Protocol of the Session on September 22, 2004

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen dem Präsidium nicht vor; dann schließe ich die Beratung. Ich darf fragen, wie weiter verfahren werden soll. Ist die Überweisung an den Ausschuss beantragt oder Abstimmung in der Sache?

(Zurufe: Abstimmung in der Sache!)

- Gut. Wer diesem Antrag der CDU mit dem Titel „Nachtrag zu den Haushalten 2004/2005“, Drucksache 15/3660, in der Sache seine Zustimmung geben will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? -

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zurufe von der SPD)

- Ich darf darauf hinweisen, dass wir uns in der Abstimmung befinden und wir extra vor dem neu gebauten Plenarsaal ein Foyer für private Gespräche haben, Frau Kollegin.

Ich darf das Abstimmungsergebnis bekannt geben. Der Antrag der Fraktion der CDU „Nachtrag zu den Haushalten 2004/2005“ ist mit den Stimmen von SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der CDU in der Sache abgelehnt. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Vorbereitung der LKW-Maut

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3662

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Ich darf darauf hinweisen, dass mit dem Antrag ein mündlicher und schriftlicher Bericht in dieser Tagung beantragt wird. Ich lasse zunächst über die gewünschte Berichterstattung abstimmen. Wer dem Antrag auf einen mündlichen und schriftlichen Bericht in dieser Tagung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.

Wir haben also beschlossen, dass in dieser Tagung ein mündlicher und ein schriftlicher Bericht gegeben werden soll.

Ich gehe davon aus, dass zunächst der mündliche Bericht gegeben wird, und darf für die Landesregierung Herrn Minister Prof. Dr. Rohwer das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns mit dem Antragsteller darauf verständigt, dass ich einen mündlichen Bericht gebe, der zeitgleich schriftlich in Form meiner Rede vorgelegt wird, und wir dann im Ausschuss die Dinge weiter beraten können.

Gern berichte ich heute über die LKW-Mautumsetzung in Schleswig-Holstein. Ich gehe davon aus, dass wir gemeinsam der Meinung sind, dass die Maut zum 1. Januar 2005 funktionieren muss, und zwar nicht nur wegen der Einnahmen, sondern auch, damit wir nach außen das Zeichen für die deutsche Industrie geben können, dass das Mautsystem funktioniert hat, dass die deutsche Industrie das wuppt.

An den Autobahnen in Schleswig-Holstein hat sich in den letzten Monaten einiges getan, die Arbeiten an den insgesamt elf Mautbrücken an den Autobahnen A 1, A 7, A 23 und A 24 sind abgeschlossen. Für die manuelle Einbuchung stehen den LKW-Fahrern in Schleswig-Holstein 120 Mautstellenterminals in der Nähe aller Autobahnauffahrten zur Verfügung. Toll Collect hat zum Auffinden der Terminalstandorte übersichtliche Karten in das Internet eingestellt, sodass auch ortsunkundige Fahrer diese Mautstellen problemlos anfahren können.

Die technischen Probleme aufgrund einer fehlerhaften Software der On-Board-Units hat Toll Collect behoben. Ein Gutachtertest führte im Mai dieses Jahres auf allen 5.200 mautpflichtigen Streckenabschnitten zu einer Erfassungsquote von 99,2 %.

Wie geht es weiter? Toll Collect hat die Generalprobe, deren Beginn für den 1. Januar 2005 geplant war, vorgezogen und gestern bekannt gegeben, dass mit dem gutachterlich überwachten Probebetrieb bereits gestern begonnen wurde. Diese Generalprobe läuft bis zum 30. November. Gravierende Probleme sind nach Aussage von Toll Collect nicht zu erwarten. Wir müssen uns das aber genau anschauen.

Ab dem 1. Januar 2005 wird das Mautsystem in der vorliegenden vereinfachten Form mit geringfügig eingeschränkten Funktionalitäten der On-BoardUnits starten. Ab diesem Zeitpunkt besteht auch die Möglichkeit der Mauterfassung über eine Internetbuchung sowie über die 120 im Land zur Verfügung stehenden Mautstellenterminals. Sie wissen, wir haben drei Buchungswege: die Terminals, das Internet und die On-Board-Units. Am 1. Januar 2006, also ein Jahr später, erfolgt dann der Start des ursprünglich vorgesehenen Mautsystems mit der endgültigen Version des On-Board-Unit-Systems einschließlich einer neuen Software. Die Units selbst müssen dann nicht

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

mehr ausgetauscht werden. Wenigstens das ist erfreulich.

Der Unsicherheitsfaktor für den 1. Januar 2005 ist nach Aussage der Experten nicht technischer, sondern eher organisatorischer Art. Das tröstet allerdings noch nicht hinreichend, denn es besteht folgendes Problem: Bisher sind erst circa 80.000 On-Board-Units der zweiten Generation eingebaut worden, obwohl - und das ist bemerkenswert - mehr als 152.000 vorbestellte Geräte von Toll Collect an die Werkstätten ausgeliefert wurden. Diese Zahlen haben wir erst gestern erhalten. Ganz offensichtlich gibt es also Verzögerungen zwischen der Auslieferung in den Werkstätten an die eigentlichen LKW-Fahrer und dem Einbau der Units. Offensichtlich zögern einige, diese Units einzubauen. Insofern appelliere ich an dieser Stelle - ähnlich wie bei Hartz IV - auch an die Betroffenen: Warten Sie nicht auf den Termin 1. Januar 2005, sondern bereiten Sie sich darauf vor!

Ich habe Verständnis, wenn die Kosten für den Einbau der Mauterfassungsgeräte ein bisschen hinausgeschoben werden. Es darf sich dann aber niemand beklagen, wenn er nicht über diese Technik buchen kann, sondern über das Internet buchen muss. Das ist dann die Konsequenz. Vorbereitung muss also sein. Die Mautterminals befinden sich generell auf Autohöfen und Tankstellen. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass auch in den großen Ostseehäfen des Landes, die die Einfallstore für den Transitverkehr aus dem Ostseeraum sind, und am Grenzübergang der A 7 nach Dänemark Mautterminals in ausreichender Zahl eingerichtet werden. Diese Forderung ist inzwischen erfüllt worden, sodass direkt am Grenzübergang und in Padborg mehrere Mautterminals zur Verfügung stehen. Auch in Kiel und Lübeck wird eine ausreichende Zahl an Mautterminals zur Verfügung stehen. Dies genügt allerdings noch nicht, denn in diesen Häfen kommen eine Reihe von LKWs an, die keine On-Board-Unit haben. Deswegen müssen wir sicherstellen, dass dort auch eine Buchung über das Ziehen von Mauttickets ermöglicht werden kann. Ich bin aber sicher, dass wir das noch schaffen.

Fazit: Zurzeit spricht alles dafür, dass die Maut zum 1. Januar starten kann und dass sie auch in SchleswigHolstein funktionieren wird. Ich möchte aber noch einmal an die Beteiligten appellieren: Warten Sie nicht bis zum 31. Dezember, sondern bereiten Sie sich so vor, dass die Geräte, die verteilt worden sind, auch wirklich genutzt werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Abgeordneter Roswitha Strauß das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Rohwer, ich danke für diesen Bericht. Wir hätten ihn gern etwas dezidierter schriftlich gehabt, wir haben uns aber verständigt, das ist in Ordnung so. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass die große Generalprobe seit gestern läuft und bis zum 30. November laufen wird.

Exakt vor einem Jahr haben wir hier im Landtag über die Mauteinführung diskutiert. Der Kollege Schröder von der SPD überschrieb seine Ausführungen damals mit den Worten: Die Maut ist eingeführt, es hapert am Betrieb. Inzwischen wissen wir: Die Maut ist nicht eingeführt, sondern wir mussten ein Mautdesaster mit Milliardenverlusten für die deutsche Verkehrsinfrastruktur hinnehmen. Die politische Verantwortung für dieses Desaster trägt die rot-grüne Bundesregierung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ob der hier angerichtete Schaden von 4,6 Milliarden € inklusive Zinsen durch Forderungen des Bundes an den Auftragnehmer Toll Collect überhaupt oder auch nur annähernd wieder ausgeglichen werden kann, steht in den Sternen. Zudem hat die Forderung von Bundesverkehrsminister Stolpe einen mächtigen Haken: Im Erfolgsfall schwächt sie zwei große deutsche Unternehmen. Obendrein gehört das eine Unternehmen, die Telekom, mehrheitlich dem Bund. Wie auch immer das Ergebnis sein wird: Wieder einmal haben wir Dank der rot-grünen Bundespolitik nur die Wahl zwischen „Pest und Cholera“.

Sicher ist, dass das Mautdesaster dem Norden erheblich geschadet hat und Schleswig-Holstein mit wichtigen Verkehrsprojekten auf dem Abstellgleis gelandet ist oder erhebliche Verzögerungen hinnehmen muss. Dem Bundeshaushalt fehlen Mauteinnahmen in Höhe von 3,4 Milliarden € pro Jahr. Die dramatischen Folgen für die Verkehrsinfrastruktur werden durch die mittelfristige Finanzplanung offenbart. Demnach sinken die investiven Ausgaben für die Bundesfernstraßen von 4,8 Milliarden € - dem Soll für 2004 - auf 4,3 Milliarden € für 2008. Für die Eisenbahnen des Bundes sinken die Ausgaben von 4,4 Milliarden € - dem Soll für 2004 - auf 2,2 Milliarden € in 2008. Für die Bundeswasserstraßen sinken die investiven Ausgaben von 0,6 Milliarden € auf 0,5 Milliarden €. Dies alles ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ver

(Roswitha Strauß)

kehrsminister der Länder noch im Frühjahr dieses Jahres gefordert hatten, die Finanzmittel ab 2005 auf ein bedarfsgerechtes Niveau anzuheben. Diese Mittel wurden von den Landesverkehrsministern mit 5,8 Milliarden € für die Bundesfernstraßen und mit 4 Milliarden € für die Schienenwege beziffert.

Sehenden Auges produziert die Bundesregierung in Deutschland ein Verkehrschaos. Als Haupttransitland benötigen wir aber eine Verkehrsinfrastruktur, die für die Zukunft gerüstet ist. Das gilt insbesondere für Schleswig-Holstein. Um die Situation einigermaßen in den Griff zu bekommen, brauchen wir zum 1. Januar 2005 in Deutschland ein funktionierendes LKW-Mautsystem. Herr Minister, hier stimmen wir absolut überein: Ich gehe davon aus, dass über alle Parteigrenzen hinweg in diesem Hause ein hohes Interesse daran besteht, dass die erste vereinfachte Phase des dritten Anlaufs zur Mauterfassung klappt, und zwar so, dass mit der angepeilten Zahl von 500.000 LKWs inklusive der eingebauten Geräte, den so genannten On-Board-Units, am 1. Januar 2005 gestartet werden kann.

Zu der entscheidenden Frage, ob es bis zum Zeitpunkt der Mauterfassung gelingt, auch nur annähernd eine entsprechende Anzahl der On-Board-Units einzubauen, haben Sie, Herr Minister Rohwer, hier leider nichts gesagt. Das lässt nichts Gutes ahnen. Ich verweise auf das „Hamburger Abendblatt“ vom 7. September. Die aktuellen Presseberichte geben Anlass zu Sorge. Von den angepeilten 500.000 einzubauenden Geräten sind nach Auskunft des Ministers offensichtlich erst rund 80.000 eingebaut. Das sind nur 16 %. Hintergrund sind die Schwierigkeiten mit der so genannten Personalisierung der Erfassungsgeräte. Vor der Auslieferung müssen bestimmte Daten, zum Beispiel Achslast und Schadstoffklasse, für die korrekte Mautberechnung in die On-Board-Units eingegeben werden. Toll Collect hat damit aber erst im Juli begonnen. Offensichtlich gibt es hier Schwierigkeiten. Herr Minister, dazu hätte ich gern von Ihnen etwas gehört. Dieser Bericht war von daher reichlich dünn.

Die Differenz zwischen eingebauten und angeblich 152.000 gelieferten On-Board-Units macht die Sache nicht überschaubarer. Appelle an die Transportunternehmen bringen nichts, wenn die Geräte nicht entsprechend lieferbar sind. Herr Minister Rohwer, ich gehe davon aus, dass jeder Transportunternehmer, wenn er die Gelegenheit hat, diese auch wahrnimmt und die Geräte einbauen lässt, weil er sonst erhebliche Schwierigkeiten, nämlich Zeitverlust, hat. Ich gehe gleich noch einmal darauf ein.

Es bedarf keiner großen Phantasie, sich das Chaos vorzustellen, das durch die so erzwungene manuelle Eingabe an den Tankstellen entstehen wird; ganz zu schweigen von den zusätzlichen Kosten für die Transportunternehmen, die durch den Zeitaufwand der manuellen Eingabe entstehen.

Herr Minister Rohwer, an dieser Stelle noch ein Hinweis: Von entscheidender Bedeutung - gerade auch für die schleswig-holsteinischen Transportunternehmen - ist natürlich auch, dass zeitgleich mit der Einführung der Maut auch die Harmonisierung umgesetzt wird. Ich denke, nach einem Jahr oder nach 14 Monaten ist dafür Zeit genug gewesen. Sie haben dazu nichts gesagt. Herr Minister, ich bitte Sie daher, nicht nur Appelle zu leisten, sondern sich entsprechend einzusetzen und Druck zu machen.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zu meinem letzten Satz. - Ich mag mir auch nicht vorstellen - das müssen wir uns ebenfalls vergegenwärtigen; der Herr Minister hat es angesprochen -, welcher erneute Imageschaden für Deutschland entsteht, wenn es heißt „Deutschlands Logistik im Chaos“ und die entsprechenden Bilder um die Welt gehen. Dies zu verhindern ist unter anderem Ziel des CDU-Antrags. Sich dafür einzusetzen, fordern wir die Landesregierung auf. Die Bundesregierung muss durch konsequentes Controlling den neuen Termin zum 1. Januar 2005 in der Gesamtkonzeption sicherstellen. Eine weitere Verzögerung der Mauteinführung hätte katastrophale Folgen für den Ausbau der schleswig-holsteinischen, ja der gesamtdeutschen Verkehrsinfrastruktur.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das war ein enorm langer letzter Satz, der auch durch Hinweis auf die Rechtschreibreform nicht zu rechtfertigen ist.

(Heiterkeit)

Für die SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Schröder das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, an den Anfang Folgendes zu setzen: Dies ist mein erster Beitrag seit einem Dreivierteljahr und verschafft ein gutes Gefühl.

(Beifall bei SPD und SSW)

(Bernd Schröder)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen allen für die Unterstützung in dieser schwierigen Zeit zu bedanken, sei es schriftlich, durch Telefonate, durch das Übermitteln von Grüßen. Das war ausgesprochen wichtig und hat mir sehr geholfen; vielen Dank. Ich bin froh darüber, dass es hier trotz aller Auseinandersetzungen, die wir im politischen Bereich haben, möglich gewesen ist, bei Fehlen aufgrund schwerer Erkrankungen ein Pairing durchzuführen. Dass diese Atmosphäre gewahrt wird, halte ich für ganz wichtig. Es gibt andere Stellen, wo die Betroffenen in solchen Fällen aus dem Krankenhaus herbeigefahren werden. Ich glaube, das von mir Erlebte spricht dafür, dass wir so etwas hier nicht nötig haben. Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Frage, der Versuch, im vergangenen Jahr auf deutschen Autobahnen die LKW-Maut einzuführen, war alles andere als ein Glanzlicht. Aber - um auch das einmal deutlich zu sagen - das, was heute gelegentlich als Desaster bezeichnet wird, war in erster Linie eines des Betreiberkonsortiums Toll Collect. Was man der Politik vorwerfen kann: Sie hat den vollmundigen Versprechungen und Ankündigungen der Unternehmen, die das Mautsystem einrichten und schließlich auch betreiben sollten, zu sehr vertraut. Das waren immerhin so renommierte Namen wie DaimlerChrysler und Telekom, Unternehmen also, die zweifellos zur Crème de la Crème der deutschen Wirtschaft zählen wollen. Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt: Die geplante Einführung des Mautsystems wurde im vergangenen Jahr abgeblasen und nunmehr auf den 1. Januar 2005 verschoben. Die Bundesregierung fordert in einem Schiedsverfahren 3,56 Milliarden € Schadenersatz. Ob diese Forderung durchgesetzt werden kann, müssen wir abwarten.