Protocol of the Session on March 22, 2001

Auch eine europäische Regelung zum Export gentechnischer Produkte in Drittstaaten muss erst verabschiedet werden, sonst bleiben die von der CDU so gern als Argument angeführten Arbeitsplätze in der Pflanzenzucht nichts als heiße Luft.

Weder die Fragen der Rückverfolgbarkeit noch der Kennzeichnungspflicht, weder die Haftung für durch Freisetzung verursachte Schäden noch Regelungen zum Export von gentechnisch veränderten Organismen an Drittstaaten sind bisher auf EU-Ebene hinreichend genau geklärt beziehungsweise durchgesetzt worden. Solange dies nicht geschehen ist, ist es unverantwortlich, das De-facto-Moratorium auf EUEbene zu durchbrechen und in Schleswig-Holstein weitere gentechnisch veränderte Organismen auf die Äcker zu bringen,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

auch nicht zu Forschungszwecken.

Wer ernsthaft anstrebt, der Nutzung der Gentechnik in der Landwirtschaft eine Zukunft zu geben, der muss auch bereit sein, die notwendige Zeit für ökologische Risikovorsorge und europaweite Richtlinienentwicklung einzuplanen. Diese Bereitschaft vermisse ich leider auf der rechten Seite des Hauses. Deswegen, Frau Happach-Kasan, werden Sie uns nicht überzeugen. Wer jedoch in blinder Technikgläubigkeit den Herstellern von gentechnisch veränderten landwirtschaftlichen Produkten das Wort redet, der handelt schlichtweg verantwortungslos.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Letztes: Die CDU will - Sie, Frau SchmitzHübsch, haben das sehr freundlich gesagt - auf Beliebigkeit und Unzuverlässigkeit des Bundeskanzlers aufmerksam machen. Außerdem will sie neun mittelständischen Betrieben zum Markterfolg verhelfen. Das sehe ich nicht als unsere Aufgabe an.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Nein?)

Deswegen werden wir Ihnen Antrag ablehnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die Gentechnologie zu einem enorm entwicklungsfähigen Bereich gehört, ist unbestritten. Gerade die grüne Gentechnologie kann für Schleswig

(Lars Harms)

Holstein besondere Zukunftsperspektiven eröffnen. Wenn allerdings die Veränderung des Erbmaterials von Pflanzen erforscht werden soll, um später eventuell gentechnisch veränderte Organismen zu erzeugen, dann muss man dies in jedem Fall hinterfragen. Schon in der letzten Debatte zur Gentechnologie habe ich gesagt, dass Technikfolgenabschätzung die Grundvoraussetzung für die Gentechnologie darstellt. Welche Entwicklung in der Gentechnologie noch vertretbar ist, konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden.

Da die natürlichen und gesundheitlichen Entwicklungen und Auswirkungen nicht vollends abzuschätzen sind, bedarf es in erheblichem Umfang noch einer ethischen Festlegung dessen, was künftig sein darf.

Die BSE-Krise hat die Bundesregierung zu neuen Überlegungen in der Land- und Ernährungswirtschaft veranlasst. Dieser Schritt war auch nötig. Der Wandel in der Land- und Ernährungswirtschaft muss daher auch zu einem Nachdenken in der Gentechnologie führen. Die vorgesehenen Investitionen des Bundes in Höhe von 144 Millionen DM für die Tier- und Pflanzengenomforschung zeigen, dass die Bundesregierung durchaus bereit ist, in diesen höchst sensiblen Bereichen zu forschen. Allerdings ist es richtig, dies nur im Rahmen einer Technikfolgenabschätzung zu tun. Rein wirtschaftliche Erwägungen sind auf keinen Fall der richtige Maßstab. Das ist die Lehre, die wir aus der BSE-Krise ziehen können.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])

Im letzten Jahr hat Bundeskanzler Schröder der Wirtschaft eine Vereinbarung über ein Forschungs- und Beratungsprogramm für die grüne Gentechnik vorgeschlagen. Die Aspekte des Verbraucherschutzes und die ethische Vereinbarkeit sollen nun höher bewertet werden. In Gesprächen mit der Wirtschaft soll im Vorwege die Zielrichtung der Forschung näher definiert werden. Daher kann derzeit natürlich kein konkretes Forschungsprogramm umgesetzt werden, da die Gespräche mit der Wirtschaft erst einmal abgeschlossen sein müssen.

Solche Gespräche sind im Übrigen nicht nur im Interesse der Regierung und der Bevölkerung, sondern gerade auch im Interesse der Wirtschaft. Sie muss wissen, welche Produkte und damit welche Forschungsprogramme gesellschaftlich anerkannt sind. Alles andere wäre - um es einmal aus wirtschaftlicher Sicht darzustellen - Forschung am Markt vorbei. Bevor man Geld einsetzt, muss man erst einmal wissen, welche gemeinsamen Ziele man verfolgt. Aus diesen

Gründen ist die derzeitige Zurückhaltung der Bundesregierung ohne weiteres nachzuvollziehen.

Der Bundeskanzler hat am 12. Februar die Einrichtung eines nationalen Ethikrates angekündigt, der sich gerade mit der vorgenannten Problemstellung befassen soll. Dies ist eine vernünftige Initiative. Gleichwohl müssen die wichtigen ethischen Fragen in Zukunft gerade mit denen diskutiert werden, die es am meisten angeht, nämlich mit der Bevölkerung. Dieser Denkansatz scheint in Deutschland immer noch nicht sehr verbreitet zu sein. Da ist man in Dänemark schon weiter, denn hier läuft bereits eine breite Diskussion mit und in der Bevölkerung.

Die grüne Gentechnik kann eine Zukunftsbranche für Schleswig-Holstein sein. Es besteht aber keine Eile bei der Umsetzung eines festumrissenen Forschungsprogramms grüne Gentechnik. Vielmehr muss ich sagen, dass die Bundesregierung auf einen vernünftigeren und besseren Weg umgeschwenkt ist. Jetzt gilt es, über den künftigen Umgang mit der Gentechnologie verantwortungsbewusst mit der Wirtschaft und mit den Kritikern einer allzu schnellen Entwicklung gemeinsam zu diskutieren und gemeinsame Lösungen zu finden. Dies wird mit Sicherheit ein mehrjähriger Prozess sein.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Das Wort erteile ich jetzt Herrn Minister Müller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Vielleicht ist der Bundeskanzler, Frau Schmitz-Hübsch, den Sie vorhin mit dem Stichwort der Beliebigkeit so gescholten haben, ja auch ein Bundeskanzler, der sein Ohr am Volk hat

(Beifall bei der SPD)

- natürlich tut er das mit kräftiger grüner Unterstützung, das ist gar keine Frage -,

(Martin Kayenburg [CDU]: Da sage ich nur ein Wort: Ver.di!)

der genau zuhört, was denn der Wunsch von Verbraucherinnen und Verbrauchern ist. Der Wunsch besteht nach gesunden und natürlich produzierten Lebensmitteln.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wer sagt denn das Gegenteil? Das ist unglaublich! - Unruhe)

Dies ist durch die BSE-Krise -

Entschuldigung, ich bitte um etwas mehr Ruhe. - Sie haben das Wort, Herr Minister!

Die so genannte grüne Gentechnik, also die Verwendung gentechnischer Organismen in der Landwirtschaft, stößt in Deutschland, in der EU und neuerdings eben auch in den USA und in Großbritannien auf große Ablehnung. So planen die Mitgliedstaaten Frankreich, Dänemark, Griechenland, Österreich und Luxemburg trotz der neuen verschärften EU-Freisetzungsrichtlinien, an dem Quasi-Moratorium für das kommerzielle In-Verkehr-Bringen gentechnisch veränderter Pflanzen festzuhalten, solange klare Bestimmungen über die Rückverfolgbarkeit, die Etikettierung und die Umwelthaftung noch nicht in Kraft sind.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das heißt doch nicht, dass man dagegen ist!)

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass ein großflächiger Anbau transgener Kulturpflanzen in Europa in größerem Umfang fragwürdig erscheint.

Frau Happach-Kasan, zwei Dinge sollten wir hier nicht mehr vor uns hertragen. Erstens. Ich glaube, es ist ein Gerücht, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ausschließlich am Preis entscheiden. Das stimmt nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wenn sie in Lebensmittelläden gucken oder den Markt betrachten, dann entscheiden sie vor allem nach Geschmack und danach, was Sie mit ihrem Genuss erleben wollen. Ich glaube, hier besteht sehr wohl ein Bewusstsein für ein Preis-Leistungs-Verhältnis. Es gilt nicht nur, immer den Preis zu senken.

Das Zweite ist, was Sie eben als Verharmlosung gebracht haben, als Sie sagten, die Entwicklung des Kohls

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Welcher Kohl?)

wäre vergleichbar mit dem, worüber wir gerade reden. Das glauben Sie selbst nicht.

Wir haben - drittens - heute Morgen schon die Frage diskutiert, was BSE und Gentechnik miteinander zu tun haben. Die haben sehr viel miteinander zu tun, weil auch damals die Politik den Weg in eine Entwicklung bereitet hat, die uns heute mehrere Milliarden DM kostet. Ich glaube, dass Politik die hohe Verantwortung hat zu überlegen, ob sie Mittelständler und

ob sie Verbraucherinnen und Verbraucher wieder auf diesen Weg schickt.

Die Bundesregierung hat die Gespräche mit Unternehmen aus dem Bereich der grünen Gentechnik über ein Forschungs- und Beobachtungsprogramm zu den Umweltauswirkungen des großflächigen Anbaus transgener Pflanzen ausgesetzt, aber nicht beendet. Die Bundesregierung wird dieses Programm im Lichte ihrer neu ausgerichteten Agrar- und Verbraucherpolitik überprüfen. Es ist aus meiner Sicht auch sinnvoll, bei einer grundsätzlichen Neuausrichtung des Agrarbereiches auch die grüne Gentechnik als möglichen Bestandteil einer intensiven Überprüfung zu unterziehen. Das gilt dann auch für den großflächigen Anbau transgener Kulturpflanzen.

Neben diesem ersten Forschungs- und Beobachtungsprogramm plant die Bundesregierung das Forschungsprogramm Biologische Sicherheitsforschung und Monitoring. Dieses vom BMBF am 21. März 2000 ausgeschriebene Programm umfasst drei Punkte: die freisetzungsbegleitende Sicherheitsforschung, die Methodenentwicklung für Anbau, begleitendes Monitoring und das Kommunikationsmanagement in der biologischen Sicherheitsforschung. Als spezifische Forschungsansätze wurden Raps, Zuckerrübe, Kartoffel, Mais und Getreide sowie Gehölz benannt. Dieses zweite Forschungsprogramm soll noch in diesem Jahr beginnen und über drei Jahre fortgeführt werden. Das entspricht einer sofortigen Umsetzung.

Die biologische Sicherheitsforschung an und das Monitoring von transgenen Pflanzen sind aus meiner Sicht auch sehr zu begrüßen. Es ist zwingend erforderlich, gerade auch in einem so kontrovers diskutierten Feld wie der grünen Gentechnik die Datenbasis in Bezug auf die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit massiv zu erweitern und dem Vorsorgeprinzip des Karagena-Protokolls für die biologische Sicherheit Rechnung zu tragen. Es gibt also nicht nur ein mögliches mehrjähriges Forschungsprogramm, sondern meines Wissens mindestens zwei. Allein deswegen ist Ihr Antrag leider sehr unverständlich gestellt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich Frau Abgeordneter SchmitzHübsch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest, dass sich die Mitglieder im Wirtschaftsausschuss, die an der letzten Sitzung teilgenommen haben - SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -, nicht erinnern können, dass wir vereinbart hätten, auch diesen Antrag dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen, wo bereits mehrere andere Anträge im Zusammenhang mit Biotechnologie schmoren, um dazu eine gemeinsame Anhörung von Experten vorzunehmen.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: So ist es!)

Insofern „verkämpfe“ ich mich jetzt an dieser Stelle nicht. Es hat keinen Sinn. Aber der Anhörung werden Sie nicht entgehen. Das möchte ich schon einmal sagen.