Erfreulich ist, dass die Bereiche der Mitbestimmung erweitert werden. Umweltpolitik, Qualifizierung und Sicherung von Arbeitsplätzen sind wichtige Felder, die heute auch nicht mehr auszunehmen sind. Schließlich sind die Arbeitnehmer wesentlich an der Umsetzung von Beschlüssen in diesen Bereichen beteiligt. Durch die vorgeschlagene Regelung wird die bisherige Arbeit gestärkt und formal abgesichert. In vielen Betrieben ist das aber eigentlich nicht nötig, weil das dort schon so läuft.
Erfreulich ist ebenfalls, dass die Möglichkeit der Delegation von Aufgaben innerhalb der Arbeitnehmerschaft zugelassen wird. Es entspricht auch unserer Vorstellung von betrieblicher Mitbestimmung, dass die Betriebsräte Aufgaben an die Arbeitnehmer im Betrieb
delegieren können. Dies wird aber unter anderem von der IG Metall abgelehnt. Hier ist nach unserer Auffassung aufseiten der organisierten Unternehmerschaft die Gelegenheit versäumt worden, mehr Demokratie zu wagen.
Auch im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung sollte so viel Mitwirkung der Arbeitnehmer wie möglich direkt erfolgen. Die Legitimations- und Personalprobleme traditioneller Gremien gelten schließlich im Arbeitsleben ebenso wie in der Politik. Hier muss auch den veränderten Interessen der jungen Menschen entgegengekommen werden. Außerdem muss doch die Möglichkeit bestehen, die Kompetenzen flexibel zu verteilen. Es gibt schließlich auch Betriebe, in denen die Betriebsräte mehr Einfluss als nur den gesetzlichen bekommen und dafür andere Zuständigkeiten nach unten weitergegeben haben. Wer als Betriebsrat seine eigenen Aufgaben nach Absprache an andere weitergeben will, sollte dies auch dürfen. Solche Modelle dürfen nicht an bürokratischen Hemmnissen scheitern. Hier gibt der Gesetzentwurf nach unserer Ansicht aber nicht genügend Flexibilität.
Weitere begrüßenswerte Neuregelungen sind unter anderem, dass sich der Anteil an Mitarbeiterinnen auch im Betriebsrat widerzuspiegeln hat, die Berücksichtigung von Leiharbeitern und Telearbeitern beiden Geschlechts, das vereinfachte Verfahren zur Wahl des Betriebsrates, dass endlich auch die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten aufgegeben wird, weil dies überholte Kategorien einer Arbeitswelt sind, die sich längst weiterentwickelt hat.
Weil das Gesetz aber erst in erster Lesung im Bundestag beraten wird, gehen wir davon aus, dass es auch noch nicht seine endgültige Form gefunden hat. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen nachher wirklich kommen.
Wir können aber jetzt schon feststellen, dass mit diesem Gesetzentwurf keine bahnbrechende Reform angestrebt wurde. Den Antrag der F.D.P. lehnen wir ab.
Mit dem neuen Gesetzentwurf wird nämlich zumindest in Teilen eine Anpassung des jetzigen Betriebsverfassungsgesetzes an die heutige Lebenswelt erreicht. Das begrüßen wir ausdrücklich.
Mir liegen eine Reihe von Wortmeldungen zu Kurzbeiträgen vor, aber ich möchte zunächst Frau Ministerin Moser das Wort erteilen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der F.D.P.-Antrag enthält im ersten Absatz implizit eine völlige Fehleinschätzung der betrieblichen Mitbestimmung als Bestandteil unserer Wirtschaftsordnung, auch wenn Ihre Lippenbekenntnisse, Herr Dr. Garg und auch Herr Kayenburg, etwas anders klangen, und enthält vor allem eine maßlose Übertreibung hinsichtlich der möglichen Auswirkungen des Gesetzentwurfs zur Modernisierung und Weiterentwicklung der Mitbestimmung.
(Martin Kayenburg [CDU]: Sie wollen doch wohl nicht infrage stellen, was ich gesagt ha- be! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])
- Nein, nein, von einer akuten Existenzgefährdung der kleinen und mittleren Betriebe sprechen Sie. Davon sprechen die selbst nicht. Das wollen wir doch einmal festhalten.
Ich bin mir sicher, im konkreten Gesetzgebungsverfahren wird Ihnen dabei die Puste ausgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der zweite Absatz des Antrages unterstellt, die Landesregierung stehe in einem grundlegenden Dissens zu dem bisherigen Entwurf des Arbeitsministers beziehungsweise zu dem jetzt vorliegenden Kabinettsentwurf. Auch das ist falsch.
Soweit Sie damit die Äußerungen meines Kollegen, des Wirtschaftsminister Dr. Rohwer, meinen sollten, ist das ebenfalls maßlos übertrieben.
„Meine Forderung nach einer Überarbeitung des Gesetzentwurfs heißt nicht, dass ich Zweifel an der Substanz dieser Reform habe. Im Kernansatz ist sie gut und überfällig.“
Dem stimme ich als Arbeitsministerin ausdrücklich zu und fühle mich hier auch von manchen Redebeiträgen in diesem Haus bestärkt.
Warum sind wir gemeinsam der Auffassung, dass diese Reform gut und überfällig ist? - 1980 wurden noch rund 50 % aller Beschäftigten durch einen Betriebsrat vertreten. Heute sind es nur noch 36 %. Fazit daraus muss doch sein: Wahlverfahren und Freistellungsgrenzen sind nach 28 Jahren anzupassen. Das bedeutet vor dem Hintergrund dieser eben genannten Prozentzahlen nicht - wie behauptet - eine katastrophale Ausweitung der Mitbestimmung, sondern es zielt vielmehr darauf ab, dass die demokratischen Rechte von Beschäftigten - darauf liegt der Ton; es geht nicht um die Rechte von Funktionären und Gewerkschaften, sondern es geht um die demokratischen Rechte von Beschäftigten
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Martin Kayenburg [CDU]: Dann müssen Sie das Gesetz anders fassen!)
unter veränderten Betriebs- und Beschäftigungsformen durchsetzbar bleiben oder wieder werden und nicht unterlaufen werden können. Das ist der Ansatz der Reform.
30 Jahre ist das Gesetz fast unverändert geblieben. In dieser Zeit haben sich grundlegende Änderungen im Arbeits- und Wirtschaftsleben vollzogen. Andere Organisationsformen, andere Themen, andere Arbeitsweisen bestimmen heute die Betriebswirklichkeit.
Der Betrieb als zentrale Einheit unternehmerischen Handelns hat an Bedeutung verloren. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Stattdessen verlangt der Markt zunehmend flexible Einheiten, Kooperation zwischen Betrieben verschiedener Unternehmen und schnelle Entscheidungswege auch über die Grenze des Betriebes hinweg. Wer das ignoriert, gefährdet das Funktionieren nicht nur der betrieblichen Mitbestimmung, sondern auch das produktive Miteinander von Betriebsrat und Arbeitgeber. Ich finde im Übrigen den Kritikansatz, den die Abgeordnete Frau Hinrichsen hier gewählt hat, außerordentlich interessant. Wenn es Kritik zu üben gibt, dann in der Richtung, dass man die neue Wirklichkeit der Arbeits- und Betriebswelt noch nicht umfassend genug abbildet und entscheiden
de Schritte weiterhin anstehen werden. Aber beide Sozialpartner sind noch nicht so weit, dass sie dazu konkrete Vorstellungen entwickelt haben.
Wer unter Flexibilität immer nur die Biegsamkeit in eine Richtung, zugunsten einer Seite der Sozialpartner versteht, der ist ganz schief gewickelt,
(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Beifall des Abge- ordneten Lars Harms [SSW])
was die Entwicklung des Standortes Deutschland angeht. Das habe ich schon an die Adresse der F.D.P. gerichtet, als wir über den Teilzeitanspruch diskutiert haben. Damals wie heute verweise ich auf einen kleinen Nachbarn, diesmal die Niederlande, nicht Dänemark, ein Land mit hoher Beschäftigung und mit einem gesetzlichen Teilzeitanspruch sowie mit einer außerordentlich elaborierten Mitbestimmung. Ich drücke das bewusst einmal so akademisch aus.
Es dient also der Stärkung der Betriebsratsarbeit zum einen und gleichzeitig den Interessen der Unternehmen zum anderen - wie man an solchen Beispielen sieht -, dass wir die Betriebsverfassung den Gegebenheiten anpassen. Das geschieht unter anderem jetzt dadurch das ist schon gesagt worden -, dass die Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten im Wahlverfahren aufgehoben wird. Das ist etwas, was wir in allen anderen Bereichen längst vollzogen haben - nur noch nicht in der Organisation der Rentenversicherung. Aber das schaffen wir auch noch. Dazu gehört weiter, dass die Betriebsräte in bestimmten Themenbereichen gestärkt werden, die entscheidend wichtig sind: Qualifizierung und Beschäftigungssicherung. Das dient dem Unternehmenswohl und natürlich auch dem Abbau der Arbeitslosigkeit. In Sonntagsreden wollen wir das immer alle, dann müssen wir das auch im Betrieb umsetzen können.
Es geht um die Frauenförderung - ein Thema, das sowohl für die Betriebsverfassung selbst von entscheidender Bedeutung ist als auch Gegenstand verstärkter Mitwirkungsrechte wird. Es geht um die Einbeziehung der Tele- und Leiharbeiter in die Betriebsverfassung. Hier, Herr Dr. Garg, habe ich überhaupt kein Verständnis dafür, dass Sie das nicht mit vollziehen können. Das ist so ein konkreter, fassbarer Punkt, wo sich betriebliche Wirklichkeit und Beschäftigungswirklichkeit verändert haben und immer stärker verändern. Das
Es gehören dazu auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Auch solche Maßnahmen dürfen wir nicht nur feiertags fordern, sondern müssen sie auch werktags im Betrieb fördern.
Das Prinzip betrieblicher Verfassung als Ausdruck einer sozialen Marktwirtschaftsordnung gilt selbstverständlich in allen Betrieben, mit wie viel Beschäftigten auch immer. Dass dies von der Kostenseite und zum Teil auch von der Organisationsseite her einen kleineren Betrieb belasten kann, das soll man gar nicht schönreden. Das muss man in Rechnung stellen. Ich sage das bewusst so, denn es kommt auf eine vernünftige Kosten-Nutzen-Relation an, denn auch kleinere und kleine Betriebe profitieren vom Engagement eines Betriebsrates und der Beschäftigten. Jeder erfolgreiche Unternehmer weiß, wer heute einen Betrieb führen will, der wird um Beteiligung nicht herumkommen.
Deshalb ist es für die Betriebe entscheidend wichtig, dass diese Beteiligung zukunftsorientiert organisiert wird.