Protocol of the Session on November 17, 2000

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Gerade wenn Sie die Zahlen analysieren, Herr Neugebauer - darin sind Sie ja an und für sich ein Spezialist -,

(Heiterkeit bei der CDU)

müssten Sie eigentlich erkannt haben, dass gerade jene Branchen, die wir in der letzten Jahren mit großer Sorge betrachtet haben, wie die Werften, die Chemie, den Maschinenbau und auch die Nahrungsmittelindustrie, im Augenblick wegen der Euro-Krise besonders gute Exportquoten aufzuweisen haben. Es kann doch nicht sein, dass das von Ihnen so gewollt war. Das haben wir vorher nicht gehört und das haben wir auch nicht gemerkt.

Analysieren Sie die Zahlen also ganz genau. Das gibt Ihnen viele Anhaltspunkte. Unter anderem zeigen die Zahlen, dass die Exporte nahezu ausschließlich von Großkonzernen vorgenommen werden und nicht von den kleinen Firmen, die wir im Auge hatten. Außerdem zeigen die Zahlen sehr deutlich, dass wir zwar gute Zuwachsraten haben, dass wir aber immer noch wesentlich schlechter als andere Bundesländer dastehen. Außerdem steht Deutschland innerhalb Europas ohnehin ganz hinten und ringt mit Italien um den letzten Platz. Das war noch nie so. Das müssen wir einfach einmal feststellen.

Wenn Sie die Zahlen ganz gründlich analysieren, werden Sie auch merken, dass die Exporte gerade in diejenigen Länder gehen, in denen nicht in Euro gezahlt wird. Die profitieren vielmehr von der EuroSchwäche.

Davon, dass der Euro nicht dauerhaft schwach bleibt, gehen wir ja wohl alle gemeinsam aus. Gerade wenn der Euro aber wieder ein normales Maß annimmt, dann werden wir Sie festnageln und Ihnen sagen: Diesen Maßstab haben Sie damals gewählt. Wenn dann die Wirtschaftspolitik kritisch zu beurteilen ist, wird man sich fragen: War das wirklich eine solche Erfolgsstory, Herr Rother?

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Sie merken also, wie sehr gefährlich dieser Ansatz ist. Auf der anderen Seite meinen wir, dass dieses Pflänzchen Außenwirtschaft gerade so, wie Wirtschaftsminister Rohwer es anpackt, eigentlich nicht geeignet ist, in den Streit zwischen den Parteien zu geraten, denn dieses Pflänzchen müssen wir gemeinsam pflegen. Es bietet gute Ansätze und dann kann es eine Erfolgsstory werden. Davon sind wir aus vollem Herzen überzeugt.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

- Nicht so viel! Das geht von meiner Redezeit ab.

(Heiterkeit)

Aber, Herr Rother, mit drei Gastarbeitern aus der Wirtschaft ist es nicht getan. Für die Wirtschaft müssen wir die Rahmendaten anders setzen. Gerade diejenigen Unternehmen, die mit starken Anteilen an den Exporten teilhaben, sind ja in Wirtschaftskomplexe globaler Natur eingebunden. Deswegen sind die Rahmendaten und Ansiedlungsfaktoren wichtig.

Die beste Botschaft eines Wirtschaftsministers wäre: Wir haben einen festen Euro, wir haben gut ausgebildete Leute, wir haben eine zukunftweisende Infrastruktur, wir haben niedrige Energiekosten und wollen die Kraftwerke nicht abschalten, wir haben ein verlässliches Steuer- und Abgabensystem - es wird nicht je nach Haushaltslage etwas Neues erfunden wie die Oberflächenwasserabgabe -, wir haben ein innovationsfreundliches Umfeld, wir haben klare Förderstrukturen - nicht einen Wirrwarr - und wir haben ein Arbeitsrecht, das gerade diesen Firmen besonders entgegenkommt.

Ich glaube, wir müssen eine ganze Menge tun. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten. Diskutieren wir deswegen den Bericht später auch im Ausschuss!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Für die F.D.P.-Fraktion erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Christel Aschmoneit-Lücke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Irgendwie finde ich diese Zufälle zunehmend witzig: Da stellt der Wirtschaftsminister am 8. November 2000 seine erfolgreiche alte und offenbar sehr zielgerichtete neue Außenwirtschaftspolitik vor und siehe da - fast zeitgleich fordern „seine“ Regierungsfraktionen ihn auf, dasselbe auch noch einmal im

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Landtag zu tun. - Sollte da vielleicht jemand nicht lesen können?

(Holger Astrup [SPD]: Was für ein Zufall! Das ist aber ein Zufall - jetzt, wo Sie das sa- gen, Frau Kollegin!)

- Ja, das finde ich auch. Gut, dass Sie das bestätigen. Vielen Dank!

Oder möchte man vielleicht der Öffentlichkeit lieber zweimal das Vergnügen bereiten, die Fortsetzung der „erfolgreichen Politik“ zu feiern - einer Politik, die übrigens 1984 von dem damaligen CDU-Wirtschaftsminister Dr. Westphal ins Leben gerufen wurde?

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Wie es auch sei: Der Antrag und der Bericht geben zu folgenden Bemerkungen Anlass.

Erstens. Die schleswig-holsteinische Exportquote von nunmehr 31 % unterstreicht die zunehmende Bedeutung des Auslandsumsatzes für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze unseres Landes. Dass wir damit fast an die durchschnittliche Exportquote des Bundes herangekommen sind, ist ein Erfolg der Betriebe im Lande und ein Zeichen zunehmender internationaler Verflechtung. Ohne diesen Erfolg schmälern zu wollen, sei darauf hingewiesen, dass Exporte in Länder des europäischen Binnenmarktes streng genommen nicht mehr so recht als „Außenwirtschaft“ bezeichnet werden dürften.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Zweitens. Der Einsatz der Landesregierung, der Kammern und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft hat mit Sicherheit zu diesem Ergebnis beigetragen. Wir wissen alle, dass unsere Wirtschaft klein- und mittelständisch organisiert ist, und ich bin fest davon überzeugt, dass gerade für die kleineren Betriebe zum Beispiel die Organisation von Messeauftritten im Ausland, aber auch die Beratung vor Ort oder die Erkundung von Marktmöglichkeiten eine wichtige Hilfe bedeuten. Eigeninitiative der Unternehmen bleibt dabei selbstverständlich unerlässlich.

Drittens. Es ist sehr erfreulich, dass Persönlichkeiten wie Herr Dr. Murmann, Herr Uwe Petersen und Herr Dr. Schulz dafür gewonnen werden konnten, ihre Erfahrungen und Kontakte zum Wohle des Landes einzusetzen. Mindestens ebenso wichtig sind meines Erachtens aber die Delegationsreisen, bei denen Kontakte durch die Minister selbst, aber natürlich auch direkt durch die sie begleitenden Vertreter der Wirtschaft geschlossen werden.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Aus eigener beruflicher Erfahrung weiß ich, dass gerade in Asien ein möglichst hoch angesiedelter politischer Repräsentant viele Türen öffnen kann, die sonst verschlossen blieben. Auch im Zeitalter der elektronischen Kommunikation ist es im Übrigen wichtig, dass Eingangskontakte persönlich geknüpft werden.

Viertens. Der gesamte Ostseeraum bleibt als Außenwirtschaftspartner wichtig. In diesem Bereich ist insbesondere durch die Industrie- und Handelskammer zu Kiel eine höchst wertvolle Grundlage gelegt worden, die erhalten bleiben muss.

Bei aller Wertschätzung der Arbeit der Kammern darf sich die Landesregierung allerdings das Heft des politischen Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen. Diese Gefahr ist nicht zu übersehen, nachdem Gerd Walter - genannt „Mister Europa“ - leider ausgeschieden ist.

Die USA und Asien sollten allein aufgrund ihrer ungeheuren Wirtschafts- und Entwicklungskraft im Fokus unserer außenwirtschaftlichen Beziehungen stehen. Dabei ist es wichtig, regionale Beziehungen, das heißt Beziehungen mit Wirtschaftsregionen spezifischer Ausprägung, zu pflegen. Es muss also Anknüpfungspunkte gerade für die Struktur und das Knowhow der schleswig-holsteinischen Wirtschaft geben. Und - das scheint mir von außerordentlicher Bedeutung zu sein - die Kontakte müssen wirklich gepflegt werden, das heißt, Kontinuität und Dauerhaftigkeit der Beziehungen sind notwendig.

(Beifall bei F.D.P., CDU, SSW und des Ab- geordneten Bernd Schröder [SPD])

Fünftens. Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der Außenwirtschaft bleibt uns unverständlich, dass die Mittel in diesem Bereich erheblich gekürzt werden sollen. Alle anderen Bundesländer außer Bremen und dem Saarland - Hamburg ist in diesem Zusammenhang ein Sonderfall; Hamburg nimmt einfach eine völlig andere Position im gesamten Welthandel ein - gaben schon in der Vergangenheit - tun es aber auch heute noch erheblich mehr finanzielle Mittel gerade in den Bereich der Außenwirtschaft, während wir diese Mittel zurückfahren. Ich halte das nicht für sinnvoll.

Wir als F.D.P. haben entsprechende Haushaltsanträge zur Wiederaufstockung auf den Betrag aus dem Haushalt des letzten Jahres gestellt und hoffen auf Ihre Unterstützung dieses Antrags.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich bemerken, dass wir wieder einmal über einen Bericht diskutieren, bevor der Bericht selbst vorliegt.

(Lothar Hay [SPD]: Das ist doch wunderbar!)

Wir hatten ja mal eine Absprache getroffen, dass wir das nicht tun wollten, aber offensichtlich ist das schwer durchzuhalten.

Zum Zweiten möchte ich zu dem Thema selbst sagen, dass in den letzten Jahren in Schleswig-Holstein ein Strukturwandel eingeleitet worden ist. Dieser Strukturwandel findet ununterbrochen statt und verändert die Wirtschaft dieses Landes. Er findet in neuen Sektoren statt, die hier auch beschrieben worden sind, gerade im Bereich neuer Technologien, die in SchleswigHolstein in der Vergangenheit nicht existiert haben und beginnen, die Wirtschaft dieses Landes zunehmend zu prägen.

Das heißt nicht unbedingt - da haben Sie Recht, Frau Aschmoneit-Lücke -, dass das unbedingt zu zusätzlichen Exporten führt. Es ist durchaus denkbar, dass sich diese zusätzlichen Wirtschaftsimpulse zunächst in Deutschland auswirken, gerade wenn es kleine Firmen sind; viele von ihnen sind im dienstleistungsnahen Bereich - beispielsweise im Softwarebereich oder in der IT-Technologie - angesiedelt und haben zunächst einmal Firmenkontakte mit anderen deutschen Firmen und sind im Inland aktiv. Das ist überhaupt nichts Schlimmes. Deshalb ist die Frage, wie hoch die Exportquote ist, zunächst nicht ausschlaggebend und auch kein Signal dafür, ob eine Wirtschaft gesund ist oder nicht.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Es geht also letztlich darum, welche Qualität die Wirtschaft hat und wie sie sich entwickelt.

Richtig ist natürlich Ihr Hinweis, dass im Rahmen der Europäischen Union die Frage, was Export ist und was nicht, anders betrachtet werden kann. In den USA beispielsweise wird ein Großteil der gesamtwirtschaftlichen Leistung im Inland abgesetzt; die Exportquote ist sehr gering. Trotzdem wird niemand sagen, die USA sei ein wirtschaftsschwaches Land. Ich meine, die Dinge sind hier relativ zu betrachten.

Allerdings ist es sicherlich notwendig und sinnvoll, dass sich die Unternehmen in Schleswig-Holstein Märkte auch außerhalb Deutschlands und außerhalb der Europäischen Union, beispielsweise in Übersee, erschließen, gerade wenn es sich um Firmen handelt, die eine sehr spezielle Produktpalette haben und dadurch auf neue Absatzgebiete angewiesen sind.

In diesem Sinne unterstütze und begrüße ich die engagierten und kompetenten Anstrengungen sowie den Einsatz unseres Wirtschaftsministers, der in seiner kurzen Amtszeit bereits eine ganze Reihe von Impulsen gesetzt und deutlich gemacht hat, dass ihm dieses Thema am Herzen liegt. Ich bin sehr gespannt auf den Bericht, den er vorlegen wird.

An dieser Stelle möchte ich noch eine Bemerkung machen. Strukturwandel ist etwas, was langfristig wirkt. Das geht Schritt für Schritt. Wenn man jährlich aus dem, was in der Zeitung steht, die Höhen oder Tiefen der Wirtschaftspolitik herausinterpretiert, dann ist das etwas kurz gesprungen, lieber Herr Eichelberg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)