Protocol of the Session on November 17, 2000

Wir haben 1998 mit Bundesminister Wissmann schon das gleiche Theater gehabt. Es gab permanent nur halbjährige - manchmal sogar vierteljährige - Charterverträge. Das reicht uns nicht aus, wir brauchen eine dauerhafte Stationierung!

Sie schreiben in Ihrem Bericht, dass der Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins am 9. Dezember 1999 seinen Bundeskollegen gebeten habe, im Hinblick auf die „Pallas“-Havarie einen lückenlosen Übergang für ausreichende Notschleppkapazitäten in der Deutschen Bucht sicherzustellen. Da frage ich: Was ist denn das? Es ging uns gemeinsam vor allen Dingen um die dauerhafte Bereitstellung eines leistungsfähigen Hochseeschleppers und nicht um die Schaffung eines Übergangs für ausreichende Notschleppkapazitäten.

Wir wissen aus der Diskussion doch genau, dass „Neuwerk“, „Mellum“, „Scharhörn“, diese so genannten Mehrzweckschiffe, die Tonnen legen, Öl sammeln und vieles mehr und dann auch noch als Notschlepper konzipiert sind, nicht in der Lage sind, bei schwerem Wetter das Geschäft eines professionellen Hochseeschleppers auf der Nordsee zu erfüllen. Das hat sich mehrfach bestätigt. Oder glauben Sie etwa im Ernst, dass zum Beispiel am 3. Dezember letzten Jahres eines dieser Schiffe in der Lage gewesen wäre, die „Lucky Fortune", die manövrierunfähig 4 sm vor Sylt trieb, dort wegzuholen? Die „Oceanic“ hat diese Aufgabe vorbildlich gemeistert.

Ich kann Ihnen nur sagen, ich wundere mich dann doch, wie mit den von uns gefassten Beschlüssen von dieser Landesregierung umgegangen wird. Es bedarf hier nun nicht einer erneuten Beschlussfassung, es ist bereits dreimal zu diesem Punkt - präzise formuliert hier in diesem Haus und in nahezu allen Westküstengemeinden und -kreistagen eine erfolgt. Hier bedarf es

jetzt der politischen Zielvorgabe und Umsetzung durch die Regierung. Es kann doch nicht sein, dass die alten Diskussionen um Schleppkapazitäten oder Notschleppkapazitäten, die in Konzepten des Bundes durch Verwaltungsjuristen und Baudirektoren eingebracht wurden, jetzt wieder Eingang in Beschlusslagen finden. Es kann doch nicht sein, dass sich wieder Verwaltungsbürokratie entgegen aller gemachten praktischen Erfahrung und auch einvernehmlicher Beschlüsse durchsetzt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Kurzum, der hier vorgelegte Bericht macht deutlich, dass unser gemeinsames Ziel zur Optimierung der Bewältigung von Seeunfällen im Sinne der von uns gefassten Beschlüsse noch nicht erreicht ist. Im Übrigen bleibt der Bericht in Teilen selbst hinter den von der England-Delegation zur Verfügung gestellten Vermerken zur „Pallas“-Havarie zurück. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit habe ich jetzt leider nicht die Gelegenheit, darauf noch weiter einzugehen,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Schade!)

aber vielleicht bietet sich die Gelegenheit noch im Rahmen eines Drei-Minuten-Beitrages.

Ich möchte abschließend nur noch sagen: Die einzige Neuigkeit in Ihrem Antrag ist die Prüfung der Ausweisung eines PSSA-Gebietes. Auch das ist Schnee von gestern. Die trilaterale Wattenmeergruppe hat auf ihrer September-Sitzung unter Tagesordnungspunkt 6 beschlossen,

(Glocke des Präsidenten)

- Herr Präsident, ich kommen zum Schluss -, dass von einem externen Experten eine Durchführbarkeitsanalyse zur Einrichtung einer PSSA im Wattenmeer erarbeitet werden soll. Diese Studie soll im April 2001 vorliegen. Mein Vorschlag: Einfach im April 2001 das Papier anfordern und dann sehen, ob es umsetzbar ist. Ich meine, das muss einmal sehr genau geprüft und diskutiert werden.

Wir beantragen die Überweisung des Berichtes sowie des Antrages von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN federführend in den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend in den Wirtschaft- und den Umweltausschuss.

Für die CDU-Landtagsfraktion will ich hier noch einmal deutlich machen: Jetzt müssen den Worten endlich Taten folgen!

(Beifall bei CDU und F.D.P. sowie des Ab- geordneten Lars Harms [SSW])

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ulf von Hielmcrone das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zwei Jahren strandete die „Pallas" vor Amrum. Die Folgen sind bekannt, allein die Kosten betrugen 30 Millionen DM. Eine große Katastrophe war das damals übrigens nicht, es hätte alles viel schlimmer kommen können. Grund genug, sich mit den Ursachen auseinander zu setzen.

Der Untersuchungsausschuss hat die Ursache und den Hergang der Havarie aufgearbeitet. Bereits vor etwa einem Jahr hat er massive Schwachstellen im Unfallmanagement für die hohe See und die Küstengewässer aufgedeckt, aber auch schwierige und undurchsichtige Zuständigkeitsbereiche und Befehlsstrukturen. Es wurden auch im Bereich der Landesverwaltung Schwachstellen festgestellt.

Der Untersuchungsausschuss hat damals im Ergebnis unter anderem als ganz wesentliche Konsequenz eine zentrale Küstenwache gefordert, in der die bestehenden Organisationen mit einer einheitlichen Flotte aufgehen sollten. Notwendige Verfassungsänderungen sollten kein Hindernis sein. Außerdem wurde die Bereitstellung von Hochseeschlepperkapazitäten in der Deutschen Bucht dauerhaft gefordert.

Nachdem nun auch der Bericht der GrobeckerKommission vorliegt, ist die Frage nach dem Vergleich der beiden Empfehlungen, aber auch, was seither auf Bundes- und auf Landesebene geschehen ist, berechtigt, um Fehler in der Zukunft zu vermeiden. Anders ausgedrückt: Was ist passiert, um einen zweiten und vielleicht schlimmeren Fall „Pallas“ zu vermeiden. Wir wissen ja gar nicht, ob es vielleicht schon eine zweite „Pallas“ gibt und wo sie sich im Augenblick befindet. Und die Zeit drängt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Was soll das denn!)

Die Antwort liegt vor, sie zeigt zweierlei:

Erstens. Auf Landesebene hat die Regierung ihre Schularbeiten gemacht.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Wo denn?)

In Stichworten: Neufassung der Grundsätze für die Zusammenarbeit im Krisenfall, gemeinsames Lageund Führungszentrum, Polizeizentrum Kiel, Pressearbeit und bessere Zusammenarbeit mit Kiel,

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Pressearbeit! - Martin Kayenburg [CDU]: Nichts hat die Landesregierung unternommen!)

Verbesserung der Brandbekämpfung auf See! Herr Kayenburg, Sie sind nicht im Untersuchungsausschuss gewesen. Sie wissen offenbar nicht, haben es vergessen, verdrängt oder Sie wollen es nicht wissen, welche Bedeutung die Pressearbeit damals spielte.

(Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Lars Harms [SSW] - Martin Kay- enburg [CDU]: Es geht nicht um Pressearbeit, es geht um Verfahrensabläufe!)

Zweitens. Weniger befriedigend, dass muss auch in aller Deutlichkeit gesagt werden, sind allerdings die Antworten dort, wo es um die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem Bund geht. Ich laste das nicht der Landesregierung an,

(Martin Kayenburg [CDU]: Das wundert uns nun wieder nicht!)

aber ich muss feststellen, dass hier wesentliche Punkte noch nicht erfüllt sind. Das ist aber der eigentliche Kernbereich.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Empfehlungen der Grobecker-Kommission bleiben in zwei wesentlichen Punkten hinter unseren Forderungen zurück:

Erstens. Die vorgeschlagene Seewache ist nicht die Küstenwache, die der Landtag gefordert hat.

(Beifall des Abgeordneten Rainder Steen- block [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Begriff Seewache ist im Übrigen an dieser Stelle falsch. Seewache ist ein seemännischer Ausdruck und hat damit nichts zu tun, er ist anderweitig belegt. Allein das ist für die Leute an der Küste schon ein Schwachpunkt.

Zweitens. Das Notschleppkonzept, Empfehlung Nr. 7 des Grobecker-Papiers, ist nach allem, was uns Fachleute berichtet haben, bedenklich. Es gibt kein Notschleppen, es gibt allerdings ein Schleppen im Notfall. Das ist wahrlich aber nun kein „kann zur Not auch Schleppen“, sondern erfordert ganz besondere Kapazitäten, Kenntnisse und Ausrüstung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier liegt nun einmal der fundamentale Irrtum der Arbeitsebene im Bundesverkehrsministerium. Deswegen ist es durchgängige Meinung aller Fachleute, dass

(Dr. Ulf von Hielmcrone)

ein hochseetüchtiger Schlepper in der Deutschen Bucht dauerhaft stationiert bleiben muss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Unsere Forderung lautet daher: Wir brauchen eine dauerhafte Hochseeschlepperkapazität in der Deutschen Bucht und nicht solche, die halbjährlich verlängert werden. Das geht nicht.

Wir bleiben darüber hinaus auch bei unserer Forderung nach einer einheitlichen Küstenwache, verkennen allerdings nicht, dass sie derzeit offenbar nicht zu verwirklichen ist. Deswegen sind wir zunächst mit der Einrichtung eines Havariekommandos entsprechend Nr. 2 der Grobecker-Kommission einverstanden, möchten indessen weiterhin, dass sich die Regierung mit der Umsetzung der ursprünglichen Forderung befasst und Konzepte entwickelt, wohl wissend, dass dies kurzfristig nicht durchsetzbar sein wird.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Warum nicht?)

Die Forderung nach einer einheitlichen Küstenwache bleibt aber bestehen, denn sie ist für uns eine sehr wichtige Erkenntnis aus dem Untersuchungsausschuss. Die Mühlen des Bundes und der Länder mahlen offenbar langsam, aber wir wollen, dass sie weiterhin mahlen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Vergessen wir darüber hinaus nicht, dass wir es bei unserem Wattenmeer mit einer im Wortsinne Particulary Sensitive Sea Area zu tun haben. Als solche offiziell ausgewiesen sind allerdings nur zwei Seegebiete: das Great Barrier Riff in Australien und ein Seegebiet bei Cuba. Ob unser Wattenmeer dazu taugt und welche Konsequenzen dies hätte, muss geprüft werden. Einige Regelungen sind bereits jetzt Bestandteil unserer Beschlüsse. Die Frage ist aber, in welchem Verhältnis ein PSSA-Gebiet zu anderen bereits eingerichteten Schutzgebieten stehen würde. Was bedeutete das im Hinblick auf unsere Häfen und deren Erreichbarkeit? Diese Fragen sind zu erörtern und zu beantworten. Die Nordsee gehört uns nicht allein. Wattenmeere gibt es in den Niederlanden, Dänemark und England.

(Lothar Hay [SPD]: Schottland!)

- Und in Schottland! Nordseeschutz ist überall notwendig. Das PSSA-Gebiet und der Nordseeschutz sind deswegen auch klassische Themen für eine notwendige Nordseekooperation. Wir müssen über den Tellerrand hinausblicken.