Protocol of the Session on June 16, 2004

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist leider nicht das erste Mal, dass sich der SchleswigHolsteinische Landtag mit der Qualität der Pflege in Schleswig-Holstein beschäftigen muss; Kollege Baasch hat auch schon daran erinnert.

Schon seit einigen Jahren gibt es immer wieder Pflegeheime, die ernste Probleme haben, eine Pflegequalität auf hohem Niveau zu halten. Es kann einfach nicht angehen, dass es die Gesellschaft und die Politik zulassen, dass alte Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt mit unwürdigen Zuständen und schlechter Pflege allein gelassen werden. Wir müssen also endlich zu Lösungen kommen, die eine humane und anständige Pflege von alten Menschen ermöglicht.

Der Pflegeskandal in den DRK-Pflegeheimen - und hierbei insbesondere die Schließung des DRKHeimes in Flensburg - ist allerdings ein besonders starkes Stück und muss ganz klar der Leitung des Deutschen Rotes Kreuzes angelastet werden.

Wir hören, dass viele der Pflegeheime, die der Landesverband des DRK Anfang der 90er-Jahre aus der kommunalen Trägerschaft übernommen hat, entgegen der vertraglichen Vereinbarung bis heute immer noch nicht saniert wurden. Das ist ganz einfach skandalös.

Vor dem Hintergrund, dass die Heimaufsicht und die Pflegekassen im letzten Jahr ganz konkret die Beseitigung von Mängeln in DRK-Heimen gefordert haben und die DRK-Leitung im Landesverband nicht darauf reagiert, sondern weiterhin die Bedingungen verschlechtert haben, kann man nur noch mit dem Kopf

(Silke Hinrichsen)

schütteln. Das ist meiner Meinung nach der größte Skandal.

(Beifall beim SSW)

Wir haben im Landtag des Öfteren darüber diskutiert, was in der Geriatrie von Schleswig, in Harrislee oder anderswo passiert ist. In diesen Fällen hat der Träger aber sofort etwas gegen die Missstände unternommen. In unserem Fall hatte der Träger einen Bericht, in dem stand, was gemacht werden muss, aber es ist trotzdem nichts passiert und außerdem sind die Bedingungen verschlechtert worden. Das ist das Schlimmste überhaupt, was einem Menschen passieren kann.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lothar Hay [SPD]: Das ist der Skandal!)

Klarzustellen ist - darauf lege ich viel Wert -, dass es nicht am Pflegepersonal in diesen Heimen gelegen hat, sondern dass die Leitung der Heime nicht die notwendigen Ressourcen für eine gute Pflege zur Verfügung gestellt hat.

In Flensburg mussten 100 Bewohner eines DRKHeimes innerhalb von 14 Tagen in neue Heime umziehen. Wir haben heute in der Zeitung lesen können, dass die letzten Bewohner jetzt ausgezogen seien. Dies ist eine Zumutung für den Einzelnen, der davon betroffen ist. Die Heimbewohner haben es aus der Zeitung erfahren und das fand ich am schlimmsten.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Stadt Flensburg steht jetzt vor einem großen Problem hinsichtlich der Pflegeplatzsituation bei neuen Fällen; dies müssen wir auch berücksichtigen. Hier muss schnellstens eine langfristig haltbare Lösung gefunden werden. Ursprünglich war angedacht worden, dass das DRK ein neues Altenheim in Flensburg baut. Der SSW fordert, dass die Landesregierung die Stadt Flensburg bei der Suche nach neuen Pflegeplätzen für die älteren Menschen aktiv unterstützt. Das ist uns ganz wichtig.

(Beifall beim SSW)

Das DRK hat jetzt erste Konsequenzen aus dem Pflegeskandal gezogen. Dennoch bleibt die Frage an die Pflegekassen, die Kommunen und das Land: Wie verhindern wir, dass sich ähnliche Zustände in anderen Altenheimen in Zukunft wiederholen? - Insbesondere die entstandene Situation im Pflegeheim Friesischer Berg erfordert unserer Ansicht nach, dass ein Notfallplan erarbeitet wird, um eine Situation, wie sie

in Flensburg - der Notumzug - zu verzeichnen war, zu verhindern.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In Zusammenarbeit mit den Pflegekassen, der Heimaufsicht und dem Sozialministerium muss für eine derartige Situation, wie sie in Flensburg ganz klar durch das DRK herbeigeführt wurde - Absprachen werden nicht eingehalten, Menschen werden zwangsverlegt -, ein Notfallplan erarbeitet werden.

Nach der Rückgabe des Versorgungsvertrages hat das DRK nichts getan, um den Menschen, die es jahrelang betreut hat, zu helfen, sondern es hat sie letztendlich hinausgeschmissen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Hier muss zukünftig mithilfe der örtlichen Pflegedienste eine Notfallbesetzung einspringen, um zunächst eine ordnungsgemäße Pflege weiterhin zu gewährleisten und einen gegebenenfalls erforderlichen Umzug nicht auf der Gesundheit des einzelnen Betroffenen auszutragen.

Die Landesregierung hat mit dem PLAISIRModellprojekt im Kreis Segeberg schon vor zwei Jahren untersuchen lassen, wie viel Personal ein Pflegeheim braucht. PLAISIR ermöglicht nicht nur eine ressourcen- und biografienorientierte Pflegeplanung, eine gerechte Personalbedarfsbemessung und ein verbessertes Qualitätsmanagement, sondern auch eine leistungsbezogene und transparente Entgeltregelung.

Ich möchte an dieser Stelle Folgendes sagen: Beim „sh:z“-Forum hat Herr Katzer von den Pflegekassen ausdrücklich ausgeführt, dass sich hinsichtlich der Lizenzvertragsbindung auf Bundesebene etwas bewege und das halte ich für ganz wichtig. Wenn endlich die Lizenz gekauft wird, kann dieses Modell auch hier in Schleswig-Holstein und anderswo in Deutschland für die älteren Menschen, die von einer schlechten oder nicht ausreichenden Pflege betroffen sind, weil zu wenig Personal vorhanden ist, umgesetzt werden. Ich möchte es aber noch einmal betonen: Beim DRK lag es „nicht nur“ an mangelndem Personal,

(Glocke des Präsidenten)

sondern das DRK hat schlichtweg nicht reagiert.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Ministerin für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Frau Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar für die sachliche Debatte in dieser Aktuellen Stunde, denn es geht um hilfs- und pflegebedürftige Menschen. Wir tun gut daran, die Unterschiede zurückzudrängen und die gemeinsame Aufgabe auch als gemeinsame Aufgabe zu begreifen. Schließlich bin ich davon überzeugt, dass gute Pflege nur in gemeinsamer Verantwortung gelingen wird. Jeder muss sich fragen, was er tun kann, damit dieses Ziel erreicht wird.

Eine Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit ihren alten Menschen umgeht. Insbesondere - dies füge ich hinzu - gilt dies für diese Generation alter Menschen, die eine ganz besondere Geschichte hat und der wir in vielerlei Hinsicht zu Dank verpflichtet sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Meine sehr geehrte Damen und Herren, ein Pflegeskandal erschüttert Schleswig-Holstein und viele Menschen fragen sich zu Recht: Wie kann so etwas überhaupt passieren? - Ich denke, diese Menschen haben einen Anspruch auf eine Antwort. Was ist also zu tun, wenn es einen erneuten Pflegeskandal gibt? - Zunächst einmal kommt es darauf an, mit heißem Herzen und Engagement, aber gleichzeitig mit klarem Verstand für diese Menschen die Situation zu analysieren.

Das ist zumeist zu Anfang gar nicht so einfach, denn es kommt zu Schuldverschiebungen, zu Tabuisierungen, zum Ausblenden von Realitäten. Aber die Situation in Schleswig-Holstein ist besonders gut, um ziemlich zügig auf den Punkt zu kommen: Es gibt hier bereits - viele von Ihnen haben es angesprochen - den unbedingten politischen Willen zur Aufklärung. Tabuisierung, Zudecken von Problemen soll und darf es nicht geben; die Tatsachen müssen auf den Tisch.

Was also liegt in dieser Situation vor? - Ich denke, dass wir alle nicht mehr viel herumrätseln müssen, denn das Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes hat mit einer Presseerklärung vom gestrigen Tag die Verantwortung für das Geschehen übernommen:

„Das Deutsche Rote Kreuz und sein Präsidium stehen zu ihrer Verantwortung. Wir

nehmen die Kritik an und gehen die Beseitigung der Pflegemängel mit Nachdruck an. Unser gemeinsames Ziel ist es, Fehler so schnell wie möglich abzustellen und den guten Ruf des Deutschen Rotes Kreuzes als verlässlichen Partner in der Altenpflege wieder herzustellen.“

(Beifall im ganzen Haus)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist gut so. Denn was wir überhaupt nicht gebrauchen können, ist, dass jetzt Nebelkerzen geworfen werden, dass Ursache und Wirkung verwechselt werden, dass Schuldverschiebungen erfolgen. Wir brauchen die klare Analyse und die Übernahme von Verantwortung, damit die Pflegemängel zügig beseitigt werden können.

Warum hat sich das Ministerium in diese Situation eingeschaltet? - Es war schnell erkennbar, dass es sich nicht um ein singuläres Problem eines einzelnen Heimes handelt, sondern um ein strukturelles Problem eines Trägers, weil gleich mehrere Heime betroffen waren und weil die - das sage ich ausdrücklich auch der CDU - in der Tat funktionierende Heimaufsicht und der funktionierende Dienst der Krankenkassen

(Vereinzelter Beifall bei SPD und SSW)

sehr schnell erkannt haben, dass hier erhebliche Pflegemängel vorliegen, und diese Pflegemängel dokumentiert haben, Auflagen erteilt haben, in ständigem Kontakt mit dem Träger gestanden haben. Ich habe allein 30 Kontakte der Heimaufsicht Flensburg dokumentiert mit Blick auf das Heim Friesischer Berg innerhalb eines knappen Jahres. Hier hat es erhebliche Aktivitäten gegeben, Druck gegeben, den Versuch gegeben, die Mängel abzustellen, aber - ich glaube, das ist mit Recht als Skandal bezeichnet worden - diese Mängel sind vom Träger nicht beseitigt, sondern die Rahmenbedingungen sogar noch verschlechtert worden, sodass die Lage für die dort betreuten Menschen immer schwieriger wurde.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und SSW)

Der zweite - wie ich meine - zu Recht als Skandal bezeichnete Vorgang war der: Als endlich klar war, dass die Pflegemängel da sind, wurde der Versorgungsauftrag zurückgegeben und in Windeseile wurden die Menschen in andere Einrichtungen gebracht. Ich glaube, auch das ist ein Zeichen dafür, dass die Handlungsfähigkeit eines Verbandes in der Situation nicht vorhanden war. Deshalb haben wir dieses Thema an uns gezogen. Wir haben Heimaufsicht, Medizinischen Dienst der Kassen und den Ver

(Ministerin Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan)

band an einen Tisch gebracht und diesen Prozess moderiert, damit alle ihre Handlungsfähigkeit wieder herstellen konnten.

Man muss hier auch feststellen, dass das Deutsche Rote Kreuz sehr schnell personelle Konsequenzen gezogen hat, organisatorische Konsequenzen gezogen hat und dass das Deutsche Rote Kreuz jetzt ganz offensichtlich gewillt ist, diese Pflegemängel nicht nur abzustellen, sondern auch weiterhin ein Partner der Sozialpolitik in Schleswig-Holstein bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu sein. Das verdient Respekt, auch Respekt vor dem letztlich ehrenamtlichen Präsidium.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Glocke des Präsidenten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, generell geht es in solchen Situationen auch darum, dass man den Pflegeskandal begrenzt. Denn wir können es nicht gebrauchen, dass von einem Pflegenotstand in Schleswig-Holstein die Rede ist, wenn 600 Einrichtungen mit 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Betreuten von diesem Skandal betroffen werden. Das schwächt ihre Motivation, schwächt ihre Leistungsfähigkeit. Das ist der falsche Weg.

Deswegen appelliere ich an uns alle: In solchen Situationen klare Analyse, sofortige Abhilfe, alle sollen gemeinsam an einem Strang ziehen. Das generelle Thema der Verbesserung der Pflegequalität werde ich mir für einen weiteren Beitrag aufsparen müssen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Franzen das Wort.