Protocol of the Session on May 10, 2000

von Experten sind erst bei einem Wirtschaftswachstum von mindestens 2,8 % positive Arbeitsplatzeffekte zu verzeichnen. Da auch in Zukunft pro Jahr kaum viel höhere Wachstumsraten zu erwarten sind, müssen wir also weiterhin Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem zweiten Arbeitsmarkt schaffen.

Vor diesem Hintergrund wird der SSW darauf drängen, dass sich die Landesregierung in den kommenden fünf Jahren auch für die Stärkung des zweiten Arbeitsmarktes einsetzt. Ein aktuelles Beispiel aus Flensburg zeigt das Bedürfnis für eine Arbeitsmarktpolitik, die Ausbildung und Qualifizierung von arbeitslosen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Im Arbeitsamtsbezirk Flensburg konnten im Frühjahr dieses Jahres trotz 15.000 registrierter Arbeitsloser fast 2.000 Stellen nicht besetzt werden. Ursache war angeblich mangelnde Qualifikation der Arbeitslosen.

Dieses Beispiel zeigt, dass Arbeitslose nicht links liegen gelassen werden dürfen. Sie müssen ausgebildet und fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Anders formuliert: Aus Sicht des SSW gehört es zur Verantwortung eines modernen Sozialstaates, durch Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung aller Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, dass Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zusammenpassen. Wir wollen nicht nur einen flexiblen Arbeitsmarkt, wir wollen auch einen räumlichen Arbeitsmarkt. Dabei ist es für den SSW entscheidend, dass die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung ernst genommen wird.

(Beifall bei SSW und SPD)

Unsere Wissens- und Informationsgesellschaft fordert die Weiterbildung in allen Ausprägungen heraus, denn die Lebenschancen der einzelnen Menschen hängen zunehmend vom Wissen ab, ebenso wie Wissen Politik und gesellschaftliche Entwicklung prägt.

(Beifall beim SSW)

Der SSW begrüßt, dass die Landesregierung noch in der letzten Legislaturperiode - zusammen mit den Trägern der Weiterbildung - ein Weiterbildungskonzept erarbeitet hat.

Wir bedauern aber, dass dadurch ein eigentliches Weiterbildungsgesetz in Schleswig-Holstein in weite Ferne gerückt ist. Dabei ist Schleswig-Holstein neben Sachsen weiterhin das einzige Flächenland ohne Weiterbildungsgesetz. Für den SSW galt von Anfang an, dass das Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz nur ein erster Schritt sein könnte. Dort wird das Recht auf Weiterbildung festgeschrieben und das ist auch gut so. Dass dies längst nicht mehr ausreicht, machte die Debatte um den Bericht der Landesregierung zum Bildungsurlaubsgesetz in der letzten Legis

(Anke Spoorendonk)

laturperiode deutlich. Ein Weiterbildungsgesetz ist immer nur die zweitbeste Lösung. Wir meinen deshalb, um weiterzukommen, sollte das rheinlandpfälzische Weiterbildungsgesetz, das ein neues und modernes Gesetz ist, für Schleswig-Holstein ernsthaft geprüft werden.

In diesem Zusammenhang ist die Einführung der Green Card, um ausländische Computerexperten anzuwerben, eigentlich ein Armutszeugnis der bundesdeutschen Bildungspolitik und nicht zuletzt auch der bundesdeutschen Wirtschaft. Wie erklären wir beispielsweise den knapp 800 arbeitslosen Computerexperten in Schleswig-Holstein diese Entwicklung? Eines ist klar, das Thema eignet sich überhaupt nicht für billigen Populismus à la Rüttgers. Den lehnt der SSW entschieden ab.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Green-Card-Initiative darf aber nur eine Übergangslösung sein, um den aktuellen Mangel an Spitzenkräften zu überwinden, weil wir gleichzeitig sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene Anstrengungen unternehmen müssen, um die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen besser an die Anforderungen der Informationsgesellschaft anzupassen. Langfristig betrachtet geht kein Weg an einem Einwanderungsgesetz vorbei. Wir brauchen ein Gesetz, das sowohl die aktuelle Situation und die kurz- und längerfristige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt als auch das Zuwanderungsverfahren reguliert und vereinfacht - das alles bei gleichzeitiger Beibehaltung des Asylrechts. Wir werden uns dazu noch äußern.

(Vereinzelter Beifall bei SSW und SPD)

Die aktuelle Green-Card-Diskussion führt uns leider auch vor Augen, dass wir in den 90-er Jahren zum Teil den Anschluss an die so genannte Neue Ökonomie das heißt die Informationstechnologie und das Internet - verschlafen haben.

(Günter Neugebauer [SPD]: Wer war eigent- lich Zukunftsminister?)

Gerade im Bereich dieser so genannten Neuen Ökonomie zeigt sich am deutlichsten, wie schnell eine neue Technik unsere Gesellschaft spalten kann. Man spricht bereits von einem digitalen Graben, also von denen, die „drin“ sind, und denen, die das Internet nur aus Zeitungen und Fernsehen kennen. Da kann es nicht verwundern, dass es heißt: Nur wer mit Computer und Internet umgehen kann, hat noch Zukunft. Deshalb muss es ein vordringliches Ziel sein, dass unsere Schülerinnen und Schüler schnellstmöglich alle einen PC- und Internet-Anschluss bekommen.

(Beifall der Abgeordneten Heinz Maurus [CDU] und Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

In diesem Bereich gibt es eine Landesinitiative, die gemeinsam mit Unternehmen versucht, dieses Ziel zu erreichen. Wenn man sich die aktuelle Situation in unseren Klassenzimmern ansieht, muss man aber feststellen, dass der ganz große Wurf in dieser Frage noch immer nicht gelungen ist. Gleiches gilt natürlich auch für die Unterrichtssituation an unseren Schulen.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Dabei unterstützt der SSW die Forderung nach mehr Lehrerinnen und Lehrern an unseren Schulen. Die möglichen 1.500 Neueinstellungen sind eigentlich nur das Minimum, das notwendig ist, um den Status quo aufrechtzuerhalten. Was wir nicht unterstützen, ist die Einführung eines Abiturs nach zwölf Jahren, wenn das die einzige Strukturreform in unserem Schulwesen sein soll.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der F.D.P.)

Weil ich Applaus bekommen habe, möchte ich noch einmal deutlich machen, dass es für den SSW darum geht, das Schulwesen von unten zu reformieren. Unser Anliegen ist immer noch die Einführung der sechsjährigen Grundschule. Hier dürfen Sie auch klatschen.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Die aktuelle Situation an der CAU Kiel zeigt uns, wie es um die finanzielle Ausstattung unserer Hochschulen steht.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Traurig!)

Allerdings stimmt es natürlich nachdenklich, wenn der Landesrechnungshof in seinem jährlichen Prüfungsbericht gerade im Bereich der Hochschulen viele finanzielle Unzulänglichkeiten und Schlampereien entdeckt.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Es deutet also vieles darauf hin, dass auch die Hochschulen darin besser werden müssen, sich auf eine veränderte Umwelt einzustellen. Dazu gehört, dass interne Strukturen und Verhaltensweisen ernsthaft auf den Prüfstand gestellt werden. Das gilt nicht zuletzt auch in der Vermittlung von Wissen zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft. In diesem Bereich betritt Schleswig-Holstein mit dem so genannten Multimedia-Campus einen interessanten neuen Weg in der Bildungs- und Technologiepolitik. Der Multimedia-Campus kann neues Leben in die traditionelle Hochschullandschaft bringen. Allein durch die Aus

(Anke Spoorendonk)

schreibung dieses Projektes sind an vielen Standorten in Schleswig-Holstein viel versprechende regionale Initiativen in Gang gesetzt worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird Sie nicht verwundern, dass sich der SSW als regionale Partei für den Standort Flensburg stark macht. Viel wichtiger ist es aber, dass die jetzt begonnenen Initiativen bei den Bewerbern vor Ort auch dann weitergeführt werden, wenn sie nicht den Zuschlag bekommen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir erwarten, dass die Landesregierung diese regionalen Initiativen unterstützt und eine landesweite Vernetzung des Multimedia-Campus mit den möglichen anderen Standorten erleichtert. Das ist das wirklich Wichtige und Interessante.

Für den SSW ist es darüber hinaus von großer Bedeutung, dass sich die Landesregierung gerade im Rahmen der Technologiepolitik weiterhin dafür einsetzt, regionale Schwerpunkte - nicht zuletzt auch im Landesteil Schleswig - zu fördern. Dass es weiter Nachholbedarf gibt, zeigt das Ergebnis eines Hightech-Tests der Regionen in der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“. Hier schnitt der Landesteil Schleswig mit seinem 76. Platz von 97 weit abgeschlagen hinter den anderen Regionen SchleswigHolsteins ganz schlecht ab.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Dank des SSW!)

- Nein, gäbe es den SSW nicht, würde es noch schlechter aussehen.

(Beifall beim SSW)

Dabei hat es in den letzten Jahren viele Fortschritte gegeben. Stichworte sind hier - ich belege es gleich die Errichtung des Technologiezentrums Flensburg, das Innovationscenter in Niebüll und natürlich auch die Ansiedlung von Motorola. In diesem Zusammenhang war es sehr wichtig für die ganze Region, dass Flensburg endlich als Universitätsstandort anerkannt wurde. Hier kommt die Bedeutung des SSW zum Tragen. Die Universität Flensburg kann nun an ihrem Profil weiter arbeiten und ihre Studienangebote attraktiver gestalten. Der SSW erwartet, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den dänischen Hochschulen ausgebaut und intensiviert wird. Und wir erwarten auch von der Universität Flensburg, dass sie das als Chance sieht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Überhaupt wird es für die Entwicklung des Landesteils Schleswig in den nächsten Jahren sehr entscheidend sein, dass eine Verbesserung der grenzüberschreiten

den Zusammenarbeit erreicht wird. Dabei wünscht sich der SSW mehr konkrete Projekte vor Ort - sozusagen aus der Region für die Region.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU])

Dazu sollte man durchaus die Expertise im bestehenden Regionskontor nutzen und ausbauen, um verstärkt pragmatische Hilfen unter anderem für die Grenzpendler geben zu können.

Dabei scheint eines klar: Die Fehmarnbelt-Querung wird so oder so kommen. Das geht aus der Regierungserklärung eindeutig als Ziel der Landesregierung hervor und die ersten privaten Bauherrenkonsortien stehen schon in den Startlöchern. Dänische und schwedische Unternehmen wissen, dass diese Querung kommen wird. Da soll man sich nichts vormachen. Auch wenn die Querung unter Umständen erst in zehn Jahren fertig gestellt wird, so bekommt dadurch die Regionalpolitik Schleswig-Holsteins schon heute eine neue Dimension. Bereits heute hat die Zusammenarbeit mit der Hansestadt Hamburg für SchleswigHolstein laut Regierungserklärung höchste Priorität. Eine Verwirklichung der Fehmarnbelt-Querung würde die wirtschaftliche Entwicklung rund um die Achse Hamburg-Kopenhagen-Malmö zusätzlich stärken.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Dadurch würde sich der Abstand zwischen den wirtschaftlich starken Gebieten am Hamburger Rand einschließlich der Landeshauptstadt Kiel - und dem nördlichen Landesteil weiter vergrößern. Damit all dies nicht zulasten der strukturschwachen Regionen geschieht, fordert der SSW die Landesregierung auf, die zehn Jahre bis zur Fertigstellung der FehmarnbeltQuerung zu nutzen, um mit einer aktiven Regionalpolitik den nördlichen Landesteil und die Westküste weiter voranzubringen.

(Beifall beim SSW)

Dazu gehört im Zuge des Ausbaus der A 20 eine schnelle Verwirklichung der westlichen Elbquerung mit Anbindung an die Westküste. Das ist Ziel des SSW. Weiter fordert der SSW eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs - insbesondere einen Ausbau der Schienenanbindung Hamburg Flensburg - København.

Auch das Regionalprogramm 2000 muss so gestaltet werden, dass die Regionen selbst ihre Projekte und die damit verbundenen Zielsetzungen definieren und mit einbringen können. Dabei begrüßen wir, dass das Land die Investitionshilfen für Betriebe verbessern will. Durch die Aufhebung der Beschränkung auf die so genannten Konversionsstandorte kann die einzelbe

(Anke Spoorendonk)