Protocol of the Session on September 22, 2004

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber nicht nament- lich!)

- Das wäre noch eine Erweiterung. - Wer den Antrag, Drucksache 15/3649, federführend an den Innen- und Rechtsausschuss sowie mitberatend an den Wirtschaftsausschuss und den Sozialausschuss überweisen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer den Antrag, Drucksache 15/3649, federführend an den Sozialausschuss sowie mitberatend an den Innen- und Rechtsausschuss und den Wirtschaftsausschuss überweisen will, den bitte ich um sein Handzeichen.

Damit wurde mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW der Antrag angenommen, die Drucksache 15/3649, federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Innen- und Rechtsausschuss sowie an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Der Antrag der CDU, den Antrag, Drucksache 15/3649, federführend an den Innen- und Rechtsausschuss sowie mitberatend an den Wirtschaftsausschuss und den Sozialausschuss zu überweisen, hat nicht die notwendige Mehrheit gefunden.

Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Anreize für mehr Arbeit setzen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3635

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion der FDP erhält Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Eines hat diese wunderbare Sitzung des Ältestenrates bewirkt: Der Kollege Neugebauer ist wieder unter uns. Darüber freue ich mich ganz besonders; das werden Sie gleich verstehen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, schon häufiger sind Landesregierungen aufgefordert worden, die wirtschaftliche Lage entsprechend der Wirklichkeit zu bewerten, so zum Beispiel 1986. Damals forderte dies der Oppositionsabgeordnete Günter Neugebauer mit dem Antrag Drucksache 10/1540. Heute, fast 20 Jahre später, rentiert sich die Mühe von Günter Neugebauer endlich: Teile seines damaligen Textes konnten wir fast wörtlich übernehmen. Wenn Kollege Neugebauer heute noch glaubt, damals Recht gehabt zu haben, müsste er nun für die ersten beiden Punkte unseres Antrages lauthals um Zustimmung werben. Ein kurzer Blick auf die Daten beweist das.

Nach amtlichen Statistiken wuchs das reale Bruttoinlandsprodukt Schleswig-Holsteins 1986 um 4 %, die Erwerbstätigkeitsrate wuchs um 1,4 %. Im Durchschnitt des Jahres waren 114.000 Menschen offiziell arbeitslos. Diese Statistik war übrigens nicht geschönt.

2004 hingegen ist bisher wenig von Wachstum zu erkennen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist um 2,3 % gesunken. Jetzt sind im Durchschnitt 139.000 Menschen arbeitslos. Mehr waren es bekanntlich zuletzt 1952, jedoch ist die heutige Statistik geschönt.

Lieber Kollege Neugebauer, Sie werden mir beipflichten: Die wirtschaftliche Lage SchleswigHolsteins ist heute leider viel bescheidener als 1986, zum Zeitpunkt Ihrer Antragstellung. Das zeigt sich ganz besonders deutlich auf dem Arbeitsmarkt. Es wird Zeit, endlich Politik für mehr Arbeit zu machen, auch durch „Fördern und Fordern“.

Das bedeutet dreierlei: Erstens sollten Arbeitslose, besonders Langzeitarbeitslose, stärker angereizt werden, schneller und intensiver nach Arbeit zu suchen und vorhandene Arbeitsplätze anzunehmen. Diese

Anreize werden nur wirksam, wenn Langzeitarbeitslosigkeit künftig schlechter bezahlt wird, so wie bei Hartz IV. Bei Rot-Grün heißt das „Fordern" - was wir ausdrücklich unterstützen.

(Unruhe)

Zweitens sollte die „Arbeitslosigkeitsverwaltung“ in Richtung Arbeitsvermittlung getrimmt werden, damit Arbeitslose schneller in vorhandene offene Stellen vermittelt werden können - das wäre das „Fördern".

(Anhaltende Unruhe)

„Fördern und Fordern“ allein reicht allerdings nicht aus, um die Arbeitslosigkeit merklich zu senken. Wenn es klappen soll, müssen zuerst die notwendigen Voraussetzung erfüllt werden. Die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens müssen so verändert werden, dass Unternehmen auch zusätzliche Arbeitsplätze anbieten wollen, die Langzeitarbeitslose finden und annehmen können. Das hat Rot-Grün bislang vergessen.

(Anhaltende Unruhe)

Wenn wir alle Hartz IV wirklich zum Erfolg machen wollen, dann kann das nur funktionieren, wenn wir tatsächlich dafür sorgen, dass Arbeitsplätze geschaffen werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Denn Hartz IV - das sagen dankenswerterweise auch führende SPD-Politiker - schafft keinen einzigen neuen Arbeitsplatz. Ich kann nur etwas zügiger vermitteln, was es auch wirklich gibt. Ich kann nur in Arbeitsplätze vermitteln, die vorher irgendwann einmal geschaffen werden.

Das Bemühen um effizientere Vermittlung von Arbeitslosen kann also erst erfolgreich sein, wenn es diese Arbeitsplätze gibt, Arbeitsplätze, die einen Beitrag zum Sozialprodukt leisten, auf denen Langzeitarbeitslose eine Chance bekommen, sich in Erwerbsarbeit zu bewähren, die das Geld wert sind, das sie den Arbeitgeber kosten.

Staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen scheiden deshalb grundsätzlich aus. Denn dort bewährt sich niemand in und für Erwerbsarbeit. Alle Studien zeigen, dass die Teilnahme an ABM die Chancen auf echte Erwerbsarbeit senkt. Das liegt nicht daran, dass eine eigentlich gute Idee bisher nur schlecht umgesetzt wurde - es liegt daran, dass die Idee schlecht ist und nicht erfolgreich umgesetzt werden kann.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

(Dr. Heiner Garg)

Die Arbeitslosigkeit wird erst dann merklich sinken, wenn Unternehmen merklich mehr Arbeitsplätze schaffen. Wann schaffen Unternehmen mehr Arbeitsplätze? - Die schaffen sie dann, wenn die dort geleistete Arbeit mehr einbringt, als sie kostet. Im Moment lohnt es sich offensichtlich für zu viele Unternehmen nicht, zusätzliche Arbeitsplätze anzubieten, weil damit zu hohe Kosten und Risiken verbunden sind.

Erst wenn sich das ändert, wird auch das stärkere Fördern und Fordern der Langzeitarbeitslosen erfolgreich werden können. Solange sich das nicht ändert, wird das „Fördern und Fordern“ nur zu einer Schikane unmöglich zu erfüllender Forderungen verkommen.

Es wird Zeit, dass die Erkenntnis von Helmut Schmidt wieder einen höheren Stellenwert in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik erhält: Arbeitsplätze entstehen nur dort, wo private Unternehmen investieren; und sie investieren nur dort, wo sie erwarten, genügend Geld verdienen zu können. Das allerdings kann aktive Arbeitsmarktpolitik nicht besorgen. Deshalb wird sie allein die Arbeitslosigkeit auch nicht senken - egal, welche gut gemeinten sozialpolitischen Zielsetzungen dahinter stehen.

Um Ihnen die Verwirrung von vorhin zu ersparen, beantrage ich hiermit, unseren Antrag federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Ich denke, das war auch für das Präsidium klar und deutlich.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag bedauert, dass der liberalen Partei zum Thema Arbeitsmarktpolitik nichts Besseres als Populismus einfällt. Lieber Günter Neugebauer, Zeiten ändern sich und du bist wirklich nicht verantwortlich für diese FDP. Wenn du für diese FDP verantwortlich wärst, wäre es eine sozialliberale SPD. Außerdem bist du - glaube ich - der Einzige hier im Parlament, der sich an solche Zeiten von Politik noch erinnern kann.

(Heiterkeit - Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Der uns vorliegende Antrag ignoriert die vielen Diskussionen, die wir im Landtag und in den Ausschüssen geführt haben. Ich darf nur an die Landtagstagung

im August erinnern, als wir über einen Bericht der Landesregierung zur Umsetzung von Hartz IV diskutiert haben. Aber was man nicht wahrhaben will, das darf auch nicht wahr sein, also schreibt man einen neuen Antrag und den dürfen wir dann heute wieder einmal diskutieren - wenn es denn mit einem Antrag dieses Niveaus überhaupt möglich ist, sich mit Arbeitsmarktpolitik sachgerecht auseinander zu setzen.

Im Antrag der FDP werden viele Zahlen aufgelistet, die natürlich bedrückend sind und die selbstverständlich Anlass und Aufforderung für politisches Handeln sind.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Der Antrag hat eine zweite Seite!)

Die Landesregierung hat - wie auch der FDP bekannt ist - ein Programm aufgelegt, mit dem in den Jahren 2005 und 2006 10.000 zusätzliche Arbeitsangebote für Langzeitarbeitslose in ganz SchleswigHolstein ermöglicht werden sollen. Die Angebote konzentrieren sich sowohl auf den ersten Arbeitsmarkt als auch auf die Aufwertung gemeinnütziger Beschäftigungsangebote für Langzeitarbeitslose. Das Kombilohnmodell, mit dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit bis zu 250 € pro Monat unterstützt werden, wenn ein neues sozialversicherungspflichtiges Angebot geschaffen wird, ist ein Bestandteil unserer Politik für mehr Beschäftigung.

Die Ausgestaltung von Beschäftigungsmöglichkeiten und die Schaffung von Qualifizierungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose über Zusatzjobs ist ein anderer Weg, den die Landesregierung finanziell unterstützen will und mit dem wieder mehr SchleswigHolsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner in Arbeit kommen können.

Die Landesregierung hat ein Steuerkonzept vorgelegt, in dessen Mittelpunkt auch die Absenkung von Lohnnebenkosten enthalten ist.

(Beifall der Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD], Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert und die Attraktivität, Arbeitsplätze auch im Mittelstand zu schaffen, erhöht.

Aber darum geht es der FDP mit ihrem Antrag nicht. Selbst wenn man nur auf die öffentliche Wirksamkeit solch populistischer Anträge schielt, wie es die FDPFraktion zu tun scheint, würde vielleicht ein Blick in die schleswig-holsteinische Presse von heute helfen.

(Wolfgang Baasch)

Mit heutigem Datum schreiben die „Lübecker Nachrichten“ auf der Titelseite:

„Betriebe im Norden wollen neue Jobs schaffen. Umfrage: Mehr Aufträge, mehr Investitionen, mehr Optimismus - SchleswigHolstein hängt den Rest der Republik ab.“

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nur die Überschrift. Sie verträgt sich zwar nicht mit den Inhalten der FDP, aber warum sollte man auch etwas wahrnehmen wollen, wenn man doch mit seinen eigenen Gedanken ganz andere Vorhaben irgendwie umsetzen will!