Protocol of the Session on November 11, 2004

Wir sind mit dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ins Gespräch gekommen und haben unsere Einschätzungen und Vorstellungen dargelegt. Ich bin sicher, dass

nunmehr in Abstimmung mit den anderen Ländern eine geeignete Lösung gefunden wird. Ich finde, dass ist ein klares Signal für den Verbraucherschutz - und, meine Damen und Herren, einmal mehr aus Schleswig-Holstein.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich danke der Frau Ministerin für diesen Bericht und eröffne jetzt die Aussprache. Zunächst erteile ich Herrn Abgeordneten Ehlers das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgeschreckt durch die Presseberichterstattung haben schon viele den nächsten Skandal in der Landwirtschaft gesehen. Glücklicherweise hat sich herausgestellt, dass nicht alle Behauptungen den Tatsachen entsprechen und Tiermehl nicht in dunklen Kanälen versickert ist. Es bleibt jedoch ein Unbehagen. Dies ist durch Pressemitteilungen Ende September noch verstärkt worden. Es ist der Eindruck entstanden, dass Tiermehle, die als Düngemittel vorgesehen sind, eventuell auch im Futtertrog gelandet sein können. Die Auskunft im Ausschuss, nach Anlieferung auf den Höfen könne die Verwendung der Tiermehle nicht mehr nachvollzogen werden, trägt nicht gerade zur Vertrauensbildung in der Bevölkerung bei. Besonders pikant ist dieser Sachverhalt deshalb, weil Tiermehle offensichtlich vorrangig im ökologischen Landbau als Düngemittel zum Einsatz kommen.

(Lachen des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich denke nicht daran, den Ökobetrieben pauschal ein Fehlverhalten vorzuwerfen. Aber die Möglichkeit, dass etwas geschieht, was nicht zulässig ist, hinterlässt einen schlechten Beigeschmack, Herr Minister.

Tiermehle werden in drei Kategorien eingeteilt. In die Kategorie 3 werden Tiermehle eingestuft, die aus Fleisch hergestellt werden, das für den menschlichen Genuss zugelassen ist. Hier stellt sich sehr wohl die Frage, warum das, was für Menschen geeignet ist, für Tiere, die keine Wiederkäuer sind, nicht geeignet sein soll. Allein die derzeitige Situation, entstanden durch die BSE-Krise, macht die Verfütterung unmöglich. Die Verfütterung von Tiermehl ist der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln.

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Franzen [SPD])

(Claus Ehlers)

Dies muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Obwohl - nüchtern betrachtet - nichts gegen die Verfütterung von Tiermehl in der Kategorie 3 spricht - natürlich nicht an Wiederkäuer.

Verbraucherinnen und Verbraucher sind sehr sensibel geworden, wenn es um die Gesundheit von Lebensmitteln geht. Und das ist auch gut so. Dies ist gelegentlich auch mit einer überzogenen Reaktion verbunden, aber auch das ist oftmals verständlich. Umso mehr ist uns daran gelegen, kein neues Misstrauen in der Öffentlichkeit aufkommen zu lassen. Deshalb müssen alle Tiermehle lückenlos rückverfolgbar sein.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Anders ist das weitgehend zurückgewonnene Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zu erhalten. Besonders schwerwiegend wäre, wenn Ökobetriebe, die Tiermehle als Dünger einsetzen, Teile davon verfüttert haben sollten. Dann wäre jedes Vertrauen verloren. Da hilft es auch nicht weiter, wenn 80 % der Ökobetriebe sich verpflichtet haben, keine Tiermehle einzusetzen. Es sollte auch bekannt sein, dass Bioprodukte von überall herkommen und schleswig-holsteinische Betriebe daher für die Produkte in den Märkten keine Hand ins Feuer legen können. Deshalb wäre ein Tiermehlverbot für landwirtschaftliche Betriebe die konsequenteste und radikalste Lösung. Aber das ist - ich habe es bereits ausgeführt - fachlich und sachlich nicht begründbar. Hier geht es eben nur noch um Empfindungen der Öffentlichkeit, die wir aber sehr ernst nehmen müssen.

Diese erneute Diskussion über Tiermehl hat gezeigt, dass es nicht jedem vergönnt ist, seine Meinung frei zu äußern. Erst recht dann nicht, wenn sich diese Meinung, wenn auch vorsichtig-kritisch, gegen grüne Interessen stellt. Sie war richtig und notwendig, weil sie eine Lücke bei der Tiermehl-Rückverfolgbarkeit aufgezeigt hat. Dafür sollten Kritiker nicht mundtod gemacht werden, sondern Anerkennung finden. Da noch viel Aufklärungsbedarf besteht, beantragt die CDU-Fraktion Ausschussüberweisung.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Malerius das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Da Herr Wodarz heute erkrankt ist, werde ich hier seinen Redebeitrag vortragen. - Ich glaube, ich spreche in aller Namen, dass wir ihm von hier aus die besten Genesungswünsche übermitteln.

(Beifall)

Leider machten Lebensmittelskandale in den vergangenen Jahren immer wieder Schlagzeilen. Oftmals erwiesen sich diese Skandale aber bei genauerem Hinsehen nicht als Lebensmittel-, sondern als Futtermittelskandal. Die Folgen waren in den meisten Fällen schwerwiegende Imageschäden und finanzielle Einbrüche bei den Erzeugern.

Die Aktualität dieses Berichtsantrages wird von den Dioxinfunden in Futtermitteln in den Niederlanden und bei drei Betrieben in Nordrhein-Westfalen überlagert.

Als Herr Wodarz für die SPD-Fraktion eine erste Information durch das Ministerium im Ausschuss anforderte, musste er eine Rüge des Kollegen Hopp einstecken, der ihn tadelte, dieses Thema weiterhin öffentlich zu diskutieren.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, welch ein Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit! Wir können uns weder gegen kriminelle Machenschaften noch gegen menschliches Versagen schützen. 100-prozentige Sicherheit gibt es auch nicht bei Lebensmitteln. Das Schlimmste, was sich öffentliche Stellen aber leisten können, ist ein Vertuschen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Claus Eh- lers [CDU]: So ist das!)

Das war der Grund für die SPD-Fraktion, die Fakten offensiv auf den Tisch zu legen, um Gerüchte und Verunsicherungen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Claus Eh- lers [CDU]: Ganz unsere Meinung!)

Meine Damen und Herren, um eines vorwegzunehmen, der Foodwatch-Bericht basiert auf Spekulationen; er bleibt Beweise für den geäußerten Verdacht schuldig und es ist unwahrscheinlich, dass Verbraucher in diesem Zusammenhang zu Schaden gekommen sind.

(Beifall bei der FDP)

(Wilhelm-Karl Malerius)

Dennoch wurde durch den Bericht auf ein Problem aufmerksam gemacht, dessen Lösung wir uns annehmen müssen.

Während es ausreichende Regelungen zur Kontrolle von Futtermitteln gibt - gerade das hat der neueste Dioxinskandal bewiesen - und auch die behördlichen Reaktionen zeitnah und angemessen waren, so bleibt eine Überwachungslücke bei Tiermehlen, die zu Düngezwecken vorgesehen sind.

Eine missbräuchliche Verwendung als Futtermittel ist theoretisch möglich, da es bislang kein geeignetes Verfahren für eine so genannte Vergällung gibt und die Stoffströme durch die Düngemittelverordnung nicht erfasst werden

Meine Damen und Herren, aber auch hier möchte ich gleich relativieren: Die Praxis großer, oft zertifizierter Mästerbetriebe in unserem Land lässt einen Missbrauch kaum zu. Die Gefahr strafrechtlicher und wirtschaftlicher Sanktionen steht in keinem Verhältnis zu dem Preisvorteil, den der Mäster bei der missbräuchlichen Verwendung von Tiermehl hätte. Die Eigenkontrolle zum Beispiel bei den gängigen Markenfleischprogrammen würde derartige Praktiken sofort entdecken.

Weiterhin müssen wir bei allen Vorschlägen für eine schärfere Kontrolle den finanziellen und bürokratischen Mehraufwand bedenken. Obwohl wir in Schleswig-Holstein diese Erfassungslücke in Zusammenarbeit mit den Tierkörperbeseitigungsanlagen schnell in den Griff bekommen könnten, scheitert dieser Ansatz aber schon an dem freien Warenverkehr, das heißt, Tiermehle aus anderen Bundesländern bekommen wir überhaupt nicht in den Griff.

Ein anderer Ansatz wäre eine generelle Anzeigepflicht für Betriebe, die Tiermehl zu Düngezwecken einsetzen. Man hätte damit die Risikogruppe eingegrenzt und könnte die Futtermittel entsprechend beproben. Das bedürfte aber einer bundeseinheitlichen Regelung. In Österreich wird nach diesem Prinzip verfahren.

Die ultimative Lösung wäre wohl ein generelles Verbot von Tiermehlen zu Futter- oder Düngezwecken.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Dann stellt sich uns die Frage der Entsorgung neu und es wird der hohe Wert des Tiermehls als mineralischer Dünger verkannt.

An dieser Stelle möchte ich mit dem Unsinn aufräumen, Herr Ehlers, Tiermehle würden vornehmlich im ökologischen Landbau eingesetzt.

(Günther Hildebrand [FDP]: So ist es!)

Die bekannten Ökoverbände verbieten diesen Einsatz ohnehin und es ist Fakt, dass der Löwenanteil der Tiermehle im konventionellen Landbau zu Düngezwecken eingesetzt wird.

Es drängt sich hier der unschädliche Einsatz von Tiermehlen als Zusatzstoff in der Zementherstellung und der thermischen Verwertung auf. Ich halte diese Idee für sinnvoll, doch haben wir damit immer noch nicht ein praktikables Kontrollsystem gegen eine missbräuchliche Verwendung.

Von daher bittet die SPD-Fraktion die Landesregierung, auf Bundesebene initiativ zu werden, um zu einer Regelung zu kommen, die es unmöglich macht, Tiermehl entgegen den gesetzlichen Bestimmungen als Futtermittel einzusetzen.

(Beifall bei der SPD - Jürgen Feddersen [CDU]: Die Künast will das doch nicht!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hätte sich Foodwatch nur ein bisschen mehr daran gehalten: Augen auf, Mund zu. - So lautete nämlich ihre Überschrift, mit der die Verbraucherschutzorganisation Anfang Oktober unter dem Titel „BSEPolitik außer Kontrolle" quasi eine neue Lebensmittelkrise heraufbeschwor.

Erneut wurde Tiermehl als Risikofaktor für den Verbraucher ausgemacht, nur leider in so reißerischer Form, dass eine sachliche Auseinandersetzung dadurch nicht gerade erleichtert wurde. Aber genau diese sachliche Auseinandersetzung ist wichtig.

Foodwatch hat selbstverständlich Recht, die Augen offen zu halten und auf mögliche Gefährdungen im Falle unzulässiger Verwendungen von Tiermehl aufmerksam zu machen. Das ist sogar die Aufgabe der Verbraucherschützer.