- Herr Kubicki, wir müssen doch sehen, dass wir Konsequenzen ziehen. Das, was Sie, lieber Kollege Claus Ehlers, eben gesagt haben, bestärkt mich in dem Verdacht, dass das Nachziehen von Politik - genau wie es in dieser Anfrage dargestellt wurde - immer nur so weit geht, wie die Enthüllungen kommen. Wir brauchen eine sehr viel offensivere Landwirtschaftspolitik, wenn wir das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurückgewinnen wollen. Wir können nicht wie eine Schnecke immer schrittweise hinter den Erkenntnissen und Enthüllungen in der Landwirtschaft
Dieses Vorsorgeprinzip muss zurzeit auch für die Schlachtung gelten. Ich halte es für fachgerecht und für durchaus sinnvoll, über die Frage von Kohortenlösungen zu diskutieren. In einer Situation aber, in der wir über die Infektionswege und Infektionsraten von BSE so wenig wissen, können wir überhaupt nicht sagen, wie groß die Infektion in den Herden ist, in denen BSE als Erkrankung in zwei oder drei Fällen aufgetreten ist, wo die Infektionsrate aber sehr viel größer sein kann.
In solchen Situationen ist es notwendig, den Weg weiterzugehen, den in Schleswig-Holstein auch die Landwirtschaftsministerin vertreten hat, nämlich zunächst die Bestandstötung weiter durchzuführen, bis wir mehr wissen. Das ist nicht etwas, was wir aus Spaß und Freude machen, sondern das tut uns allen in der Seele weh - wegen der Tiere, wegen der Landwirte.
Wenn wir Vertrauen schaffen wollen, müssen wir solche Vorsorgeprinzipien in den Vordergrund stellen in einem Stadium, in dem wir nicht ausreichend wissen, ob wir andere Lösungen präferieren können.
Dies gilt aber nur für die aktuelle Krisenbewältigung. Die Fragen, denen wir uns zu stellen haben, gehen weiter. Der Skandal in Bayern hat gezeigt, dass es nicht nur BSE-Probleme gibt. Da habe ich einen deutlichen Dissens zu dem, was die CDU gesagt hat. Claus Ehlers, es geht nicht darum zu sagen, dass im Ökolandbau auch BSE auftreten kann. Natürlich kann das so sein. Der Ökolandbau ist zurzeit nicht die Garantie. Es geht aber um die Strukturen. Wenn wir in eine andere Landwirtschaft wollen, in der solche Skandale eine sehr viel geringere Wahrscheinlichkeit haben, brauchen wir einen grundlegenden Wandel. Für mich stellt sich dieser grundlegende Wandel in der Bündnispolitik dar.
Wir haben leider heute in der Landwirtschaft - das führte sehr häufig zu diesen Skandalen - ein sehr enges Bündnis zwischen den Produzenten, den Landwirten, und der sie beliefernden Industrie. Wir müssen den Perspektivwandel hinkriegen, dass das primäre Bündnis der Bauern mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern besteht.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und Beifall des Abge- ordneten Lars Harms [SSW])
Deshalb müssen wir eine Landwirtschaft weiterentwickeln, in der sich Verbraucherinnen und Verbraucher aufgehoben fühlen, in der Transparenz da ist. Wir unterscheiden uns wohl nicht an dieser Stelle, was Kennzeichnung, auch was Qualitätssiegel wie etwa das Gütesiegel angeht. Darüber werden wir uns im Ausschuss noch ausführlich unterhalten. Wir brauchen solche Qualitätssiegel.
weil die regionale Vermarktung und die regionale Produktionsstruktur genau das will, was wir als Ziel definieren, nämlich dass kurze, transparente, nachvollziehbare Wege und Strukturen für den Verbraucher da sind. Das ist ein zentrales Ziel, das wir in Zukunft erreichen müssen. Ich bin sehr dafür, dass so etwas wie ein Gütesiegel auch in Schleswig-Holstein weiter existiert.
Wir haben aber objektive Rahmenprobleme. Sie wissen, dass es eine Klage vor dem EuGH gibt, in der diese Form staatlich subventionierter Regionalförderung der Landwirtschaft beklagt wird - mit großer Aussicht auf Erfolg. Deshalb sind wir als Landesregierung gut beraten, uns aus der institutionellen Förderung zu verabschieden.
Das heißt für mich aber nicht, dass wir die Förderung dieses Qualitätssiegels und der dahinter stehenden Inhalte reduzieren. Ich bin vielmehr dafür, dass wir die Gütesiegelkennzeichnung weiterhin auf Landesebene unterstützen, dass wir Projekte in diese Richtung fördern, dass wir Zertifizierungen von Unternehmen durchführen. Da ist der Umweltminister in der Vergangenheit zuständig gewesen und hat auch in diesem Bereich bereits zertifiziert. Dies sollten wir weiter staatlich unterstützen.
Wir sollten gerade die Betriebe in Schleswig-Holstein unterstützen, die bewusst ein höheres Niveau an landwirtschaftlichen Produkten herstellen wollen, was nachprüfbar ist, was kontrolliert wird, was zum Beispiel Kriterien wie flächengebundene Tierhaltung beinhaltet. Wenn wir als Landesregierung ein Interesse daran haben, dass solche Strukturen ausgebaut werden, können wir genau diese Betriebe nicht im Regen stehen lassen. Das Schlimmste an dieser Krise wäre, wenn die mittelständischen Lebensmittelverarbeiter, die sich solchen Qualitätssiegeln verpflichtet fühlen, aufgrund der Strukturen, die wir jetzt haben, „über den
Jordan“ gingen. Das ist eine reale Gefahr. Deshalb kann sich das Land hier nicht aus seiner Verantwortung lösen.
Der Ökolandbau ist für die Grünen - das wissen Sie das Leitbild ihrer Landwirtschaftspolitik. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass dieses Prinzip von Landwirtschaftspolitik, das eine artgerechte Tierhaltung beinhaltet, das einen vorsorgenden Bodenschutz beinhaltet, dass dieser Anteil des ökologischen Landbaus drastisch erhöht wird.
Ich bin nicht damit zufrieden, wenn Ökolandbau weiterhin ein profitabler Nischenerwerb in der Landwirtschaft ist. Ökologischer Landbau muss immer stärker zur Grundlage der Landwirtschaft werden. Wir werden das nicht erreichen, indem wir nur Prozentzahlen vorgeben. Da bin ich mit Herrn Wodarz einer Meinung. Wir müssen uns aber Ziele setzen, diesen Bereich auszubauen.
Die Landesregierung wird auch daran gemessen werden, wie sie im nächsten Jahr Mittel für ökologischen Landbau in den Haushalt einstellt. Denn ökologischen Landbau kann man, wie andere Landwirtschaft auch, nur fördern, wenn man Zielsetzungen auch, was die Fläche angeht, in Haushaltsansätzen quantifiziert.
Trotz all der schönen Reden, die wir hier jetzt halten, sind wir - das muss man ehrlicherweise sagen - immer noch eher im Stadium der Krisenbewältigung, als dass wir Konturen einer zukünftigen Landwirtschaftspolitik soweit operationalisiert hätten, dass sich das im Haushalt niederschlägt. Das ist es, was die Menschen von uns erwarten, nämlich dass wir neben dieser aktuellen Krisenbewältigung Perspektiven aufzeigen, aufzeigen, wohin es gehen soll.
Das heißt, dass wir dazu kommen müssen, die Umstellung sowohl der Förderprogramme wie gerade auch der Investitionsprogramme in der Landwirtschaft Schritt für Schritt zu betreiben. Es kann doch nicht sein, dass wir Jahr für Jahr Hunderte von Millionen DM Steuergelder in die Landwirtschaft in SchleswigHolstein hineinpumpen - ich sage, auch zu Recht -, dass sich aber dann jemand wie Claus Ehlers hier hinstellt und sagt: Wir Bauern wollen allein entscheiden, was wir mit dem Geld machen.
Nein, das sind Steuergelder. Lieber Claus Ehlers, da hat die Politik ein Mitspracherecht, in welche Richtung diese Steuergelder eingesetzt werden sollen und welche Landwirtschaftspolitik wir machen wollen.
Jeder Bauer kann das machen, was er will. Förderung aber soll er nur für das erhalten, was im Interesse dessen ist, was Politik mehrheitlich definiert.
Es geht für uns - das sage ich hier auch ganz deutlich, um alle Missverständnisse auszuräumen - nicht nur darum, den Ökolandbau auszubauen und zu verstärken. Das ist ein Ziel. Es geht darum, die Landwirtschaft grundsätzlich zu ökologisieren, wie FriedrichCarl Wodarz das hier auch gesagt hat.
Es kann doch nicht darum gehen, für 10 % oder 20 % der Landwirte eine Perspektive anzubieten und den anderen zu sagen: Ihr könnt weitermachen wie bisher. Nein, darum kann es nicht gehen. Es muss um eine grundsätzliche Umstellung in allen Bereichen der Landwirtschaft gehen. Das gilt nicht nur für die Tierproduktion, aber eben auch da.
Zurzeit entsteht der Eindruck, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mehr so viel Rindfleisch essen, weil sie Angst davor haben. Das ist mir in vielen Gesprächen auch begegnet. Viele sagen, sie weichen lieber auf Hähnchenfleisch oder Putenfleisch aus. Wenn diese Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich sehen würden, wie dieses Fleisch produziert wird! Massentierhaltung gibt es in der Rinderhaltung so gut wie gar nicht. Massentierhaltung gibt es bei Hähnchen, gibt es bei Puten und in Teilen bei Schweinen; das wissen wir. Kommen wir in eine Situation, in der den Leuten deutlich wird, dass sie mit dem Verzehr der Hähnchen ihren Arzneimittelvorrat im Körper für das nächste halbe Jahr gespeichert haben, werden wir dort den nächsten Skandal haben - wie jetzt bei den Schweinen auch.
Deshalb geht es darum, landwirtschaftliche Strukturen zu schaffen, die dies grundsätzlich verändern, die die Tierhaltung an die Fläche binden, die den Tierhaltern die Möglichkeit geben, Futtermittel auf ihren Höfen anzubauen. Deshalb ist eine Richtzahl von etwa zwei Großvieheinheiten pro Hektar der Betriebsgröße sinnvoll. Dann nämlich kann das Futter auf dem Betrieb selbst angebaut werden. Das wäre eine Perspektive für eine bäuerliche Landwirtschaft, die diesen Namen auch verdient. In diese Richtung wollen wir. In diese Richtung werden wir aber nur können, wenn wir eine Reihe von Strukturen verändern.
Einen Aspekt möchte ich hier gern noch ansprechen. Politik hat in letzter Zeit, gerade was die Landwirtschaft angeht, immer den Skandalen hinterherhechelt. Das, was wir beim Einsatz von landwirtschaftlichen Methoden brauchen, ist etwas, was in der Forschung schon lange diskutiert wird, nämlich das, was unter dem Stichwort Technikfolgenabschätzung läuft.
Das, was wir für den Einsatz von landwirtschaftlichen Produktionsmethoden und die Veränderung sowie den Einsatz von Zusatzstoffen in der Landwirtschaft brauchen, ist eine sehr viel stärkere wissenschaftliche Kontrolle, eine Technikfolgenabschätzung, damit wir nicht immer den Skandalen hinterher rennen, sondern vorher schon wissen, was auf uns zukommt.
Wir brauchen darüber hinaus sicherlich ein viel härter greifendes Strafrecht in diesem Bereich; denn diese Skandale kommen nicht nur in Bayern vor. Die Bayern sagen ja selber - ich habe es gestern von Herrn Stoiber auch gehört -, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur in Bayern diese Skandale gibt, sondern dass sie auch woanders in Deutschland auftreten können, auch in Europa.
Wenn wir mit der Vergiftung von Lebensmitteln, der Beschädigung von Menschen durch den vorsorgenden Einsatz von Antibiotika, was dazu führt - das muss man sich doch vor Augen halten -, dass Menschen, die auf Antibiotika angewiesen sind, in ihrer Behandlung zutiefst geschädigt werden, dass sie kranker werden, dass sie zum Teil auch sterben können, weil diese antibiotischen Behandlungen bei ihnen nicht mehr anschlagen,
- ich komme zum Schluss, Herr Präsident -, wenn wir mit einer solchen Produktion von Lebensmitteln weitermachen, dann ist der Staat in einer absoluten moralischen Klemme. Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir das Strafrecht in diesem Bereich verschärfen.
In der Landwirtschaft gibt es nicht nur Opfer - es gibt auch Opfer -, sondern es gibt Leute, die mit den Lükken im Strafrecht Geld verdient haben, und es gibt Leute, die das Risiko eingehen, weil das Risiko der Strafverfolgung relativ gering ist.