Ich erinnere mich daran, wie es sich einmal ein hoch renommierter Hamburger Verlag geleistet hat, den Verlag rechtlich in neun Teilfirmen zu zerlegen, um den Betriebsrat loszuwerden. Man braucht dann nur noch alle aktiven Gewerkschaftsmitglieder in ein dafür geschaffenes Miniunternehmen zu tun, das dann anschließend Konkurs anmeldet, und schon hat man einen gewerkschaftsfreien Laden. So geschehen!
Auch die Abschaffung der Trennung von Angestellten und Arbeitern im neuen Gesetz ist sicherlich überfällig in einer Zeit, in der in vielen Firmen die Arbeiter nur noch eine Minderheit der Belegschaft darstellen.
Ebenso begrüße ich die Erweiterung der Aufgaben des Betriebsrates auf Fragen der Gleichstellung und Diskriminierung.
Finden Sie das etwa überflüssig? - Ich nicht. Ich finde nicht, dass man davon sprechen kann, dass Frauen gleichberechtigt sind, wenn in der freien Wirtschaft Frauen auf gleichen Positionen im Durchschnitt immer noch fast ein Drittel weniger verdienen als Männer. Da stimmt doch etwas nicht!
Deshalb finde ich es richtig, dass die Betriebsräte in Zukunft entsprechend der Verteilung der Geschlechter im Betrieb quotiert zusammengesetzt werden.
Wichtig ist auch, dass die Vertretung der Jugendlichen und Auszubildenden neu geregelt und in ihren Rechten gestärkt wurde. Da heutzutage immer mehr Jugendliche erst mit über 18 in den Betrieb kommen, war nach der alten Regelung kaum noch jemand wahlberechtigt. Das musste dringend geändert werden.
Last, not least möchte ich gerade aus grüner Sicht erwähnen, dass in Zukunft der Betriebsrat auch für Fragen des betrieblichen Umweltschutzes zuständig ist.
Hier muss ich aber anmerken, dass die gefundene Regelung sehr unbefriedigend ist. Der Grund liegt darin, dass die Arbeitgeber befürchten, dass die Betriebsräte Einfluss auf Investitionsentscheidungen
bekommen könnten. Da besteht in der Tat ein Zielkonflikt, an dem konstruktiv gearbeitet werden muss.
Natürlich kann an dem Entwurf, den die Bundesregierung nun vorgelegt hat, noch gearbeitet werden. Das werden wir in den kommenden Wochen und Monaten auch tun. Aber was Sie hier an Fundamentalopposition vorgestellt haben, hat mit einem konstruktiven Umgang mit dem Gesetz nichts zu tun. Sie haben hier den gleichen Zirkus aufgeführt, den Sie schon 1972 bei der vorherigen Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes aufgeführt haben.
Da gab es genau die gleiche Debatte und da wurde der Untergang der deutschen Wirtschaft prophezeit. Heute verteidigen Sie genau jene Novelle.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zurufe der Abgeordneten Brita Schmitz-Hübsch [CDU] und Wolfgang Kubicki [F.D.P.])
Was Sie nicht begreifen, ist: Wer sich nicht darum kümmert, dass es eine wirksame demokratisch gewählte Interessenvertretung in den Betrieben gibt, provoziert Lohndumping, gesetzeswidrige Arbeitszeiten und wilde Streiks. Deshalb sage ich Ihnen: Wer keinen Klassenkampf will, der darf auch keinen provozieren.
Ich nehme durchaus ernst, was der Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins und der Bundeswirtschaftsminister angesprochen haben: Natürlich muss darauf geachtet werden, dass der Entwurf nicht zu einer besonderen Belastung von kleinen und mittleren Betrieben führt. Das ist eine sachliche Diskussion, der wir uns gern stellen.
Lothar Hay hat schon darauf hingewiesen, dass auch in einem Betrieb mit unter 200 Mitarbeitern natürlich die Betriebsräte für die Betriebsratsarbeit freigestellt sind. Die Frage, ob es einen voll freigestellten Betriebsrat geben muss, ist aus meiner Sicht nicht entscheidend.
Es sind auch andere Modelle denkbar. So könnten zum Beispiel Freistellungen temporär erfolgen, wenn Betriebsvereinbarungen oder Tarife vereinbart werden müssen. Es ist auch denkbar, dass externer Sachverstand direkt in den Betrieb geholt wird, um den Betriebsrat temporär zu unterstützen. Eine andere Möglichkeit bietet das neue Gesetz auch dadurch, dass
mehrere Betriebe, die örtlich zusammenliegen, betriebsübergreifend einen gemeinsamen Betriebsrat bilden können und so die Arbeit effektiviert wird.
Ich fasse zusammen: Das neue Gesetz ist eine passende Antwort auf die Veränderungen der Arbeitswelt in den vergangenen 30 Jahren. Die noch bestehenden Probleme im Gesetz können konstruktiv gelöst werden. Deswegen schließe ich mit einem Zitat von Erwin Vitt, Vorsitzender der Arbeitnehmer der CDU in der IG-Metall:
„Als Betriebspraktiker sind wir auf eine grundlegende Novellierung der Betriebsverfassung angewiesen und tief enttäuscht über die Blockadepolitik der CDU.“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach meinen Vorrednern, insbesondere Herrn Hay und Herrn Hentschel: Betriebsräte, noch nie waren sie so wertvoll wie heute. Das haben auch Ihre Aussagen bestätigt. Einerseits erfordern die strukturellen Umwälzungen in den traditionellen Wirtschaftszweigen die Mitwirkung der Beschäftigten. Nur so lassen sich die enormen Anpassungsleistungen erbringen, die heute erwartet werden, insbesondere von den Arbeitnehmern. Andererseits sind auch viele Unternehmen der New Economy mittlerweile so erwachsen geworden, dass dort eine betriebliche Mitbestimmung möglich sein muss. Die Mitarbeiter dort müssen dieselben Chancen haben, ohne dass die Firmen dadurch zu viel an erforderlicher Flexibilität einbüßen müssen.
Die Mitbestimmung, die ursprünglich aus der Montanindustrie kommt, muss sich dieser Herausforderung der modernen Wirtschafts- und Arbeitswelt stellen. Das Betriebsverfassungsgesetz ist seit zirka 1972 unverändert geblieben. Damals wussten wohl die wenigsten, wie man „New Economy“ oder „neue Arbeitszeitmodelle“ schreibt. Mit dem umstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung wird ausdrücklich die Anpassung an die heutige Wirklichkeit angestrebt.
Die Bundesregierung tritt an, die Mitbestimmung an die Veränderungen in der Arbeitswelt anzupassen. Das ist zunächst einmal zu begrüßen. Allerdings muss ich dazu gleich feststellen, dass der Entwurf diesem Anspruch nicht gerecht wird. Vor allem die Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes an die Bedürfnisse
der neuen Firmen ist nicht gelungen. Es gelingt nicht, sich von den Grundlagen des alten Mitbestimmungsrechts, den Wirtschaftsstrukturen der Industriegesellschaft nämlich, zu lösen. Das Fundament des Gesetzes ist auch weiterhin die Trennung von Arbeit und Kapital.
Obwohl sich auch heute sicherlich noch einiges vom seligen Karl Marx lernen lässt, müssen wir aber feststellen, dass sich dieser Gegensatz heute nicht weiter aufrechterhalten lässt. In der New Economy findet sich auch der selbstbestimmte Arbeitnehmer, der an den Produktionsmitteln teilhat. Dies muss auch berücksichtigt werden, wenn die Mitbestimmung für alle Wirtschaftszweige gleichermaßen Gültigkeit beanspruchen will.
Die Strukturen des Betriebsverfassungsgesetzes müssen an diese Realitäten angepasst werden. Das zu akzeptieren, fällt vielen schwer.
Es gibt aber viele neue Elemente des modernen Arbeitslebens, die es zu berücksichtigen gilt: Flachere Hierarchien, der Abbau von Entscheidungsebenen, die Einrichtung von Arbeitsgruppen mit eigenen Entscheidungskompetenzen, der Einsatz neuer Technologien, flexiblere Arbeitszeiten und Arbeitszeitmodelle müssen sich eigentlich im Gesetz widerspiegeln. Das gelingt jedoch unserer Ansicht nach nicht.
Im Kern wird das bestehende Gesetz auf so viele Betriebe wie möglich ausgedehnt. Das allein reicht aber nicht aus, denn es wäre auch eine grundlegende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem alten Recht an der Zeit gewesen. Es wäre notwendig, nicht nur ein bestehendes Gesetz zu ändern, sondern ein neues, zeitgemäßes Gesetz zu schaffen, das seinen Ausgangspunkt in den Gemeinsamkeiten der heutigen Unternehmen nimmt. Dies hat sich die Bundesregierung offensichtlich nicht getraut. Eine epochale Neuordnung - wie angekündigt - der Mitbestimmung in Betrieben findet hierdurch gewiss nicht statt.
Auf den großen Wurf müssen wir also weiterhin warten. Trotzdem gibt es in dem Entwurf der Bundesregierung viele Einzelpunkte, die wir als positiv bewerten: Wir begrüßen die Freistellung eines Betriebsrates in Betrieben ab 200 Beschäftigten. Die Aufregung der Opposition und der Wirtschaft über diesen Punkt ist unberechtigt.
Die angeprangerten Mehrkosten werden bei weitem nicht in dem behaupteten Umfang entstehen. Schon nach dem geltenden Recht können die Betriebsräte die für die Betriebsratsarbeit benötigte Zeit abrechnen.
Das ist leider in der gesamten Berechnung nicht berücksichtigt worden. Die neu entstehenden Kosten sind also erheblich geringer, als behauptet wird. Die aus der Unternehmerschaft genannten Horrorzahlen halten deshalb auch nicht stand.
Leider ist es aber so, dass die Arbeitgeber gerade in der Debatte über das Betriebsverfassungsgesetz eher alte Gräben aufreißen, als neue Wege der betrieblichen Zusammenarbeit zu finden. Die Härte in der Diskussion über die Kosten für die Betriebsratsarbeiten weckt die Befürchtung, dass die Betriebsräte auf Unternehmerseite wieder mehr als „Feind“ denn als Kooperationspartner gesehen werden.
Wenn aber unterstellt wird, dass die betrieblichen Beteiligten gänzlich unvereinbare Interessen haben, dann wird es immer schwieriger, gemeinsame Verhandlungsergebnisse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu erreichen. Mehr betriebliche Demokratie zuzulassen, wäre gerade jetzt ein Signal, das dazu führt, dass man künftig weiter auf Verhandlungen setzt und nicht zuerst auf den Arbeitskampf.
Die Forderung nach mehr Flexibilität gilt bestimmt nicht nur in Richtung der traditionellen Betriebsräte, sondern genauso viel gegenüber den Wirtschafts- und Unternehmensverbänden.
Positiv bewerten wir auch, dass bei Umstrukturierungen von Betrieben der alte Betriebsrat zunächst tätig bleiben soll. Dies ist gerade in Zeiten des Strukturwandels dringend nötig.