Protocol of the Session on September 23, 2004

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch an der Westküste wird es den Kormoranen enger, weil unser Wappenvogel auch dort immer häufiger gesichtet wird. Fest steht: Eine zwingende Notwendigkeit zur Regulierung der Population der Meerraben besteht nicht.

Einziger Anlass für den Vorstoß der CDU ist der „Schutz der heimischen Tierwelt“. So stellen Sie es in Ihrem Antrag dar. Welche Tierwelt meinen Sie denn?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Fische!)

Von einem ungeregelten und flächendeckenden Abschuss werden nicht nur Scharen von rastenden Wasservogelarten aufgescheucht, sondern auch die angehenden Brutvögel der nächsten Saison beeinträchtig. Sollen wir etwa mit Kanonen auf Spatzen, pardon Kormorane, schießen?

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich erinnere mich wieder einmal an den untauglichen Gesetzesentwurf der CDU zum Landesnaturschutzgesetz. Demzufolge war darin jedenfalls das Ziel formuliert, mit weniger Bürokratie und Regelungen zu mehr Naturschutz zu gelangen. Mit der von Ihnen vorgelegten Verordnung würden wir ein Fass ohne Boden aufmachen.

(Veronika Kolb [FDP]: Sagen Sie uns doch einmal, was Sie wollen!)

Welche Art wäre denn die nächste? Welche Population hätte die CDU als nächste im Visier, um sie auf ein verträgliches Maß zu reduzieren?

Herr Hildebrand, Sie haben gesagt, dass wir diese Debatte schon lange führen. Sie haben auch gesagt, seitdem habe sich nichts getan. Das ist nicht richtig.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es gibt mehr Kormorane!)

Wir haben zu Anfang dieser Debatte gesagt: Lasst uns

(Detlef Matthiessen)

doch die Situation abwarten. Es gibt eine Selbstregulierung innerhalb der Natur.

(Ursula Sassen [CDU]: Das sagt man bei den Bisams auch!)

Wir beobachten eine kontinuierliche und nennenswerte Reduzierung der Bestände des Kormoran. Das ist schon lange zu beobachten, insofern nicht neu. Es gibt eine Veränderung gegenüber dem Zeitpunkt, zu dem wir in die Debatten eingestiegen sind.

Wir sollten an dieser Stelle noch einen Blick auf das aus meiner Sicht völlig überkommene, eindimensionale Schädlings-/Nützlingsdenken werfen. So einfach ist Ökologie eben nicht

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

selbst bei einem Fischjäger wie dem Kormoran: Die Art trägt nämlich stellenweise zur Sanierung von Gewässern bei, die durch Eutrophierung stark belastet sind.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Durch das Erbeuten von Weißfischen kann sich Zooplankton besser vermehren, zur Filtrieren dieser Gewässer beitragen, also einer Überernährung der Gewässer, einem übermäßigen Algenwachstum entgegenwirken.

Das Lied, das Sie regelmäßig abspielen, ist nichts zum Mitschunkeln, Frau Todsen-Reese. Es ist eher langweilig und nervend. Ich bin strikt gegen die von der CDU vorgelegte Verordnung. Sie dient weder dem Naturschutz noch den fischereiwirtschaftlichen Interessen. Die bisherigen Regelungen reichen aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einige Fakten voranstellen.

Erstens. Die Häufigkeit des Kormorans hat sich in den letzten Jahren stabilisiert. Es gibt rund 2.500 Brutpaare und eine entsprechende Anzahl von Einzeltieren. Ob sich die Gesamtzahl dabei um 10.000 Kormorane bewegt oder ob sie etwas darunter oder darüber liegt, sei einmal dahingestellt. Festzustellen bleibt: Die Zahl der Kormorane ist nicht größer ge

worden und damit auch nicht die möglicherweise mit ihnen verbundenen Probleme.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wenn die Teiche erst einmal leer gefischt sind!)

Zweitens gibt es heute schon per Erlass die rechtliche Möglichkeit von Vergrämungsabschüssen, Herr Kubicki.

(Konrad Nabel [SPD]: So ist es!)

Wer das Protokoll der Umweltausschusssitzung vom 30. Oktober 2002 noch einmal nachliest - wir waren ja alle da -, wird feststellen können, dass bis 1997 jährlich zwischen 110 und 250 Kormorane geschossen worden sind und dass sich die Anzahl der Abschüsse in Schleswig-Holstein danach auf zeitweise 600 Tiere pro Jahr erhöht hatte. Vergrämungsabschüsse sind heute immer noch grundsätzlich möglich.

Drittens stelle ich fest, dass auch die Verhinderung der Neubildung und der Wiederbesetzung von Kormorankolonien per Erlass zulässig ist.

Viertens gibt es bundesgesetzliche Regelungen im Bundesnaturschutzgesetz, die bestandsregulierende Maßnahmen zulassen, wenn diese der Pflege von Natur und Landschaft dienen oder wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls, also auch die Fischerei, dieses erfordern. Das heißt, auch langfristig bestandsregulierende Maßnahmen sind möglich.

Es gibt also derzeit keinen Grund, eine gesonderte Kormoranverordnung zu erlassen. Das, was man in anderen Bundesländern gemacht hat, ist bei uns absolut verzichtbar, weil hier schon jetzt alle Möglichkeiten zur Bestandsregulierung geschaffen worden sind und somit kein Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man den Kormoran betrachtet - das hat der Kollege Matthiessen soeben richtig gesagt -, dann ist er nicht nur ein Fischräuber, sondern eben auch ein Tier, das zur Regulierung des Naturhaushaltes beiträgt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben herausgefunden, dass es anscheinend einen Zusammenhang zwischen den Kormoranbeständen und der Qualität des Wassers in den betreffenden Gewässern gibt. Dort, wo sich der Kormoran angesiedelt hat, hat sich die Wasserqualität oftmals verbessert. Auch dies ist eine Seite der Medaille, die beachtet werden muss.

Sicherlich gibt es punktuell Probleme hinsichtlich des Bestandes des Kormorans und der an den Gewässern tätigen Fischwirtschaft; aber diese Probleme können

(Lars Harms)

gelöst werden. Für diese Einzelfälle reicht das derzeitige rechtliche Instrumentarium aus.

Überhaupt muss man unserer Meinung nach die Relationen im Auge behalten. Man schätzt die europäischen Bestände auf rund 850.000 Kormorane. Wir haben nur 10.000. Ein Großteil dieser Vögel lebt in den skandinavischen Ländern und nicht hier bei uns. Will man die Bestände verringern, braucht man europaweite Regelungen. Landesverordnungen reichen nicht aus.

In Dänemark hat man ähnliche Maßnahmen wie in Schleswig-Holstein angewandt. Insbesondere hat man auch dort nicht auf verstärkte Abschüsse gesetzt, sondern Kormorane überwiegend durch Schüsse vertrieben und vor allem die Gelege mit Öl besprüht, um so das Ausbrüten dieser Gelege zu verhindern. Diese Maßnahmen haben nach dortigen Erkenntnissen zu Erfolgen geführt, die dann in einen Managementplan für ganz Dänemark für die Jahre 2002 bis 2006 eingeflossen sind.

Die über Jahre beobachtete Zunahme von Kormoranen in Dänemark setzt sich derzeit nicht mehr fort. Das tut sie hier bei uns auch nicht. Man berichtet dort nun von leicht sinkenden Beständen, genau wie bei uns.

Das heißt, in Dänemark hat man mit ähnlichen Maßnahmen wie bei uns ähnliche Erfolge erzielen können. Es wäre allerdings zu überlegen, ob ein Managementplan, wie er in Dänemark besteht, auch bei uns sinnvoll wäre. Das bedeutet dann auch, dass die Bestände zentral geplant werden müssen und eben nicht eine so weit gehende Ermächtigung für Abschüsse wie im vorliegenden Verordnungsentwurf nötig ist. Das muss zentral geregelt werden, und der einzelne Fischwirt darf hierauf keinen Einfluss haben.

Ich habe vorhin schon gesagt, dass es punktuell Probleme mit den Kormoranbeständen gibt. Diese Probleme müssen daher auch im Einzelfall gelöst werden. Der Erlass des Umweltministeriums von 2002 lässt nur Bestandsregulierungsmaßnahmen zu, wenn sich die betreffenden Gebiete außerhalb von geschützten Gebieten befinden. Was grundsätzlich gut gemeint ist, kann im Einzelfall ein formelles Hindernis sein. Deshalb plädieren wir dafür, zum Zwecke des Erhaltes der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und zur Abwendung gemeinwirtschaftlicher Schäden auch in diesen Gebieten Regulierungsmaßnahmen zuzulassen - und nun die Einschränkung: -, sofern dies den ausdrücklich formulierten Schutzzielen in diesen Gebieten nicht widerspricht.

Wenn es sich um ein Vogelschutzgebiet handelt, in dem der Kormoran geschützt werden soll, kann man

ihn nicht abschießen. Ansonsten muss man zumindest über Bestandsregulierungsmaßnahmen reden dürfen. Das wäre auch durch das Bundesnaturschutzgesetz und auch durch EU-Recht gedeckt und würde bedeuten, dass in Naturschutzgebieten, NATURA 2000Gebieten oder auch in Nationalparken die Bestände des Kormorans einzelfallbezogen und als große Ausnahme reguliert werden könnten. Um das auch ganz klar festzustellen: Das bedeutet nicht immer Abschüsse, sondern das heißt eben beispielsweise auch, an die Gelege zu gehen.

Ich denke, dass wir mit einem zentralen Managementplan und mit der soeben von mir vorgeschlagenen Änderung des Erlasses vernünftige Regelungen zugunsten von Natur und Landschaft unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Fischwirtschaft erzielen können. Eine weitere Verordnung brauchen wir aber nicht. Sie ist völlig überflüssig.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen noch zwei Wortmeldungen nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Zunächst erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Todsen-Reese, aus meiner Sicht - ich spreche hier nur für mich und nicht für die FDPFraktion - ist Ihr Entwurf weder geeignet, die bestehenden Probleme der Fischereiwirtschaft zu entschärfen noch die heimische Tierwelt besser zu schützen. Ich will Ihnen auch sagen, warum.

Erstens gehen Sie per se davon aus, dass eine einzelne Tierart für die mangelnden Erträge der Fischereiwirtschaft verantwortlich ist. Andere Umwelteinflüsse blenden Sie komplett aus. Auf den Gewässerverbau oder die Gewässerverschmutzung zum Beispiel gehen Sie gar nicht ein. Sie sind auch in Ihrer Rede nicht darauf eingegangen. Diese Faktoren bilden aber jedenfalls meines Wissens einen wesentlich größeren Anteil am Rückgang der Fischpopulation als die vermeintlichen Fraßschäden durch den Kormoran.