Protocol of the Session on September 22, 2004

Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass wir davon ausgehen müssen, dass sich die Arbeitsmarktsituation auch in den nächsten Jahren nur schwer verbessern lassen wird. Damit hat Hartz IV nicht nur, lieber Kollege Garg, was die Vermittlung von Arbeitslosen angeht, eine Arbeitsmarktkomponente, sondern auch eine soziale Komponente. Betrachtet man nur die ökonomischen Auswirkungen von Hartz IV, so kann man feststellen, dass hier massive negative Auswirkungen auf die Binnenkonjunktur zu erwarten sind. Man kürzt bei den Leuten, die im Regelfall einen großen Teil ihres Geldes verkonsumieren und damit die Binnenkonjunktur eher ankurbeln als andere. Eigentlich ist dies das Schlechteste, was man in der derzeitigen Situation machen kann.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Herr, wirf Hirn vom Himmel!)

Hier, lieber Kollege Garg, hätte ich mir etwas mehr Kritik vonseiten der FDP gewünscht. Aber das war bei Ihnen auch nicht zu erwarten.

Betrachtet man nun aber die konkreten Forderungen, die im Antrag gestellt werden, so möchte ich darstellen, was wir jeweils darunter verstehen. Mal sehen, ob wir dann auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

(Werner Kalinka [CDU]: Das ist arrogant!)

Da wird gefordert, qualifizierte Ausbildungsabschlüsse für Lernschwächere einzurichten. Wir verstehen darunter die Aufteilung von Ausbildung in Module. Das heißt, dass eine Ausbildung aus mehreren Teilab

(Lars Harms)

schnitten bestehen sollte, die jeweils einer Teilqualifikation entsprechen. Sollte ein junger Mensch seine Ausbildung abbrechen oder einfach nur wechseln wollen, so hat sie oder er zumindest schon einmal etwas in der Tasche. Ich weiss nicht, ob wir dasselbe unter diesem Satz verstehen; aber das verstehen wir darunter. Diese Ausbildungsform findet man vielfach in Europa und wurde in Deutschland bisher immer mehr oder weniger verteufelt. Die modulare Ausbildung bietet auch Vorteile, da sie wesentlich flexibler zu handhaben ist, als die alte dreijährige Ausbildung. Zumindest sollte man die Möglichkeiten für modulare Ausbildungen verbessern.

Auch Lohnersatz, also Arbeitslosengeld, durch Lohnergänzung zu ersetzen, ist ein lobenswertes Ziel, das wir alle teilen; allerdings nur dann, wenn die Lohnergänzungen zeitlich begrenzt werden. Es kann nicht sein, dass das Lohngefüge dadurch infrage gestellt wird, dass durch Lohnergänzungen dauerhaft Tariflöhne unterboten werden. Wir würden dann in eine Abwärtsspirale aus Lohndumping und Dauersubvention geraten, die niemand ernsthaft wollen kann. Deshalb wollen wir Lohnergänzung zwar haben, aber diese nur zeitlich begrenzt zulassen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Vorstoß der Landesregierung in Bezug auf Kombilöhne, der in die gleiche Richtung geht. Diese Initiative hätte die FDP eigentlich lobend erwähnen müssen, wenn sie ihren Antrag in diesem Punkt ernst nehmen würde.

(Beifall beim SSW)

Für die Unternehmen fordert die FDP im Antrag, dass Schwankungen im Finanzierungsbedarf der gesetzlichen Sozialversicherungen nicht direkt die Arbeitskosten verändern dürften. Dahinter verbirgt sich die Forderung, dass sich die Arbeitgeber nach und nach aus der gemeinsamen Finanzierung der sozialen Absicherung ihrer Mitarbeiter verabschieden können sollen. Dies sehen wir naturgemäß anders, obwohl wir auch das Wohl der Unternehmen im Auge haben.

Wir gehen allerdings einen Schritt weiter als die FDP. Wir wollen, dass die Arbeitskosten für die Unternehmen sinken und nicht nur gleich bleiben. Wir wollen ein steuerfinanziertes Sozialsystem, in dem Arbeit preiswerter wird als jetzt. Auch hier hat die Landesregierung Vorschläge gemacht, wie dieses Ziel besser zu erreichen ist. Das geschah sicherlich auch aufgrund kreativer Einwirkungen durch den SSW; das haben wir hier schließlich jahrzehntelang gefordert und wir sind froh, dass das so gelaufen ist. Aber das hätten Sie, lieber Kollege Garg, unterstützen oder zumindest in Ihrem Antrag erwähnen müssen.

(Lachen bei der CDU)

Diese Vorschläge unterstützen wir und wir hoffen, dass hier auch die Bundesebene mutigere Schritte geht. Bei einem steuerfinanzierten Sozialsystem hätten wir nicht nur die Chance, die Arbeitskosten zu senken, sondern wir würden eben auch das soziale Sicherungssystem dauerhaft erhalten. Das sollte unser aller Ziel sein.

(Beifall beim SSW)

Ein weiterer Punkt, der von Ihnen gefordert wird, ist, dass arbeitsrechtliche Hindernisse abgebaut werden sollen. Das ist natürlich pauschal eine Forderung, die wir alle unterstützen können, sofern nicht der Kündigungsschutz ausgehöhlt wird.

Auch hier würden wir als SSW allerdings weiter gehen wollen. Wir wollen auch die Verwaltungshemmnisse abbauen. Das Bundeswirtschaftsministerium führt gerade sein Programm „Innovationsregionen“ durch. Dabei geht es darum, dass in bestimmten Regionen probeweise Vorschriften ausgesetzt werden, um zu sehen, ob diese Vorschriften dauerhaft abgebaut werden können.

Mit diesem Programm hat die Bundesregierung erste Erfolge erzielen können und nun haben sich auch die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg um eine Teilnahme an diesem Programm beworben. Das müssen wir unterstützen, damit weitere Hemmnisse auch bei uns abgebaut werden können. Das ist wesentlich wichtiger, als pauschale Forderungen aufzustellen. Auch hier gibt es also schon konkrete Maßnahmen, die man unterstützen kann.

Trotz der prekären Lage der deutschen Wirtschaft gibt es durchaus Vorschläge, wie man die Situation verbessern kann. Diese Vorschläge gilt es aufzugreifen und mit umzusetzen. So schaffen wir konkret mehr Anreize für mehr Arbeit.

(Glocke des Präsidenten - Dr. Heiner Garg [FDP]: Deswegen haben wir so viele Ar- beitsplätze!)

Wir sollten den Antrag deshalb noch einmal im Wirtschafts- und im Sozialausschuss beraten; so viel Offenheit zeige ich. Sollte hierfür allerdings keine Mehrheit da sein - das können Sie schon erahnen -, werden wir diesen Antrag ablehnen, weil er zu vage formuliert ist und so eben nicht zielführend ist. Ein bisschen mehr muss man aber schon arbeiten.

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Dr. Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass wir dank der guten Anregungen von SSW, FDP und CDU mit dem Kombilohnmodell auf dem richtigen Weg mit unserer Arbeitsmarktpolitik sind. Das freut mich.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ansonsten, Herr Garg, wäre weniger in diesem Fall wahrscheinlich mehr gewesen. Denn Ihr Antrag ist eine Mixtur aus Floskeln, aus problematischen Punkten, aber auch - das will ich ebenfalls deutlich sagen - einigen richtigen Punkten. Allerdings haben wir diese Punkte hier längst diskutiert und insofern frage ich mich, ob man sie in eine solche Mischung hineinbringen muss. Lassen Sie mich dazu einige wenige Anmerkungen machen, weil eigentlich alles bekannt ist.

(Beifall bei der SPD)

Erstens. Sie fordern eine effizientere Vermittlung durch die Arbeitsmarktagenturen; ein altes Thema. Sie wissen, dass wir nicht erst seit jetzt, sondern längst mit Modellprojekten wie in Rendsburg und Elmshorn daran arbeiten und viel weiter sind, als nur auf dem Papier Vorschläge zu machen.

Zweitens. Qualifizierte Ausbildungsabschlüsse für Lernschwächere. Sie wissen, dass das Land selbst keine Möglichkeiten hat. Das haben wir hoch und runter diskutiert. Wir sind eines der wenigen Länder in Deutschland, die gemeinsam mit der Wirtschaft Vorschläge machen und dafür kämpfen, dass wir neue Berufsbilder auf Bundesebene umsetzen. Das wissen Sie eigentlich auch.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind eines der wenigen Länder - NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein -, die einen zweijährigen Modellversuch zum KFZ-Servicemechaniker gestartet haben. Insofern müssen Sie uns nicht auffordern, etwas zu machen. Dann müssen Sie ganz andere auf Bundesebene auffordern, etwas zu tun. Ich möchte, dass wir ehrlich miteinander reden und nicht nur plakativ.

Sie haben aus meiner Sicht bei dem Punkt Lohnergänzungsleistungen Recht. Allerdings ist Kombilohn ein altes Thema. Wir haben das in Schleswig-Holstein viel diskutiert. Wir haben auch ein „Elmshorner Modell“ ausprobiert, das kein reines Kombilohnmodell ist, aber in diese Richtung geht. Wir haben jetzt etwas

gemacht und ich habe Ihre Aussage vorhin so verstanden, dass Sie dies begrüßen.

Sie fordern, benachteiligte Menschen zielgenauer zu unterstützen. Wir haben doch gerade unser neues Arbeitsmarktprogramm „ASH 2000“ so gestaltet, dass wir es auf unsere Zielgruppen stärker konzentrieren. Deswegen möchte ich kapieren, was Sie mit Ihrem Antrag darüber hinaus möchten; das geht aus dem Papier nicht hervor.

Dann fordern Sie aus meiner Sicht völlig zutreffend, wir müssten die kleinen und mittelständischen Unternehmen einfacher besteuern, damit wir Eigenkapital bilden. Mit dieser Forderung laufe ich seit Jahren herum.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sparkassengesetz!)

- Aber das Sparkassengesetz ist dafür der falsche Weg, Herr Garg; das ist das Problem. Wir brauchen andere und bessere Vorschläge: eine Mischung aus Eigenkapitalstärkung steuerlicher Art und vernünftigen Finanzierungsinstrumenten im Lande, wie wir sie anbieten. Ich bitte also um ein wenig mehr Differenzierung.

Ich möchte nicht auf die anderen Punkte eingehen; das lohnt sich nicht. Das Konzept der Landesregierung liegt vor. Wir können über alles reden, aber bitte auf möglichst konkreter Grundlage. Dieser Antrag scheint uns nicht wesentlich weiterzubringen. - Vielleicht sind wir uns zumindest wissenschaftlich einig.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag, Drucksachennummer 15/3635, zunächst federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Da die Ausschussüberweisung der Sachabstimmung vorgeht, die ebenfalls beantragt worden ist, lasse ich zunächst darüber abstimmen, wer der Ausschussüberweisung seine Zustimmung geben will.

Wer den Antrag, Drucksache 15/3635, federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss überweisen will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag, den Antrag der FDP an den Sozialausschuss federführend und an den Wirtschaftsausschuss mitberatend zu überweisen, hat die Stimmen von FDP, CDU und der Abgeordneten

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst

Spoorendonk vom SSW gefunden. Dagegen haben die Abgeordneten der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zwei Abgeordnete vom SSW gestimmt. Insofern ist der Antrag auf Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir stimmen jetzt in der Sache ab. Wer dem Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 15/3635, in der Sache seine Zustimmung geben will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 15/3635 mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt worden.

Der Tagesordnungspunkt 14 ist insoweit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Änderung der Strafprozessordnung zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3636

Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass sich die Fraktionen dahin gehend verständigt haben, dass dieser Antrag Drucksache 15/3636 heute ohne weitere