Protocol of the Session on December 13, 2000

Frau Ministerpräsidentin, Sie können den Oppositionsführer und den, der hier redet, in jeder Form kritisieren, wie immer Sie wollen. Ich halte es aber für einen unglaublichen Vorgang, wenn Sie einen Abgeordneten meiner Fraktion, den Kollegen Kalinka, lächerlich zu machen versuchen, indem Sie hier Fragen, die er als Abgeordneter nach seinem eigenem Recht gestellt hat, so bewerten.

(Beifall bei der CDU - Klaus Schlie [CDU]: Eine Unverschämtheit ist das!)

Vor diesem Hintergrund bitte ich darum, Frau Ministerpräsidentin, dass derartige Unterstellungen künftig unterbleiben.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen hat Ihr Redebeitrag für sich selbst gesprochen. Wenn Sie bei den Kommunen von einem „fairen Kompromiss“ reden, dann werden Ihnen die Kommunen das, denke ich, heimzahlen.

Was die Konsolidierung des Haushalts angeht, so haben Sie dafür mehr als zwölf Jahre Zeit gehabt. Wenn Sie meinen, Sie spielten in einer anderen Klasse als manche anderen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Ihre Regierung spielt in der Kreisklasse und ist kurz vor dem Abstieg.

In dieser Form jedenfalls sind Sie, Frau Simonis, den Ansprüchen, die wir als Parlament an eine ordnungsgemäße Haushaltsrede stellen, nicht gerecht geworden.

Dass Sie Herrn Murmann zum BDI- statt zum BDAPräsidenten gemacht haben und das nach den Zwi

(Martin Kayenburg)

schenrufen auch noch bestätigen, mag ebenfalls an der schlechten Recherche liegen.

Frau Simonis, diese Rede hat jedenfalls nicht dazu beigetragen, Ihr Ansehen im Lande und im Parlament zu festigen.

(Beifall bei der CDU)

Nach § 52 Abs. 4 der Geschäftsordnung ist nach dem Oppositionsführer auf Wunsch den Fraktionsvorsitzenden das Wort zu erteilen. Zunächst hat Herr Abgeordneter Hay das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei Bemerkungen. Erstens. Kleine Anfragen sind öffentlich. Damit sind sie auch in der Öffentlichkeit zu bewerten. In der Frage, ob eine gewisse Sinnhaftigkeit zu erkennen ist oder nicht, sehe ich keine Herabsetzung einer Person in diesem hohen Hause.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zweitens. Frau Simonis hat deutlich gemacht, in welche Richtung sich das Land Schleswig-Holstein während der letzten Jahre weiterentwickelt hat. Bei allem Verständnis dafür, dass „Opposition“ in erster Linie heißt, Kritik vorzutragen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie ein paar Fakten zur Kenntnis nehmen würden. Vielleicht haben Sie heute Morgen den Kommentar in einer großen Zeitung dieses Landes gelesen. Der Journalist schreibt:

„Es zeigt vielmehr, dass Schleswig-Holstein als Wirtschaftsstandort besser ist als der Ruf, den manch einer unserem Bundesland anhängen will.“

Dem ist nichts hinzuzufügen, das ist eine Tatsache.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten nicht kleinkarierter debattieren, als andere Personen dieses Landes die Politik der Landesregierung einmal bezeichnet haben.

(Beifall des Abgeordneten Helmut Plüschau [SPD])

- Herr Plüschau, das gilt wechselseitig. Über den Inhalt der Rede der Frau Ministerpräsidentin kann man geteilter Meinung sein. Es war seit langer Zeit jedoch eine kämpferische Rede.

(Beifall bei F.D.P. und SSW)

Das sage ich nicht nur deshalb, weil Sie mich häufiger erwähnt haben. Ich bin zwar eitel, aber so weit geht es nicht.

(Heiterkeit)

Einige Dinge möchte ich trotzdem anmerken. Zunächst einmal hat mir der Satz ausgesprochen gut gefallen, dass „das Denken offenbar erst dann anfängt, wenn Wahlen vor der Tür stehen“. Das ist ein Zitat der Ministerpräsidentin. Bei der Einführung der Entfernungspauschale auf Berliner Ebene scheint das bei Rot und Grün der Fall gewesen zu sein, sonst wären Sie auf diese glorreiche Idee gar nicht gekommen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU - Zuruf der Ab- geordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Fröhlich, es macht unter ökologischen Gesichtspunkten wirklich Sinn, Benzin zu verteuern, um anschließend die Autofahrer, die teures Benzin bezahlen, steuerlich zu entlasten. Das macht ökologisch gesehen richtig Sinn.

(Beifall bei der F.D.P.)

Ich habe das verstanden. Bisher habe ich eine völlig falsche Vorstellung davon gehabt, wie grüne Politik aussieht. Jetzt weiß ich es.

Ich habe auch eine völlig neue Vorstellung von sozialdemokratischer Gerechtigkeit. Ich muss meine Position korrigieren. Ich stelle mir vor, was losgewesen wäre, wenn die Liberalen an der Regierung gewesen wären und so etwas vereinbart hätten. Ich empfehle allen die Lektüre des „Focus“ von Montag. Dort gibt es Berechnungsbeispiele.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Der „Focus“ recherchiert immer so schlecht!)

- Frau Heinold, ich gehe davon aus, dass Sie selbst rechnen können. Wenn nicht, stelle ich Ihnen meinen Taschenrechner gern zur Verfügung. Es ist interessant festzustellen, was mit der Entfernungspauschale im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit wirklich passiert. Eine Verkäuferin, ledig, mit einem Kind und einem Bruttoeinkommen von 30.000 DM und einer Entfernung von 20 km zum Arbeitsplatz, die sie mit ihrem

(Wolfgang Kubicki)

Auto zurücklegen muss, zahlt bisher Einkommensteuer in Höhe von 289 DM. Ihre Entlastung durch die Entfernungspauschale beträgt 30 DM. Ein Oberstudienrat, verheiratet und mit 80.000 DM Jahreseinkommen, zahlt bisher eine Einkommensteuer von 11.648 DM. Er fährt täglich 5 km mit dem Fahrrad zur Schule und erhält eine Entlastung von 230 DM. Das ist soziale Gerechtigkeit.

(Beifall bei der F.D.P.)

Frau Ministerpräsidentin, ich habe es der Bildungsministerin bereits gesagt. Wenn sich das bestätigt, was wir im Hinblick auf das Schloss Plön erhalten haben, dann ist das etwas, worüber das Land jedenfalls nicht traurig sein muss.

(Lachen der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Fröhlich, ich weiß nicht, ob Sie bisher mehr wissen als ich. Ich habe eine mündliche Unterrichtung von zehn Minuten erhalten. Ich habe keine Unterlage gesehen und ich habe bisher nichts recherchieren können. Ich kenne weder ein Wertgutachten noch sonstige Texte.

(Zuruf der Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

- Frau Ministerpräsidentin, das ist gar kein Vorwurf.

(Klaus Schlie [CDU]: Noch nicht! - Unruhe)

- Herr Kollege Schlie, Sie sehen doch, wohin mein Körper gewendet ist.

(Heiterkeit)

Frau Ministerin, ich gehe davon aus, dass sich der Finanzausschuss im geordneten parlamentarischen Verfahren im Vorwege der Veräußerung mit den entsprechenden Unterlagen beschäftigten wird und dass wir das - wie immer - ordnungsgemäß vornehmen werden. Heute Nachmittag werden wir nur die Ermächtigungsnorm für die Zweckbindung verabschieden, wie mit möglichen Veräußerungserlösen umzugehen ist.

Sie haben gesagt, wie man verhandelt, das wüssten Sie besser; die Union wisse das möglicherweise nicht, weil sie lange aus der Regierung ausgeschieden sei. Es gibt ein paar Punkte, bei denen sich herausgestellt hat, dass durch die Regierung wohl schlecht verhandelt worden ist. Ich nenne hier nur den Verkauf der Werkswohnungen der HDW an Preussag. Herr Minister, ich kann mich an eine Aussage von Ihnen erinnern. Sie sagten, Sie seien dankbar, dass die Opposition bei der Veräußerung der Anteile an der Landesbank an die WestLB so hartnäckig gewesen sei, denn das hätte den Preis nach oben getrieben. Das habe ich sehr genau im Kopf. Ich denke daher, dass es nicht so schlecht ist,

wenn man sich gelegentlich die Frage stellt, ob richtig und ausreichend verhandelt worden ist. Kollege Neugebauer, Sie wissen, dass die Veräußerung der Blomenburg auch so ein Vorgang war, bei dem das Ergebnis durch unsere gemeinsame hartnäckige parlamentarische Intervention besser war als das, was uns im Finanzausschuss zunächst vorgelegt wurde.

Frau Ministerpräsidentin, ich habe viel Verständnis dafür, dass Sie immer wieder betonen, dass das Land Schleswig-Holstein Spitze sei und vorn liege. Es gibt viele Bereiche, für die das auch stimmt. Das hat natürlich alles nur mit der Regierungspolitik zu tun. Wenn das so ist, dann erklären Sie bitte mir und der schleswig-holsteinischen Öffentlichkeit, warum unsere Finanzdaten im Vergleich zu denen der anderen Bundesländer so schlecht sind. Herr Möller, das ist kein Vorwurf. Verstehen Sie das bitte nicht falsch. Wir müssen uns diesem Problem zuwenden. Der Kollege Hay hat es gesagt. Wir sind durch das Tal des Jammers noch nicht durch, sondern wir befinden uns nach wie vor auf der Talfahrt. Die Probleme, die wir jetzt bei den Haushaltsberatungen hatten, werden in 2002/2003 exponentiell steigen, wenn wir uns diesem strukturellen Problem nicht widmen.

Auf diese von mir gestellte Frage sind Sie eine Antwort schuldig geblieben, ohne dass ich das als persönlichen Angriff gewertet wissen will. Die Lücke, die dadurch entsteht, dass Sie den Leuten draußen im Lande immer wieder sagen, wie toll wir eigentlich sind und wie toll es uns geht, wir aber immer weiter in ihre Besitzstände eingreifen müssen, wird immer größer. Das führt zu immer größerer Frustration. Im Zweifel wird sich das gegen Sie wenden.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)