Protocol of the Session on March 21, 2001

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Einen Moment, bitte, Frau Abgeordnete. Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Es bestehe also ein Anspruch der Länder auf Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile, weil die UMTSErlöse eine wesentliche Veränderung im BundLänder-Verhältnis bewirkten. Soweit der Gutachter.

Die Frage ist aber, ob eine Verfassungsklage auf der Grundlage dieses Gutachtens politisch angemessen ist. Wir meinen, nein. Zum einen sind wir skeptisch, inwieweit einmalige Einnahmen wie die UMTS-Erlöse eine Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile begründen können, zum anderen ist gerade die Frage der allgemeinen Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens ein wichtiger Bestandteil der aktuellen Diskussion über die Reform des Föderalismus. In dieser Debatte sollten wir mit aller Macht dafür eintreten, dass die zukünftige Verteilung der Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund, Land und Kommunen in einem vernünftigen Verhältnis zur Aufgabenverantwortung steht. Hier und nicht vor dem Bundesverfassungsgericht muss der politische Kampf zwischen Bundesregierung und Bundesrat geführt werden.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Wir können also der Forderung der F.D.P., dass sich die Landesregierung der Verfassungsklage anschließen soll, nicht zustimmen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile Herrn Minister Möller das Wort.

Frau Präsidentin, ich bedanke mich außerordentlich, dass die Regierung jetzt das Wort nehmen darf.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort bekommen Sie jederzeit erteilt, Herr Minister.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Arp zu einer möglichen Beteiligung an der Verfassungsklage der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen geäußert und gesagt, wir gedenken uns dieser Klage nicht anzuschließen. Dafür gibt es im Wesentlichen drei Gründe:

Erstens. Verfassungsklagen der Länder Hessen, Baden-Württemberg und Bayern prüfen wir immer besonders sorgfältig. Wir haben noch die Verfassungsklage dieser Länder zum Länderfinanzausgleich in unangenehmer Erinnerung, wo man uns Hunderte von Millionen beim jährlichen Finanzausgleich streitig machen wollte.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Aber erfolgreich!)

Zweitens. Diese Skepsis hat dazu geführt, dass eine Prüfung bei uns zu der Auffassung gekommen ist, dass das ausgehandelte Vorgehen sehr wohl verfassungskonform ist.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Dann haben Sie aus der ersten Klage nicht gelernt!)

Der Bund ist für die Telekommunikation zuständig. Insofern stehen ihm auch Einnahmen aus diesem Bereich zu, genauso wie natürlich einmalige Einnahmen durch Veräußerungserlöse in unserem Bereich nur uns zugute kommen und nicht anderen. Die Freude über die einmalige Einnahme, die zu einer Absenkung der Neuverschuldung geführt hat, ist beim Bund dadurch etwas getrübt, dass der Kurs der Telekom-Aktie nun nicht gerade euphorisch auf das hohe Engagement der Telekom bei UMTS reagiert hat. So kommen die Einnahmen dem Bund auch nicht netto in voller Höhe zu.

Frau Kollegin Spoorendonk hat es gerade schon gesagt: Ehe man einen Rechtsanspruch ableiten kann, müssen erst einmal die Deckungsquoten bei der Umsatzsteuer berechnet werden. Auch wir haben uns die diesbezüglichen Regelungen angesehen. Dort heißt es aber: wenn sich die Einnahmen und Ausgaben auf Dauer verschieben. Hier handelt es sich aber um eine einmalige Einnahme. Selbst wenn das so wäre, denke ich, dass es auch hier das Gebot der Stunde ist, das nicht vor Gericht auszutragen, sondern auszuhandeln.

Die Deckungsquote ist natürlich ein wesentlicher Bestandteil bei der Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern im Rahmen des Länderfinanzausglei

ches. Ich will nun die Verhandlungsposition der Länder nicht schwächen, aber die Meinungen gehen hier sehr auseinander. Der Bund macht die Rechnung auf, dass sich die Deckungsquoten zu seinen Lasten in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages entwickelt haben, während wir Länder bestenfalls von einem Patt reden oder von kleinen Verschiebungen zu unseren Lasten. So goldig ist die Verhandlungsposition der Länder in dieser Frage nicht.

Es ist aber auch nicht zu leugnen - das ist hier auch in der Antwort auf eine Kleine Anfrage gesagt worden -, dass es in den Sitzländern der Unternehmen zu Steuerausfällen kommt. Die Zahlen, die wir Ihnen genannt haben, sind richtig. Das Worst-case-Szenario besteht, wenn die Ausgaben in der kürzesten Zeit abgeschrieben werden.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Es trifft uns vergleichsweise härter!)

Aber die Investitionen und die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen in den Sitzländern werden dem nicht gegengerechnet. So wurden zwar in Büdelsdorf zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, dennoch bleibt es dabei: Die Einnahmeausfälle sind höher als etwa die zusätzlichen Einnahmen bei der Einkommensteuer durch zusätzliche Arbeitsplätze in Büdelsdorf, denn es wohnen dort nicht alle. Das ist nicht zu leugnen.

Jetzt komme ich zu dem dritten Punkt - das Thema haben wir ja heute Morgen schon leicht andiskutiert -, die pro-Kopf-Verschuldung - lassen wir die Finanzsituation in Büdelsdorf einmal beiseite -, die sicherlich dem einen oder anderen bekannt ist. Es ist ja nicht zu leugnen, dass unser finanzpolitisches Strukturproblem die hohe Zinslast durch die hohen Schulden ist. Aber das gilt - ich sage das ohne Wertung, obwohl man dies auch bewerten könnte - allemal für den Bund.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es muss doch seine Gründe gehabt haben, dass die Schulden in der glorreichen Ära Gelb-Schwarz von 350 Milliarden DM auf 1,5 Billionen DM angestiegen sind. Die Zinslast des Bundes ist anteilmäßig sogar noch höher als unsere. Unter den gegebenen Umständen - Maastricht-Kriterien und dergleichen - ist die Tatsache, dass die Mittel ausschließlich zur Schuldensenkung verwendet werden, schon ein gutes Verhandlungsergebnis. Wie wir es gesagt haben, ist dies allerdings konditioniert insofern, als die sich ergebende Zinsersparnis in wichtige Investitionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Infrastruktur geleitet werden soll. Ich will die Zahlen noch einmal nennen: Sie belaufen sich jährlich auf 600 Millionen DM für Bildung und Forschung, 2 Milliarden DM für Infrastrukturmaßnahmen der Bahn, 900 Millionen DM

(Minister Claus Möller)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Ausschussdienst und Stenographischer Dienst

für den Straßenbau, 400 Millionen DM für die Gebäudesanierung und 100 Millionen DM für die Energieforschung. Zusammen ergibt dies über drei Jahre 12 Milliarden DM.

Jetzt will ich die Zahlen für Schleswig-Holstein nennen. Herr Abgeordneter Wadephul, es ist nicht so, wie Sie meinen, dass Schleswig-Holstein nichts abbekommen hat. Für berufliche Schulen kommen für die Jahre 2001 und 2002 in einer genau festgelegten Quote 8 Millionen DM in Schleswig-Holstein an. Die Ausschreibung dafür läuft bereits.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Von wie viel Millionen?)

8 Millionen DM für berufliche Schulen in SchleswigHolstein! Das ist anteilmäßig gemäß der Bevölkerung gerechnet und macht in Baden Württemberg natürlich entsprechend mehr aus.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas mehr Ruhe.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

In Schleswig-Holstein kommen für die Jahre 2001 bis 2003 für den Straßenbau mehr als 110 Millionen, für Gebäudesanierung und CO2-Minimierung - wenn diese Programme ausgeschöpft werden - 117 Millionen DM an.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinzu kommen Mittel für die Grundlagenforschung, Offshore und Ähnliches. Die wichtigsten Projekte im Bereich der Schienenwege sind genannt worden; für Hamburg und Schleswig-Holstein zusammen - ich denke, auch wir müssen ein Interesse an dem Schienennetz in Hamburg haben - kommen 240 Millionen DM an. Hinzu kommen die Mittel durch die Aufstokkung im Rahmen des Städtebauförderungsgesetzes.

Es ist also nicht so, dass in diesen Jahren in Schleswig-Holstein nichts für wichtige Infrastrukturmaßnahmen ankommt. Ich gebe Ihnen Recht: Es handelt sich um ein Dreijahresprogramm. Wir werden die Deckungsquote mit dem Bund zu verhandeln haben, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Län

derfinanzausgleich. An Streitpunkten in den Verhandlungen mit dem Bund, was die Länderbeteiligung angeht, haben wir genug in der Pipeline: Ich denke an BSE, ich nenne die Rentenversicherung und den Länderfinanzausgleich.

Zudem müssen wir uns die Frage stellen, wie es mit den Mitteln aus der Zinsentlastung nach den drei Jahren weitergeht. Sie können sicher sein, dass wir unsere Interessen dort deutlich vertreten werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist wie bei der Bundeswehr, wie bei Schar- ping!)

- Sie können das ja dann an den Ergebnissen im Rahmen des Länderfinanzausgleiches messen.

Ich sage noch einmal: Wir wollen uns an der Verfassungsklage nicht beteiligen, weil unsere Rechtsprüfung ergeben hat, dass diese Klage vermutlich nicht von Erfolg ist. Aber, Herr Kubicki: Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Wenn dieser Rechtsstreit positiv für die Länder ausgeht, gilt das natürlich in allen Bundesländern, auch in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Ich lasse über den Antrag der Fraktion der F.D.P. abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Dieser Antrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und F.D.P.

Aufgrund der Tatsache, dass wir mit diesem Tagesordnungspunkt sehr schnell durchgekommen sind, wage ich die Frage, ob wir noch die Punkte behandeln wollen, zu denen eine Aussprache nicht vorgesehen ist.

(Zurufe: Nein!)

Nein. Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.