Protocol of the Session on November 15, 2000

Herrn Dr. Wiebe und Herrn Zahn. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Puls.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPDLandtagsfraktion hält den beantragten Untersuchungsausschuss für unsinnig, für unnötig und für unangemessen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Unsinnig ist es, einen Untersuchungssausschuss zur Aufklärung von Tatsachen einzusetzen, die bereits aufgeklärt sind.

(Lachen bei der CDU)

Unnötig ist es, in einem Untersuchungsausschuss beraten und bewerten zu lassen, was ohne weiteres und ebenso gut im zuständigen parlamentarischen Fachausschuss beraten und bewertet werden könnte.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Klaus Schlie [CDU]: Das haben wir gesehen!)

Und unangemessen ist es, zur Beantwortung einiger weniger offener Detailfragen einen Untersuchungsausschuss einzusetzen und Landtagsabgeordnete von der Arbeit abzuhalten, für die sie gewählt worden sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW] - Lachen bei der CDU - Zurufe - Glocke des Präsidenten)

Vielleicht können wir im Plenum trotzdem zu einer Arbeitsruhe zurückkehren!

Meine Damen und Herren, das, worum es den Antragstellern geht, nämlich die Tatsache, dass der Wirtschaftsminister einen Vermerk über staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen seinen Staatssekretär an den Staatssekretär weitergeleitet hat, steht fest, ist unstreitig, ist aufgeklärt und nicht mehr aufklärungsbedürftig.

(Lachen des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Dass durch die Weitergabe des Vermerks staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nicht gefährdet wurden, weil zum Zeitpunkt der Weitergabe am 12. Mai dieses

(Klaus-Peter Puls)

Jahres die im Vermerk für den 11. Mai angekündigten Ermittlungen bereits abgeschlossen waren, steht ebenfalls fest.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das stimmt überhaupt nicht, Herr Puls!)

- Herr Kubicki, dass die Weitergabe als solche in dreifacher Hinsicht rechtlich gedeckt und abgesichert war - gleichgültig, wann dem Minister die Rechtmäßigkeit seines Handelns bestätigt wurde -, muss ebenfalls nicht mehr aufgeklärt werden.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das stimmt auch nicht!)

Tatsache ist, dass ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht und der Landesbeauftragte für den Datenschutz unabhängig voneinander festgestellt haben, dass die Unterrichtung des Staatssekretärs durch den vorgesetzten Fachminister nicht nur zulässig, sondern dienst- und datenschutzrechtlich geboten war.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das stimmt nicht! Sie haben das Schreiben offensichtlich nicht gelesen, Herr Puls!)

Tatsache ist auch, dass die zuständige Kieler Staatsanwaltschaft dem Minister ausdrücklich attestiert hat, dass keine Veranlassung bestand und besteht, gegen den Minister selbst wegen der Verletzung von Dienstoder Privatgeheimnissen zu ermitteln.

Was bleibt, ist die Frage, in welcher Form und auf welchem Weg der Wirtschaftsminister den staatsanwaltschaftlichen Vermerk erhalten und weitergeleitet hat, ob per Fax oder per Boten oder wie auch immer.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein derartig „gewichtiges“ Detail den verfassungsmäßigen Zweck eines Untersuchungsausschusses erfüllt, über Tatbestände im öffentlichen Interesse aufzuklären, Herr Kubicki! Ich bin vielmehr sicher, dass an dieser Frage in Schleswig-Holstein außer den Antragstellern überhaupt niemand interessiert ist.

(Klaus Schlie [CDU]: Fragen Sie mal den Herrn Staatsanwalt!)

Die Menschen in Schleswig-Holstein wollen, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen und ihnen helfen, ihre wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu lösen. Dass die Opposition in Ermangelung konstruktiver sachpolitischer Alternativen zur Regierung Regierungsmitglieder persönlich angeht, ist zwar nachvollziehbar, aber ebenso durchsichtig.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] - Heinz Maurus [CDU]: Jetzt kommt die pure Polemik!)

Die SPD-Landtagsfraktion wird sich bei der Abstimmung über den Antrag der Stimme enthalten, denn selbstverständlich respektieren wir das parlamentarische Minderheitsrecht, zu jedwedem Gegenstand einen Untersuchungsausschuss zu verlangen. Wir wollen mit unserer Enthaltung aber auch kundtun, dass wir diesen Untersuchungsausschuss für überflüssig halten. Es handelt sich nach unserer festen Überzeugung dabei um nichts anderes als den untauglichen Versuch, einem kompetenten und angesehenen Minister am Zeug zu flicken,

(Klaus Schlie [CDU]: Ein Unsinn!)

dem Sie fachlich nicht das Wasser reichen können.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es noch eines Beleges bedurft hätte, dass es eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses bedarf, dann war es der Redebeitrag des Kollegen Puls.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Herr Kollege Puls, dass Sie sich als Weißwascher betätigen, macht mich nachdenklich. Ich denke, es ist auch unangemessen im Hinblick auf das, was wir als Vorgang hier zu beobachten haben. Darauf komme ich gleich noch zurück.

„Untersuchungsausschüsse gehören zu den traditionellen Institutionen des parlamentarischen Regierungssystems in Bund und Ländern. Sie haben in der parlamentarischen Demokratie eine bedeutsame Aufgabe zu erfüllen.

Als Hilfsorgane sollen sie im Rahmen des ihnen erteilten Untersuchungsauftrages das Parlament bei seiner Arbeit unterstützen und seine Entscheidungen vorbereiten. Sie versetzen das Parlament in die Lage, weitgehend eigenständig und unabhängig von Regierung, öffentlicher Verwaltung und Justiz mit hoheitlichen Mitteln Sachverhalte zu überprüfen, an deren Aufklärung ein durch den Verfassungsauftrag der Vertretung des Volkes begründetes Interesse besteht.“

(Wolfgang Kubicki)

Diese Sätze, die das Bundesverfassungsgericht in seinem 49. Band formuliert hat, sind der Maßstab, an dem die F.D.P.-Landtagsfraktion ihre Entscheidung gemessen hat, die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu beantragen.

Die zunächst zu stellende Frage, ob der Anlass, die Weitergabe eines vertraulichen Berichts der Staatsanwaltschaft Lübeck an das Justizministerium über die Staatskanzlei und den Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein an den Beschuldigten, Staatssekretär Uwe Mantik, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses rechtfertigt, kann sicherlich unterschiedlich beantwortet werden.

Dies gilt insbesondere, wenn man beachtet, dass im Vordergrund der Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen die politische Auseinandersetzung zwischen dem Parlament und der Regierung einerseits sowie zwischen der Opposition und den die Regierung tragenden Fraktionen andererseits stehen und Untersuchungsausschüsse deshalb typischerweise als politische Kampfinstrumente, von denen insbesondere die Opposition Gebrauch zu machen pflegt, bezeichnet werden. Aber es ist unbestritten und unbestreitbar, dass der zur Untersuchung anstehende Vorgang sowohl in Schleswig-Holstein als auch in der gesamten Bundesrepublik Deutschland Einmaligkeitscharakter besitzt. Es gilt, Kollege Puls, die Hintergründe hierfür aufzuklären, die den Wirtschaftsminister veranlasst haben, sich - wie öffentlich erklärt - gegenüber Herrn Mantik in bemerkenswerter Weise fürsorglich zu verhalten. Ich sage es Ihnen an dieser Stelle auch noch einmal: Die Summe an Schwindeleien - man könnte auch sagen: an Lügen -, die der Wirtschaftsminister bisher der Öffentlichkeit und den Parlamentariern preisgegeben hat, rechtfertigt an sich schon die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses,

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

weil wir ihn nur so zu einer wahrheitsgemäßen Aussage zwingen können.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Es stimmt eben nicht, dass ihm die Staatskanzlei den BeStra-Vermerk aufgedrängt hat, er hat mehrfach versucht, sich diesen Vermerk zu besorgen.

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es! - Beifall bei F.D.P. und CDU)

Er wird uns erklären müssen, warum.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat am 14. November 2000 getitelt: „Verdächtige Fürsorge“ und unter Bezug auf die Pfeiffer/Barschel-Affäre und die Schubladen-Affäre ausgeführt:

„Beide Affären sind noch heute tief ins Gedächtnis der Kieler Polit-Akteure eingegraben.