Protocol of the Session on November 15, 2000

Ausstieg aus der Kernenergie heißt also nicht nur Abkehr von einer hoch gefährlichen Technologie, sondern ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz auf dieser Erde.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung ist daher auf dem richtigen Weg, wenn sie sich ehrgeizige Ziele setzt: Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie und im Sinne der Weltklimakonferenzen von Rio und Kyoto Reduzierung der CO2-Emissionen in Schleswig-Holstein. Dafür sind weitere Schritte erforderlich wie der in der Ihnen vorliegenden Drucksache erwähnte Ausbau der KraftWärme-Kopplung, die Nutzung nachwachsender Rohstoffe und die weitere Steigerung der Energiegewinnung aus Windkraftanlagen.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr gut!)

Das europäische Verbundsystem insbesondere mit den skandinavischen Ländern wird zur Bereitstellung der

Grundlasten beitragen. Wir sind willens, dieses Netz an geeigneten Standorten zu ergänzen. Wir werden uns auch intensiv mit dem Thema der Offshore-Anlagen auseinander setzen.

(Beifall bei der SPD)

Daneben - und wahrlich nicht zweitrangig - muss der sparsame Umgang mit Energie auf der Tagesordnung bleiben. Die Förderung entsprechender Bauweisen im Hochbau und Technologien hat an Wichtigkeit nicht verloren.

Die Antwort der Landesregierung zeigt, dass die Energiepolitik in diesem Land in der Sache und mit Rücksicht auf die Menschen betrieben wird und daher zukunftweisend ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die F.D.P.-Fraktion erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Christel Aschmoneit-Lücke das Wort.

(Martin Kayenburg [CDU]: So, nun wird das mal geradegerückt!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, zunächst möchte ich auf eines hinweisen: Sie haben im Zusammenhang mit unserer Kritik an Krümmel von ausstiegsorientiertem Gesetzesvollzug gesprochen. Wir haben das im Zusammenhang mit Krümmel nie gesagt, sondern wir haben diesen Ausdruck und dieses Verfahren im Zusammenhang mit Brunsbüttel bezüglich der Nadelstichpolitik bei den Überprüfungen kritisiert. Ich wollte das hier richtig stellen, damit auch die Menschen in Krümmel, die in der Tat sehr beunruhigt sind, sich nicht auf das beziehen können, was Sie eben gesagt haben, beziehungsweise damit Sie dies nicht wieder falsch zitieren können.

Graf Kerssenbrock, in einem muss ich auch Ihnen widersprechen: Ich fand, die Durcharbeitung des Berichts war überhaupt nicht schwierig angesichts der Zeit, die wir hatten,

(Heiterkeit der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

ich sage nur - wie Sie selbst - „Spaghetti oder Makkaroni?“.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

(Christel Aschmoneit-Lücke)

In Schleswig-Holstein ändert sich absolut nichts, jedenfalls nichts aufgrund des so genannten Atomkonsenses. - So könnte man diesen mit viel Liebe und Herzblut geschriebenen Bericht zusammenfassen. Auf immerhin 60 Seiten wird dem geneigten Leser noch einmal dargelegt, wie und warum aus Sicht der Landesregierung die friedliche Nutzung der Kernenergie entstand und schließlich verbannt werden musste.

Die „Auswirkungen der Vereinbarung über den Ausstieg aus der Atomenergie auf die Energiepolitik des Landes Schleswig-Holstein“ - so der viel versprechende Titel - bestehen im Wesentlichen darin, dass erstens die Restlaufzeiten von Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf nun auch vom Energieminister nicht mehr infrage gestellt werden können und dass zweitens mit der Einrichtung von Zwischenlagern an mindestens zwei schleswig-holsteinischen Anlagenstandorten zu rechnen ist. Erfolg, Erfolg!

Genauso hatten sich die Wählerinnen und Wähler von SPD und Grünen seit 1988 den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie vorgestellt!

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Wenn ich mich recht erinnere, hatte der Energieminister Jansen (SPD) das Ende der Kernkraftwerke im Land für 1993 angekündigt.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Jawohl, hat er gesagt! Ich kann mich erinnern!)

Jetzt heißt es auf den Seiten 9 und 10 des Berichtes: für Brunsbüttel noch 7,1, für Krümmel noch 14,3 und für Brokdorf noch 18,1 verbleibende Betriebsjahre

(Zurufe von F.D.P. und CDU)

bei Volllastbetrieb, jeweils gerechnet ab 1. Januar 2000

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Mehr hätten wir auch nicht gemacht!)

und ausschließlich jeglicher Zeit der Unterbrechung.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau übernimmt den Vorsitz)

Zu den Zwischenlagern darf ich folgenden Satz aus dem Bericht zitieren:

„Konsequenz aus der Errichtung standortnaher Zwischenlager ist, dass auf der einen Seite für die betroffene Bevölkerung in der Nähe der Kernkraftwerke das Gefahrenpotenzial aufgrund des erhöhten Aktivitätsinventars zweifellos erhöht wird.“

Welch weise Einsicht!

(Konrad Nabel [SPD]: Unglaubliche Kritik!)

- Das steht in Ihrem Bericht, Herr Nabel!

Wer dieses Ergebnis aus rot-grüner Sicht noch als Bestätigung der eigenen politischen Ankündigung verkaufen will, der nimmt nicht nur die Bevölkerung auf den Arm, der hat seine eigenen Wählerinnen und Wähler schon schwer getäuscht und der betrügt sich vor allem selbst mit großer Energie.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Ich will ganz bewusst nicht erneut das ganze Pro und Kontra der Kernenergie aufgreifen; darum geht es jedenfalls zurzeit in Deutschland oder in SchleswigHolstein nicht mehr - politisch nicht und energiewirtschaftlich auch nicht.

Hierzu in bemerkenswerter Offenheit der Bericht Zitat! -:

„Weite Teile der Öffentlichkeit sind es auch leid, immer wieder mit dem Thema ‘Atomkraft - ja oder nein?’ konfrontiert zu werden.“

Wer konfrontiert denn da eigentlich?

Aber eine etwas konkretere und kritischere Auseinandersetzung mit den Alternativen hätte ich mir - wie der Kollege Graf Kerssenbrock - schon gewünscht.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

Der lapidare Satz - Zitat! - „Das Energiekonzept Schleswig-Holsteins geht davon aus, dass im Jahre 2010 die Stromnachfrage in Schleswig-Holstein vollständig aus nicht nuklearen Kraftwerken gedeckt werden könnte“, reicht mir jedenfalls nicht aus.

Fragen Sie doch einmal Ihren eigenen Energieminister in Berlin, was er wirklich von der Effizienz von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen hält! Ich hatte neulich das Vergnügen - in der letzten Woche -, mit ihm zu sprechen. Glauben Sie wirklich, dass sich billigere Stromimporte aus dem Ausland - aus welchen Anlagen dann auch immer - verhindern lassen, wenn in unserem Land die Preise gesetzlich verteuert werden?

(Martin Kayenburg [CDU]: Mit Sicherheit nicht! - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Ist es nicht vielmehr fraglich, ob wir auf Dauer überhaupt noch Produktionsstandort für Energie bleiben werden?

(Martin Kayenburg [CDU]: Genau, dies war eben die Frage!)

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen! Der vorliegende Bericht macht deutlich: Mit oder ohne Energiekonsens - die Politik der Landesregierung heißt „Weiter wie bisher!“.

Die Realität mit dem Atomkonsens heißt: Die Kernkraftwerke werden weiter laufen, weit über die Restlaufzeit dieser Landesregierung hinaus!