„Ob und inwieweit heutige Skinheads sich in einer kontinuierlichen Tradition befinden oder nur jeweils neu erfahrene Ängste auf bekannte Weise kanalisieren und mehr oder weniger in einen historischen Kontext stellen, ist umstritten.“
Der Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein ist mehr als glatzköpfige Jugendliche - er ist gar keine Jugendbewegung, sondern betrifft alle Altersgruppen. Er besteht aus organisierten und nicht organisierten Befürwortern rechtsextremistischen Gedankenguts, die
In diesem Zusammenhang vermisse ich ganz einfach auch die Erfahrungen, die man in Schleswig-Holstein mit vier Jahren DVU im Landtag gemacht hat. Die Redebeiträge dieser „Volksgenossen“ belegten immer wieder, dass heute vertretenes rechtsextremistisches Gedankengut durchaus in der Tradition des Faschismus steht. Dazu findet sich im vorliegenden Papier aber keine Zeile.
Auch in der Frage der weiteren Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus in SchleswigHolstein hätte ich mir mehr gewünscht. Es schadet ja nicht, eine Bibliografie zu bekommen; sie reißt aber niemanden vom Hocker. Wenn man bedenkt, wie schwierig der Anfang war, wenn man bedenkt - ich sagte es bereits -, dass gerade die Große Anfrage aus dem Jahre 1989 dazu beitrug, dass sich junge Historiker mit großem Enthusiasmus an die Arbeit machten, dann hätte ich mir auch in dieser Frage von der Landesregierung mehr Engagement gewünscht.
Einiges ist im letzten Jahrzehnt abgearbeitet worden; auch das sagte ich bereits. Aber zu sagen, „das meiste ist geschafft“, kann doch wohl nicht die Konklusion sein.
Die Blutarmut der Antwort auf die Große Anfrage beschränkt sich aber nicht nur auf den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Die Beantwortung der Fragen zum heutigen Rechtsradikalismus in Schleswig-Holstein liest sich in weiten Zügen wie ein Verfassungsschutzbericht. Dieser Aspekt sollte ja laut Antragstellerin auch einbezogen werden, aber er kann nur einen Teil der Analyse darstellen, auf der unsere Schritte gegen den heutigen Rechtsextremismus fußen.
Die Zahlen zu den Ermittlungs- und Strafverfahren mit rechtsextremistischem beziehungsweise fremdenfeindlichem Hintergrund in Schleswig-Holstein machen deutlich, dass wir gegenwärtig glücklicherweise keinen großen Anstieg zu verzeichnen haben. Über 400 Verfahren pro Jahr sind zwar immer noch über 400 zu viel; wir können es uns aber leisten, einen kühlen Kopf zu bewahren. Es besteht gegenwärtig wenig Anlass dazu, aktionistisch nach harten innenpolitischen Maßnahmen zu rufen und zweifelhafte Verbote einzufordern.
Große Anfrage einige Ansätze, wobei ich allerdings nicht verhehlen möchte, dass ich mir mehr gewünscht hätte.
Die sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ursachen von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit sind klar. Das stellt der Bericht auch eindrucksvoll dar. Es sind vielfach die Verlierer der Modernisierung, die für solche Gedanken anfällig sind. Auch die Konklusion aus dieser Erkenntnis ist einigermaßen klar: Nur soziale Sicherheit, Bildung und demokratische Teilhabe werden verhindern können, dass die Anhänger rechtsextremen Gedankenguts zunehmen. Das Einzige, was nicht klar ist, ist der Ansatz der Landesregierung zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Ursachen. Ich möchte aber hinzufügen, dass ich mich ausdrücklich bei der Ministerpräsidentin dafür bedanken möchte, dass sie heute eben diesen Punkt angesprochen hat.
Die Landesregierung bleibt hier selbstverschuldet in einem schwierigen Spagat hängen, weil sie gleichzeitig in der Jugend- und Sozialpolitik Haushaltskürzungen vorschlägt. Man spricht zum Beispiel über die herausragende Bedeutung der Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen und will gleichzeitig die Fördermittel für die Demokratiekampagne „Schleswig-Holstein ein Land für Kinder“ kürzen. Man will junge Menschen daran hindern abzugleiten, gibt aber nichts für neue Wege in der Jugendstraffälligenhilfe aus.
Aber nochmals: Der Rechtsextremismus ist mehr als eine Jugendbewegung. Der Bericht zeigt, dass wir in allen Altersgruppen in hohem Ausmaß rechtsextreme und ausländerfeindliche Einstellungen antreffen. Der größte Teil dieser Menschen ist weder jugendlich noch gewalttätig und begreift sich nicht als rechtsextrem. Daher werden wir nicht mit Jugendhilfe oder historischer Aufklärung allein weiterkommen; wir kommen nicht umhin, uns auch mit politischen Argumenten auseinander zu setzen.
Gerade hierzu gibt die Landesregierung aber zu wenige Antworten - außer dem Hinweis auf Veranstaltungen in der Erwachsenenbildung, die hauptsächlich jene erreichen dürften, die ohnehin nicht für rechtsextremistisches Gedankengut anfällig sind. Damit hier kein falscher Zungenschlag entsteht: Wir sehen diese Veranstaltungen durchaus positiv; sie stehen in der aufklärerischen Bildungstradition der Volkshochschulen und das ist gut so. Doch die Ansätze, die eher auf eine direkte Bearbeitung der Probleme „Rechtsextremismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ abzielen, bleiben auf Jugendhilfe und Schule beschränkt. Das reicht nicht.
Der SSW wirbt dafür, dass sich die Demokratinnen und Demokraten im Land den minderheitenfeindlichen Argumenten der Rechtsradikalen stellen. Nur wenn wir gemeinsam plausibel vertreten und vermitteln, dass uns zum Beispiel Ausländer keine Arbeitsplätze wegnehmen, werden wir den rechten Brandstiftern wirklich das Wasser abgraben.
Wir haben daher zum Beispiel die gemeinsame Herausgabe einer Zeitung an alle Haushalte, eine Serie von Zeitungsanzeigen oder ähnliche Maßnahmen angeregt, mit denen gegen die offensichtlich hohlen, aber wirkungsvollen Parolen der rechten Agitatoren argumentiert werden könnte.
Wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben, auch in diesem Hause Verbündete für eine solche Strategie zu finden.
Erfreulich ist, dass wir endlich eine Debatte darüber bekommen, dass wir ohne Einwanderung gar nicht weitermachen können. Das ist ein Fortschritt und wird hoffentlich auch zur Akzeptanz ausländischer Mitbürger beitragen. Trotzdem besteht auch Anlass anzumahnen, dass Politiker überlegen, was sie auslösen, wenn sie sich an der Diskussion beteiligen. Wir alle wissen, wie sensibel das Thema ist. Ich werde heute zu dem Thema Leitkultur nichts weiter ausführen. Wir haben uns dazu geäußert und stehen zu unserer Pressemitteilung. Wer schwammige Begriffe in den Raum stellt, muss damit rechnen, dass dadurch alle Formen von Interpretationen möglich gemacht werden. Auch da bitten wir darum, dass man verantwortungsbewusst mit Begriffen umgeht.
Wir brauchen zusammenfassend das, was der JusoBundesvorsitzende Mikfeld mit dem treffenden Ausdruck als „doppelte Integration“ bezeichnet hat: Wir müssen Einwanderer in unsere Gesellschaft integrieren, aber wir müssen genauso dafür sorgen, dass die sozial Schwachen und gesellschaftlich Ausgegrenzten in unserem Land in die Gesellschaft integriert werden.
Das ist die große Herausforderung, vor der wir stehen. Diese Aufgabe steht leider im Widerspruch zu der Zielsetzung, die Lage der öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Die Finanzen aber dürfen nicht wichtiger sein als der soziale Frieden.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. - Wenn ich die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD zu Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in Schleswig-Holstein betrachte, dann komme ich leider zu dem Schluss, dass die Beantwortung in zweierlei Hinsicht blutleer ist: Sie lässt im Umgang mit der Vergangenheit den Geist von 1989 vermissen, auf den sie sich beruft,
Die Aussagen der Ministerpräsidentin lassen aber hoffen, dass diese Ansätze in den Ausschüssen vertieft debattiert werden. Gleichzeitig macht der Bericht aber auch deutlich, dass wir uns noch viel mehr mit dem Phänomen Rechtsextremismus auseinander setzen müssen.
frage aber, ob die Antwort auf die Große Anfrage an den Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung überwiesen werden soll.
(Lothar Hay [SPD]: Bildungsausschuss, So- zialausschuss und Innen- und Rechtsaus- schuss ist von Herrn Rother in seinem Rede- beitrag beantragt worden!)
- Überweisung federführend an den Innenund Rechtsausschuss und mitberatend an den Bildungsausschuss und den Sozialausschuss! Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Ehe ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, erlaube ich mir eine Bemerkung. Es heißt zwar: „Ein schöner Rücken kann auch entzücken“, ich bitte dennoch, nicht nur aus Höflichkeit gegenüber dem Präsidium, sondern vor allem aus Höflichkeit den Rednerinnen und Rednern gegenüber, dass Sie uns während der Debatte Ihre vordere Seite zuwenden.