Protocol of the Session on December 13, 2000

Wenn es aber so ist, dass wir in diesem Jahr die Werftenhilfe, die Verpflichtungsermächtigungen, nochmals verdoppelt haben - das wissen Sie auch -, ist festzuhalten, dass es sich dabei um einen erheblichen Batzen für den Landeshaushalt handelt.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sind wir die Einzigen?)

Wenn Sie dann so locker daherkommen und sagen, „da legen wir noch mal 45 Millionen drauf“, dann machen Sie es sich etwas sehr einfach.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wir nehmen die Verantwortung nur wahr, Herr Hentschel! Das ist der Unterschied!)

Meine Damen und Herren, die wachsenden Aufgaben in der Bildungs- und Jugendpolitik und die Notwendigkeit drastischer Sparmaßnahmen bilden eine Schere, die nach meiner Einschätzung das Land SchleswigHolstein nicht allein wird schließen können. Wir brauchen für die Jugend- und Bildungspolitik Finanzierungsmodelle und wir brauchen eine bundesweite Debatte über diese Frage, die alle Parteien auch nach Bonn transportieren müssen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nach Berlin!)

Die Versuche der Bundesregierung, die Sanierung der Bundesfinanzen auch zu lasten der Bundesländer fortzusetzen, können von uns nicht länger akzeptiert werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und F.D.P. - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Genau!)

(Karl-Martin Hentschel)

Deswegen sage ich in Richtung Berlin: Ja, wir unterstützen die Steuerreform der Bundesregierung, wir wollen, dass die Bürger mehr Geld in der Tasche haben, und wir wollen, dass Familien mit Kindern besser gestellt werden.

(Beifall bei der SPD - Günter Neugebauer [SPD]: Wir auch!)

Ja, wir wollen, dass kleine und mittlere Unternehmen entlastet werden, um so neue Arbeitsplätze zu schaffen.

(Zurufe von CDU und F.D.P.: Und was tun Sie? Was tun Sie?)

Aber wir sagen Nein, wenn über die bisherigen Belastungen hinaus den Ländern weitere Lasten aufgedrückt werden. Das können wir nicht verkraften, das machen wir nicht.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Interessiert das denn jemanden?)

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist ein Sparhaushalt.

(Widerspruch bei der CDU)

Aber er ist trotzdem ein Haushalt, der deutliche Nuancen setzt - in der Bildungspolitik, in der Sozialpolitik, in der Technologieförderung, in der Umweltpolitik und auch in der Innen- und Rechtspolitik. In den letzten Jahren hat der Ruf nach schrankenloser Liberalisierung breiten Raum eingenommen. Die Beseitigung von Handelshemmnissen, von zu viel Bevormundung durch den Staat, von überflüssigen Standards, von zu viel Umweltschutz, zu viel Sozialstaat, von Arbeitnehmerrechten und Ladenschluss hat in der öffentlichen Diskussion einen breiten Raum eingenommen. Mit der zunehmenden Globalisierung weht ein neuer Wind, den manche als frisch, manche aber auch als kalt empfinden. Wer die Stellungnahme des Bundes der Steuerzahler zu unserem Haushalt liest,

(Lothar Hay [SPD]: Manche Dinge muss man nicht lesen!)

dem wird der Eindruck vermittelt, dass große Teile dessen, was dieses Land für seine Bürger tut, überflüssig sein müssen. Bei vielen Menschen aber, die nicht auf einem gut gepolstertes Aktiendepot gebettet sind, lösen diese Debatten Angst und Unsicherheit aus. Ich denke, dass diese Befürchtungen eine Berechtigung haben und ernst genommen werden müssen.

Ein liberaler Rechtsstaat besteht nicht darin, dass jeder seine Privatarmee unterhält, sondern erfordert eine gut ausgerüstete Polizei und eine unabhängige Justiz. So weit sind wir uns sicherlich noch einig.

Ein liberaler Wirtschaftsstaat bedarf aber aus den gleichen Gründen eines effektiven und gerecht gestalteten sozialen Netzes, in das alle Bürger dieses Staates einzahlen müssen. Wer das übersieht, propagiert das Recht des wirtschaftlich Starken, der zerstört mutwillig den sozialen Frieden, auf dem nicht unwesentlich der Wohlstand unseres Landes aufbaut.

Und auch eine liberale Umweltpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedarf klarer Regeln für die Nutzung der Umwelt, für erlaubte Grenzwerte und für die zu erreichenden Ziele. Gerade die aktuelle Debatte über Verbraucherschutz macht das deutlich. Wer das übersieht, propagiert Ökodumping auf Kosten der Natur und provoziert die Skandale, die wir im Lebensmittelbereich in den letzten Jahren erlebt haben.

Heute wissen die meisten Politiker: Steuern auf Kosten der Wirtschaft machen keinen Sinn, wenn dadurch die Steuereinnahmen mittelfristig zurückgehen. Weniger sind sich dessen bewusst, dass es keinen Sinn macht, die Wirtschaftskraft auf Kosten der Umwelt zu steigern, wenn dadurch mittelfristig die gesellschaftlichen Kosten steigen. Ökonomie und Ökologie sind kein Gegensatz, sondern gemeinsame Grundlage für den Wohlstand. Weil wir Sicherheit und Gerechtigkeit für unsere Bürger und die Vorsorge für die Zukunft gleichermaßen im Auge haben, haben wir uns in Schleswig-Holstein für eine rot-grüne Koalition entschieden. Deshalb ist es nicht das Ziel unserer Sparpolitik, den Staat abzuschaffen, sondern es ist das Ziel, mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum an Sicherheit, Dienstleistungen und Infrastruktur für unsere Bürger zu produzieren. Bei allen unterschiedlichen Auffassungen ist deshalb der vorliegende Haushalt unser gemeinsames Ergebnis, um dies nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen.

Wir haben es uns nicht leicht gemacht.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das glaube ich Ihnen auch!)

Ich denke, die Debatte der letzten sieben Monate, die die Regierung und die Regierungsfraktionen gemeinsam mit den Bürgern in diesem Lande führen mussten, war eine schwierige Debatte und ich bin stolz, dass wir heute so weit gekommen sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb wird meine Fraktion diesem Haushalt zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landwirtschaftsministerin ist einmal zitiert worden, gesagt zu haben, dass die Ministerpräsidentin immer wieder mal von erschreckendem Mut geprägt ist. Die Ministerpräsidentin soll gesagt haben, dass in der Politik die eine Hälfte mit dem Hirn, die andere Hälfte mit dem Hintern entschieden wird. Ich habe vor, auch Ihr Hirn zu strapazieren, auch wenn ich - wie gehabt heute hier als Letzte rede.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, von dem britischen Politiker Disraeli, der im 18. Jahrhundert auch Premierminister seines Landes war,

(Widerspruch - Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD]: Im 19. Jahrhundert! - Lothar Hay [SPD]: Lassen Sie sich durch den Adligen nicht irritieren! Er hat aber Recht! - Heiter- keit)

stammt die Redewendung -

(Weitere Zurufe)

- Da hat er Recht; Disraeli lebte von Anfang 1800 soundso viel bis 1880 soundso viel.

(Beifall)

Also, lieber Herr Kollege, ich hoffe, damit den Test bestanden zu haben.

(Heiterkeit)

Aber trotzdem: Disraeli soll gesagt haben: „Jeder Arzt und jeder Politiker hat seine Lieblingsdiagnose.“ Die Richtigkeit dieses Zitats wird heute bei der Debatte über den Landeshaushalt 2001 erneut unter Beweis gestellt. Die genannte Diagnose fällt nämlich je nach Partei und Politiker unterschiedlich aus. Das sind wir zwar im parlamentarischen Geschäft zwischen Regierung und Parlament seit Jahren so gewohnt; dennoch würde es der SSW begrüßen, wenn wir uns in Zukunft besser als bisher auf eine einheitliche Diagnose und damit auf eine einheitliche Behandlung der Finanzprobleme des Landes einigen könnten. Dies wäre ganz sicher im Interesse unseres Landes.

Denn egal, wer in Schleswig-Holstein regiert: Die finanziellen Probleme des Landes werden auf sehr lange Zeit das Hauptproblem der Landespolitik bleiben.

(Günter Neugebauer [SPD]: Leider wahr!)

Der Verlauf der diesjährigen Haushaltsberatungen hat wieder einmal gezeigt, dass es keine einfachen Vorschläge zur Lösung der finanziellen Probleme des Landes gibt. Keine Partei im Landtag kann daher behaupten, dass sie in dieser Frage das Ei des Columbus oder gar ein Patentrezept gefunden hat. Das zeigen auch die vorgelegten Änderungsvorschläge zum Haushalt 2001. Darauf werde ich aber später noch zurückkommen.

Die finanziellen Probleme des Landes können deshalb nach Auffassung des SSW langfristig nur durch eine von allen Parteien gemeinsam getragene Kraftanstrengung gelöst werden.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr gut!)

Man kann es sich natürlich leicht machen - wie beispielsweise vom Bund der Steuerzahler oder einigen Tageszeitungen gefordert - und radikale Einschnitte mit massiven Strukturveränderungen hier und jetzt verlangen. Es ist aber eine Illusion zu glauben, solch ein großer „struktureller Wurf“ sei möglich oder gar ratsam. Die F.D.P. hat ja Recht, wenn sie in einer Pressemitteilung aus dem Oktober zu ihren Haushaltsänderungsträgen sagt, dass - ich zitiere - „weitere Kürzungen möglich gewesen wären, aber aus wirtschaftspolitischer Sicht nicht für sinnvoll erachtet wurden“. Dabei möchte ich hinzufügen, dass das Gleiche aus sozial-, regional- oder minderheitenpolitischer Sicht gilt.

Der SSW bekennt sich dazu, dass das Land Schleswig-Holstein eine Verantwortung für alle hier im Lande lebenden Menschen trägt. Diese Verantwortung führt dazu, dass man solche radikalen Schritte nicht von heute auf morgen umsetzen kann. Aus unserer Sicht gibt es keine Alternative zu einer behutsamen und langfristig angelegten strukturellen Änderung der Landesfinanzen.

Es gilt die vielen unterschiedlichen Interessen abzuwägen und zum Wohle der Allgemeinheit unter einen Hut zu bringen. Genannt seien hier als Beispiel die Diskussionen um die Kommunen, die Werftenhilfe, die BSE-Krise und die Situation der Landwirtschaft. Wir brauchen also einen verdammt langen Atem und viel Fingerspitzengefühl bei der Umsetzung einer solchen Politik.

Dabei ist es ja richtig, dass die Einflussmöglichkeiten der Landespolitik auf die Rahmenbedingungen für die zukünftige Entwicklung des Landes - und somit der Spielraum für eigene Akzente der Landespolitik, beispielsweise im Haushalt - immer geringer werden. Die wichtigsten Entscheidungen für Schleswig-Holstein werden leider immer öfter in Berlin oder Brüssel oder gar in den Wirtschaftsetagen von internationalen Kon

(Anke Spoorendonk)