher eröffnet werden, weiter zu diskutieren. Ich weiß, dass unsere Auffassungen eigentlich gar nicht so weit auseinander liegen.

Das Problem bei Ihnen und übrigens auch bei Anke Spoorendonk ist, dass Sie unseren Antrag als Ohrfeige für Joschka Fischer interpretieren. In diesem Sinne ist er aber gar nicht gedacht.

(Beifall bei der F.D.P.)

Er soll nichts anderes als eine zukunftgerichtete Handreichung dafür sein, unsere Aktivitäten auf eine fundiertere Grundlage zu stellen, als es bisher der Fall gewesen ist.

Ich sehe, dass der Kollege Steenblock lacht.

(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht über Sie!)

Herr Steenblock, ich will Ihnen eines sagen, vielleicht trägt das zu Ihrer historischen Bildung etwas bei.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das hat er wirklich nicht verdient! - Unruhe)

- Das muss man bei Ihnen gelegentlich ja tun, weil die historische Bildung offensichtlich fehlt. Die Entspannungspolitik, die Entwicklung in Osteuropa und in der

DDR hat auch damit begonnen, dass sich beispielsweise anlässlich eines Treffens des World Economic Forums in Davos Gorbatschow und Genscher über eine ganz bestimmte Frage ausgetauscht haben, nämlich über die Frage, ob man jemanden ernst nehmen soll oder nicht.

(Glocke der Präsidentin)

Ich höre auf, Frau Präsidentin! - Ich denke, dass unsere russischen Gesprächspartner, die das Gefühl haben, sie werden im Moment nicht ernst genommen, auch von den Deutschen nicht ernst genommen, dieses Gefühl weniger stark hätten, wenn wir eine Hand dafür reichen würden, dass nicht nur wir Parlamentarier uns treffen, sondern auch hochrangige Regierungsvertreter die Bedeutung dieser Konferenz durch ihre persönliche Anwesenheit unterstreichen würden.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Mir liegen noch drei Wortmeldungen nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Zunächst erteile ich der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

(Klaus-Dieter Müller [SPD]: Im Bundestag behandeln! - Jürgen Weber [SPD]: Immer wenn es um nichts geht, wird viel geredet! - Weitere Zurufe)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag sein, dass wir in diesem Hause viele Debatten führen, die eigentlich im Bundestag geführt werden müssten. Das ist richtig. Aber was ich in meinem Redebeitrag eben anprangerte, war, dass die Auseinandersetzung mit dem Bundesaußenminister -

(Widerspruch bei der F.D.P.)

- Ich versuche, deutlich zu machen, was an dem F.D.P.-Antrag wirklich stört.

Noch einmal vorweg folgende Bemerkung: Wenn man sich mit dem Bundesaußenminister auseinander setzen will, wenn man ihn rügen will, muss das da passieren, wohin eine solche Rüge gehört, nämlich im Bundestag.

(Werner Kalinka [CDU]: Wir rügen ihn doch gar nicht!)

Ich meine auch, dass es ganz wichtig ist, dass man die Ostseeparlamentarierkonferenz ernst nimmt. Das macht man nicht, indem man so tut, als gebe es keine Struktur der Ostseeparlamentarierkonferenz.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Anke Spoorendonk)

Man macht es nicht, indem man sich ganz flott über die Strukturen der Konferenz hinwegsetzt. Die Ostseeparlamentarierkonferenz ist eine Konferenz mit einem Standing Commitee; zufälligerweise heißt der Vorsitzende des Standing Commitees in diesem Jahr Heinz-Werner Arens. Wenn man einen ernst gemeinten Antrag stellen will, muss man auch formal deutlich machen, dass man weiß, wie die Strukturen der Ostseeparlamentarierkonferenz sind.

(Beifall der Abgeordneten Gisela Böhrk [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dann hätte man darüber diskutieren können. Dann wäre alles möglich gewesen. Dann wäre zu Recht auch deutlich geworden, dass man dann, wenn in Greifswald eine Ostseeparlamentarierkonferenz abgehalten wird, auch den Bundesaußenminister hätte einladen können. All dies ist nicht erfolgt, weil es dem Antragsteller egal ist. Es geht nämlich nicht um die Sache, es geht um etwas anderes.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist eine Anmaßung! Nur dem SSW geht es immer um die Sache! - Unruhe)

- Lieber Kollege Kubicki, ich kann zum Glück nur die Hälfte von dem mitkriegen, was du sagst. - In dieser Sache ist das auf jeden Fall so; denn wenn man meint, dass man gute Nachbarschaft dadurch fördert, indem man von sich aus sagt: „Jetzt machen wir das einmal,“ und überhaupt nicht darauf Rücksicht nimmt, wie das Verfahren ist, welches Procedere es gibt, weiß ich nicht, wie man in der Ostseepolitik, in der Ostseezusammenarbeit weiterkommen will.

Denn - darauf hat auch der Kollege Fischer hingewiesen - das bemerkenswerte an der Ostseezusammenarbeit ist doch, dass es eine viel gefächerte Zusammenarbeit von EU-Mitgliedern, von Nicht-EU-Mitgliedern, von Regionen und Nationen ist. Diese Arbeit wird zum Beispiel auch dadurch getragen, dass sich Parlamentarier auf gleichwertiger Ebene zu einer jährlichen Konferenz treffen, damit man dort Gedanken austauschen, Beschlüsse oder Resolutionen beschließen kann, die zu Hause im Sinne der Ostseekooperation umgesetzt werden müssen. Das ist die Idee der Ostseeparlamentarierkonferenz. All das wird mit so einem Antrag vom Tisch gewischt.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, ich will es an dieser Stelle sagen: Ich halte mich oft zurück, aber ich finde es zum Teil unerträglich, wie sehr Sie hier unter der Gürtellinie arbeiten.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wen interessiert das?)

Wenn Sie gern möchten, dass wir hier die Vergangenheit einzelner Abgeordneter diffamierend darstellen, sage ich Ihnen: Das können wir mitmachen.

(Zurufe von CDU und F.D.P.: Was soll das denn hier? Was soll das? - Unruhe)

- Lesen Sie die Rede von Herrn Kubicki nach! Sie hören das anscheinend gar nicht mehr, was er hier immer so locker flapsig herüberbringt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die F.D.P. stellt einen Antrag, der - ich formuliere das einmal genau so nett wie Frau Spoorendonk - offensichtlich eher in den Papierkorb gehört,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das entscheiden immer Sie!)

weil er das Land in der Sache nicht voranbringt, sondern ein halbes Jahr später nachkarten will.

(Martin Kayenburg [CDU]: Es geht um die Zukunft, nicht um das Versagen von Herrn Fischer!)

Nur weil Sie so einen Antrag gestellt haben - was ja einmal passieren kann -, lasse ich es mir nicht gefallen, dass Herr Kubicki hier moralisierend und diffamierend zurückschlägt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Günther Hildebrand [F.D.P.]: Wer moralisiert denn hier?)