Protocol of the Session on January 24, 2001

Das Stichwort von der „gläsernen Produktion“ ist mittlerweile in aller Munde. Setzten wir diese Forderung also um, und zwar umgehend! Die lückenlose Herkunftskennzeichnung ist bei uns schon heute durchführbar. Warten wir nicht auf eine EU-Richtlinie oder ein Bundesgesetz - was natürlich kommen muss; ich will hier nicht missverstanden werden -, sondern handeln wir bis dahin freiwillige Vereinbarungen aus, die es ja schon gibt.

Unlängst hörte ich von einer Erzeugergemeinschaft, die sich zu sehr strikten Qualitätsstandards verpflichtete. Jedes Mitglied musste einen Wechsel über 20.000 DM hinterlegen, der bei einem Richtlinienverstoß sofort fällig wird. Bislang wurde ein Wechsel fällig. Zu einer solchen Erzeugergemeinschaft hätte ich Vertrauen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Landwirte, die unerlaubte Antibiotika eingesetzt haben, sind kriminell. Diese „Herrschaften“ wussten, was sie tun. Ich akzeptiere nicht die entschuldigenden Kommentare, der scharfe Wettbewerb zwinge sie zu solchen Maßnahmen. Viele gesetzestreue und wirtschaftlich erfolgreiche Landwirte beweisen das Gegenteil.

(Beifall bei der SPD)

Der Wettbewerb ist immer scharf, und Wettbewerb führt immer zu Verdrängung. Das ist ein marktwirtschaftliches Prinzip. Dies rechtfertigt oder entschuldigt kein Handeln, das die Gesundheit von Verbrauchern gefährdet.

(Beifall bei der SPD)

Doch auch die rechtschaffenen Landwirte wissen oft nicht, was sie an ihre Tiere verfüttern. Wie die Lebensmittel so müssen auch die Futtermittel klar und vor allen Dingen verständlich deklariert sein. Wer einmal eine solche Deklaration gelesen hat, fragt sich manchmal, ob sie wirklich jedem verständlich ist.

Einen breiten Raum nimmt die Frage nach dem Umfang des Ökolandbaus in der Diskussion ein. Für die SPD in Schleswig-Holstein darf ich formulieren: Ich lehne jede Festlegung auf eine konkrete Zahl ab.

(Beifall bei der SPD)

Wenn in dem Wille-Papier von einem 20-prozentigen Anteil der Ökolandwirtschaft an der Gesamtproduktion die Rede ist, so spricht der Staatssekretär mittlerweile von einem möglichen Potenzial in dieser Größenordnung. Damit kann ich umgehen, das mag ange

(Friedrich-Carl Wodarz)

hen. Ein Gradmesser in nicht erreichbaren Prozentanteilen würde nur enttäuschen sowie eine positive Entwicklung verschleiern

(Beifall bei der SPD)

und könnte von den konventionell wirtschaftenden Landwirten als Diskriminierung verstanden werden. Das wollen wir nicht.

Ansonsten wollen und müssen wir die Rahmenbedingungen für den Ökolandbau verbessern und hoffen, dass der Markt dies annimmt. Dazu gehört es aber auch, dass Ökoprodukte professioneller beworben werden. „Öko“ muss heraus aus der Nische! „Öko“ ist gesund und modern, aber kein Produkt, das man mit Lustfeindlichkeit, Esoterik oder Besserwisserei verbindet.

(Beifall bei SPD und F.D.P.)

„Öko“ muss als Alternative aber auch präsent sein, und zwar in allen Läden und Supermärkten. Verkaufskampagnen, die den regionalen Bezug der Produkte betonen, wurden in Schleswig-Holstein schon recht erfolgreich durchgeführt. Diese sollten mit Ökoprodukten verbunden werden. Ich erwarte hier von den beteiligten Verbänden aber auch, dass sie unter den Berufskollegen verstärkt über ihre Wirtschaftsweise aufklären, und zwar - ich wiederhole - ohne Besserwisserei und ohne Vorwürfe. Ich habe oft eine große Unwissenheit über ökologische Produktionsmethoden bei konventionellen Landwirten feststellen können. Man kann auch einmal voneinander lernen.

(Beifall bei der SPD)

Hier fordere ich eine deutliche Wende in Lehre und Forschung ein; denn die neue Ausrichtung der Landwirtschaft ist eine langfristige Aufgabe. Weder unsere Fachhochschule noch die Universität haben sich bisher in ausreichender Weise der Lehre des ökologischen Landbaus gestellt.

(Claus Ehlers [CDU]: Das stimmt doch nicht!)

Ich habe - im Gegenteil - von Studenten erfahren können, dass diese Produktionsmethode belächelt und allenfalls als Nischenproduktion angesehen wird. Ökolandbau als interdisziplinäres Prinzip ist mittlerweile verstanden worden, Herr Ehlers - insofern relativiere ich das und verweise auf den Lindhof -, aber noch lange nicht umgesetzt worden.

(Beifall bei der SPD)

Gleiches gilt für die Berufsschulen. Ich fordere in diesem Zusammenhang zum wiederholten Male neue und verbindliche Lehrpläne.

Unabhängig von der so genannten reinen Lehre muss ein natur- und umweltverträgliches Wirtschaften in der Landwirtschaft und in der Ernährungswirtschaft Produktionsprinzip sein. Ein zentraler Punkt dabei wird die Prämienpolitik sein. Grundsätzlich sollten sich Prämien an der Fläche und nicht an der Menge der Produkte orientieren.

Wir werden aber auch zu einem neuen Konsens kommen müssen, wie „gute fachliche Praxis“ zu definieren ist. Der Aufschrei in diesem Landtag - insbesondere von Ihnen, Frau Kollegin Happach-Kasan - über das Diskussionspapier des Ministeriums und der Kammer war schon entlarvend. Der Begriff „gute fachliche Praxis“ darf nicht beliebig interpretiert werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden ihn regional unterschiedlich auslegen müssen - allerdings nicht so, wie die bayerische Politik es zurzeit macht. Es wird vordringlichste Aufgabe sein, ein System zur Bewertung und Honorierung von ökologischen Leistungen aufzubauen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Natur- und umweltverträgliche Landbewirtschaftung sowie eine artgerechte und flächengebundene Tierhaltung werden sehr wichtige Parameter sein.

Die Silomaisprämie ist nur ein agrarpolitischer Unsinn, den es umgehend zu beseitigen gilt und der durch eine Prämie zu ersetzen ist, die Grünland oder den Anbau von eiweißhaltigen Futtermitteln fördert. Hier, Frau Happach-Kasan, sind wir wieder auf einer Linie.

Ich betone auch an dieser Stelle: Wir lehnen die Verfütterung von gentechnisch veränderten Futtermitteln ab. Wenn diese verwendet werden, muss auch auf dem Endprodukt, das heißt auf dem Fleisch, eine verständliche und vollständige Deklaration erfolgen.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion ist davon überzeugt, dass wir eine gesunde Nahrungsmittelproduktion nur über eine Ökologisierung der Landwirtschaft erreichen werden.

Neben neuen Standards bei der Vergabe von Qualitätssiegeln der Lebensmittel sollten sich auch mehr Betriebe einem Umwelt-Audit-System unterwerfen. Wir stellen dafür Mittel bereit, und die Landesregierung hat meines Wissens bislang keinen Antrag auf ein Umwelt-Audit abgelehnt. - Stimmt!

Wir sollten das Instrument der Ländlichen Strukturund Entwicklungsanalysen - LSE - zukünftig verstärkt nicht nur im Sinne der Agenda 21, sondern auch im Sinne der Agenda 2000 nutzen.

Ich kann mir sehr gut Projekte vorstellen, die die Einrichtung von Ökobetrieben oder die Umstellung von

(Friedrich-Carl Wodarz)

konventionellen Betrieben einbeziehen. Hier könnte ein Diskurs geführt werden, der alle Betroffenen einbezieht und Akzeptanz vor Ort schafft. Wenn mir ein Ökobauer erzählt, dass er seit der Umstellung seines Betriebes bei seinem Skatklub nicht mehr gelitten ist, dann kann das wirklich nicht das letzte Wort sein.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Vielleicht spielt er schlecht Skat!)

In einer Denkschrift der Robert-Koch-Stiftung wird von „subsidiärer Organisation von Entscheidungsprozessen“ gesprochen, wobei die Mitwirkung und Mitentscheidung der Betroffenen - in unserem Falle Landwirte, Verbraucher, Verarbeiter, die Gemeinde und so weiter -, die ein Umweltproblem durch ihr Verhalten oder Handeln schaffen und es durch Änderungen von Verhalten und Handeln beseitigen sowie begrenzen können, eine wesentliche Ausgestaltung der Subsidiarität darstellt. Dieses sehr wissenschaftlich formulierte Postulat kann in unseren bewährten LSE verwirklicht werden. Ich schlage daher vor, dass wir diese Idee in einigen ausgewählten Referenzprojekten realisieren.

Ich kann mir dies sehr gut in Trenthorst/Wulmenau in Stormarn vorstellen, wo demnächst zirka 300 ha einer neuen Nutzung zugeführt werden. Das Forschungsinstitut wäre als Kompetenzzentrum eingebunden. Gleiches könnte ich mir in der Region des Lindhofes vorstellen.

Wenn der Kollege Feddersen, den ich im Augenblick nicht sehe,

(Zuruf von der CDU: Er ist beurlaubt!)

auf Pellworm das wahrmachte, wozu er sich verbal so gern bekennt, so könnte ich mir die dort anlaufende LSE genau in diesem Sinne vorstellen, zumal der Anteil ökologisch produzierender Landwirte mit 12 % auf Pellworm sehr hoch ist. Der Pellwormer Stand auf der „Grünen Woche“ - alle Mitglieder des Agrarausschusses haben das miterlebt - ist sehr sympathisch und meines Erachtens ein guter Werbeträger.

(Beifall bei SPD und CDU)

Lassen wir also den ökologischen Landbau auf der Insel Pellworm nicht zu einem Werbegag verkommen!

Die Diskussion über einen verbesserten Verbraucherschutz wird zurzeit im Wesentlichen unter dem Eindruck der BSE-Krise geführt. Die erneuten Futtermittelskandale führen uns drastisch vor Augen, dass die Probleme komplexer sind, zum Teil kriminelle Strukturen aufweisen und es im Wesentlichen um das Verdienen „schnellen“ Geldes geht. Der Verbraucher spielt bei diesen Leuten keine schutzwürdige Rolle.

Unabhängig von der Betriebsgröße - das betone ich gibt es in fast allen Bereichen der Tierproduktion Handlungsbedarf, den wir mit unserem Antrag ebenfalls ansprechen wollen. Das Problem der legalen und illegalen Verwendung von antibiotischen Leistungsförderern und die prophylaktische Verabreichung von antibiotischen Arzneimitteln ist allen bekannt - nicht nur in der Schweinemast, sondern auch in der Geflügelmast. Das Tierschutzgesetz verbietet so genannte Qualzüchtungen, und man regt sich trefflich über Taubenzüchter auf, die - so gebe ich gern zu eine etwas eigenartige Schönheitsvorstellung haben und Tiere züchten, die in der Wildbahn nicht überlebensfähig sind. Mir erscheint es jedoch wichtiger, dass wir über die millionenfachen Qualzüchtungen in der Hähnchen- und Putenmast sprechen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Diese unnatürlichen Hybridzüchtungen leiden oft Höllenqualen und werden in den seltensten Fällen ohne Antibiotika aufgezogen. Jeder weiß das, aber niemand handelt!

Da ich davon ausgehe, dass alle Anträge zur Beratung dem Agrarausschuss überwiesen werden und wir heute nicht in der Sache abstimmen, möchte ich der CDU Folgendes mit auf den Weg geben. Mit einigen Punkten Ihres Antrages kann ich mich sehr wohl einverstanden erklären. Die einzelnen Maßnahmen sind in Ordnung, doch vermisse ich bei Ihnen den Willen oder die Vorstellung für eine grundsätzliche Neuorientierung. Sie greifen zu kurz und verharren im alten System.

Dafür typisch ist meines Erachtens, dass Sie in alter Bauernverbandstradition zunächst einmal die Übernahme zusätzlicher Kosten durch den Staat fordern. Es ist wirklich interessant: Der Partei, die doch immer die Marktwirtschaft so vehement gegen die Sozialdemokratie zu verteidigen bereit ist, fällt nichts weiter ein, als abgewirtschaftete planwirtschaftliche Instrumente zu fordern.