Protocol of the Session on September 22, 2004

Kollege Wiegard, Sie haben ja wenig zum Haushalt gesagt. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten dem hohen Hause und der schleswig-holsteinischen Bevölkerung auch gesagt, was die CDU eigentlich will - anstelle der Regierung, die Sie ablösen wollen - und wie sie das finanzieren will. Bisher hören wir nur, dass Sie im Falle eines Regierungswechsels mehr Geld ausgeben wollen.

(Widerspruch bei der CDU)

Sie wollen die Sparanstrengungen der Landesregierung teilweise rückgängig machen. Wir hören, dass der Regierungsapparat von Ihnen im Falle eines Regierungswechsels aufgebläht werden soll. Statt heute einen Nachtragshaushalt für 2004 und 2005 zu fordern, wäre es besser gewesen, Sie hätten sich damit befasst, wie Sie es im Falle eines Regierungswechsels gestalten wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Ausrede

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Vorschlag für die Opposi- tion!)

- Kollege Hentschel ist neugierig; ich bin es ja auch - mit dem Kassensturz, Herr Kollege Wiegard, sollten Sie aus Ihrem Wahlprogramm streichen. Das ist doch nur eine Ausrede, weil Sie nicht sagen wollen, was Sie den Bürgern sagen müssten. Auch Sie kennen doch den Landeshaushalt.

Ich prophezeie Ihnen: Sie wollen nachmachen, was Ihnen Ihre Parteifreunde in Hessen, Hamburg und Niedersachsen vorgemacht haben, nämlich vor der Wahl allen alles versprechen und nach der Landtagswahl alles wieder einsammeln.

(Günter Neugebauer)

Die FDP hat nun sogar versprochen, die Reiterstaffel für Lübeck wieder einzuführen. Das zeigt, meine Damen und Herren, wohin Ihre Euphorie führt: Sie wollen alles versprechen, obwohl Sie genau wissen, dass Sie damit die Leute heute schon belügen.

Ich empfehle den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes und den vielen Verbänden - von den Behinderten- über die Polizeiverbände bis zur GEW -: Schauen Sie nach Hamburg, Hannover und Wiesbaden! Dann können Sie sehen, was im Falle eines Regierungswechsels aus den vielen Versprechungen wird.

(Zurufe von CDU und FDP)

Also, meine Damen und Herren, sagen Sie uns, wo Sie konkret sparen wollen. Sagen Sie uns ganz konkret, wie Sie Ihre vielen Versprechungen finanzieren wollen, und sagen Sie uns, wer denn Wirtschaftsminister oder Sozialminister in Ihrer künftigen Regierung werden soll!

(Martin Kayenburg [CDU]: Sagen Sie etwas zum Nachtragshaushalt!)

Ich fasse zusammen: Erstens. Die CDU redet vom Sparen - Herr Wiegard hat das gerade wieder gemacht -, obwohl Sie in den letzten Jahren - und das ist nachweisbar - alle konkreten Sparvorschläge dieser Landesregierung abgelehnt haben.

Zweitens. Die CDU will wie die FDP die Haushaltsprobleme mit dem Verkauf der Anteile an der HSH Nordbank lösen. Abgesehen davon, dass das wegen der vertraglichen Haltevereinbarung rechtlich unzulässig wäre, würde das nur für ein Jahr Haushaltsprobleme lösen helfen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das hätten Sie früher sagen müssen!)

Ihre teuren Wahlversprechungen sind aber auf Dauer angelegt.

Ein Letztes, meine Damen und Herren: Die CDU will nun auch noch die revolvierenden Mittel aus dem sozialen Wohnungsbau für die Schuldentilgung verwenden; da habe ich mich wirklich gewundert. Wir wissen ja um die Inkompetenz Ihres für das Finanzressort vorgesehenen Kandidaten Austermann. Aber dass selbst Sie, Herr Wiegard, einen solchen Vorschlag unterschrieben haben,

(Glocke des Präsidenten)

der rechtlich unzulässig wäre und darüber hinaus über Bundesvermögen verfügen würde, hat uns überrascht. Herzlichen Glückwunsch!

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Neugebauer, die FDP stürzt lieber diese Landesregierung als diese Kasse. Wir alle wissen, warum Rot-Grün im letzten Dezember den Doppelhaushalt durch diesen Landtag gepeitscht hat. Denn eine haushaltpolitische Debatte wäre in diesem Jahr eine absolute Blamage, eine absolute Katastrophe für die Finanzpolitik dieser Landesregierung gewesen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Diesem Ziel, eine Haushaltsdebatte um jeden Preis zu vermeiden, opferten die rot-grünen Fraktionen gern ihr haushaltspolitisches Initiativrecht. Als Ausrede wurde eine größere Planungssicherheit vorgeschoben. Sicher planen kann man allerdings nur, wenn man sichere Grundlagen hat, liebe Kollegen, und genau diese fehlten 2003 schon für 2004 und fehlen ganz besonders für 2005.

(Beifall bei FDP und CDU)

Aber auch das hat die rote und die grüne Fraktion wenig gestört. Dafür stört sie die finanzpolitische Wirklichkeit, zu der ich von Ihnen, lieber Kollege Neugebauer, überhaupt nichts gehört habe, zu sehr. Deshalb lassen sie lieber finanzpolitisches Kasperletheater spielen und als Hauptakteure treten die stets fröhliche Heide und der grimmige Ralf auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich wird es einen Nachtrag für 2004 geben. Denn die Landesregierung muss sich ja die offizielle Genehmigung holen, die Haushaltslöcher mit zusätzlichen Schulden stopfen zu dürfen. Im ersten Halbjahr hat die Landesregierung den Menschen in SchleswigHolstein 644 Millionen € neue Schulden aufgebürdet. Das ist mehr, als von 1988 bis 2003 im Durchschnitt für ein ganzes Jahr aufgenommen wurde. 644 Millionen € neue Schulden im ersten Halbjahr - das sind fast 90 % der neuen Schulden, mit denen die Landesregierung im ganzen Jahr 2004 auskommen wollte!

Im Übrigen: Die Erfahrung hat gezeigt, dass sie im zweiten Halbjahr mit dem Rest nicht auskommt: Letztes Jahr waren zur Jahresmitte ebenfalls fast 90 % der ursprünglich geplanten neuen Schulden aufgenommen. Die tatsächliche Neuverschuldung am Jahresende erreichte bekanntlich fast 230 % des ursprünglichen Ansatzes.

(Dr. Heiner Garg)

Käme es dieses Jahr ähnlich, müsste die Landesregierung fast 1,5 Milliarden € neue Schulden aufnehmen. 1,5 Milliarden € neue Schulden - das hat sie sich noch nicht einmal getraut, als in Deutschland noch in DMark gerechnet wurde.

Auch bei den Investitionen hängt die Landesregierung dieses Jahr besonders weit zurück. Weniger als dieses Jahr wollte das Land fast noch nie investieren; es sind noch nicht einmal 800 Millionen €. Und davon wurden bis zur Jahreshälfte nur 26 % angewiesen: 20 % weniger als im letzten Jahr und 15 % weniger als im Durchschnitt der Jahre seit 1994, seit es also Halbjahresberichte zum Haushaltsablauf gibt.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, bei alledem ist noch nicht berücksichtigt, dass uns die Landesregierung im Januar berichtete, gegenüber dem Haushalt 2004 würde das Land im Jahre 2004 im Saldo um 119 Millionen € entlastet, und zwar hauptsächlich durch mehr Einnahmen.

Ja, lieber Herr Finanzminister Dr. Stegner, wo ist dieses Geld denn? Ist es irgendwo verschwunden? Haben Sie es versteckt oder haben Sie es doch nicht bekommen? - Dafür, dass Sie es nicht bekommen hätten, spräche die unbotmäßige Hatz, mit der RotGrün auf einmal vordergründig privatisieren will.

Ich nenne beispielhaft NordwestLotto. Das soll jetzt ganz schnell zur Investitionsbank verschoben werden. Die nimmt dafür Schulden auf, für die im Zweifel das Land geradestehen muss. Das ist ein klassischer Fall staatlicher Kreditaufnahme wie beim Immobiliendeal. Der Finanzminister streitet das im Auftrage der Landesregierung ab. Im Übrigen hat der Finanzminister in einem Interview abgestritten, Ahnung von Finanzpolitik zu haben.

Ebenfalls soll auf einmal ganz schnell die psychatrium GRUPPE verkauft werden. Dazu braucht RotGrün eigentlich ein tragfähiges gesetzliches Fundament. Das rechtzeitig zu erstellen, hat Rot-Grün versäumt. Jetzt wird das Ganze ohne Rücksicht auf die üblichen Anhörungsfristen und ohne Rücksicht auf die Qualität des Erreichten hektisch durchgepeitscht. Ergebnis: kein gesetzliches Fundament, sondern ein gesetzlicher Sumpf - nur damit die Landesregierung dieses Jahr ein paar mehr Euro in der Kasse ausweisen kann.

Diese Landesregierung hat schon einmal allein deshalb einen Nachtrag aufgestellt, liebe Kollegen, weil sich ein gewisser Herr mit Fliege im Bildungsministerium um einen zweistelligen Millionenbetrag verrechnet hat. Dann sollte das finanzpolitische Chaos 2004 erst recht reichen, um einen Nachtrag für 2004 zu rechtfertigen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Der, liebe Kollegen, könnte sogar in der NovemberTagung eingebracht werden. Denn der Bundesfinanzminister ist so freundlich, den Arbeitskreis Steuerschätzung dieses Jahr bereits in der ersten Novemberwoche tagen zu lassen - also rechtzeitig vor der November-Tagung des Landtags.

Selbstverständlich brauchen wir auch für 2005 einen Nachtrag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber keine Sorge, lieber Kollege Wiegard: Wir brauchen für 2005 keinen mehr von Rot-Grün. Dieses Thema ist in 150 Tagen dankenswerterweise durch. Diese quasitherapeutische Beschäftigung für finanzpolitische Fraktionsarbeitskreise können wir uns getrost schenken.

(Beifall bei FDP und CDU)

Den Nachtrag - lieber Kollege Neugebauer, ich freue mich wirklich darauf - für 2005 legen wir im Frühjahr vor. Dann kurbeln FDP und Union das Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein an und senken die Arbeitslosigkeit, und zwar trotz Ihrer rot-grünen Hinterlassenschaften.

Beispielsweise fehlen nach der Mai-Steuerschätzung dem Land gegenüber den rot-grünen Erwartungen im Jahr 2005 445 Millionen € Einnahmen.

Im Haushalt 2005 sind 200 Millionen € globale Mehreinnahmen angesetzt, von denen die Landeregierung noch nie wusste, wer sie warum einzahlen sollte. Ob die gestern angekündigte Einigung bezüglich der verdeckten Subventionen für die Landesbanken so viel einträgt, steht ebenfalls noch in den Sternen.

Im Haushalt sind 184 Millionen € globale Mindereinnahmen angesetzt. Wer diese woraus erwirtschaften sollte, weiß die Landesregierung bis heute ebenfalls noch nicht.

Der neue Chefunterhändler der Landesregierung in Sachen Arbeitsmarkt ist mittlerweile auch der Finanzminister. Der Arbeitsminister durfte als sein Erfüllungsgehilfe verkünden, dass die Landesregierung nun doch 25 Millionen € Kombilöhne zahlen möchte. Mit welchem Geld dies geschehen solle, weiß sie bisher auch noch nicht.

Ein Geheimnis lüfte ich an dieser Stelle gern: Die Bildungsministerin hat angekündigt, sie wolle in Schleswig-Holstein so schnell wie möglich alle Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse auf Ganztagsgesamtschulen schicken. Was das für den Haushalt 2005 bedeutet, haben Sie selbstverständlich verschwiegen, Frau Erdsiek-Rave.

(Dr. Heiner Garg)

Ich sage Ihnen aber auch, Frau Erdsiek-Rave: Sie dürfen es für sich behalten, denn das Schulsystem in Schleswig-Holstein wird ab 2005 nicht auf die Gesamtschule umgestellt. Dafür wird es ab nächstem Jahr mehr Lehrer geben, damit unsere Kinder mehr Unterricht bekommen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Bei aller Diskussion über Nachträge sollten wir ein Dokument nicht vergessen: den Finanzplan 2004 bis 2008. Die Landesregierung hat allerdings noch keinen verteilt. Warum sollte sie auch! Für das Jahr 2004 wird eh nur der Haushaltsplan abgeschrieben und ab 2005 regiert hier jemand anderes.