Protocol of the Session on May 28, 2004

Deshalb täuscht auch der alleinige Vergleich gesamtwirtschaftlicher Steuerquoten über die Belastung der Steuersysteme, wie ihn Karl-Martin Hentschel manchmal anstellt. Dabei schneidet Deutschland zwar in der Tat ziemlich gut ab.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch auch der Sinn des Steuermodells!)

Das ist aber wenig relevant für tatsächliche Investitionsentscheidungen.

Beim effektiven durchschnittlichen Steuersatz und beim effektiven Grenzsteuersatz auf Unternehmenserträge sind wir bedauerlicherweise Spitzenreiter, Herr Hentschel. Unternehmerisches Engagement und unternehmerischer Erfolg lohnen sich deshalb in Deutschland viel weniger als anderswo.

Durch das Steuerkonzept von Frau Simonis würde sich daran fast nichts ändern.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb fördert dieses Konzept auch weder Wachstums noch Beschäftigung, Frau Ministerpräsidentin.

Nun fragt der Finanzminister die Opposition ja immer wieder gerne nach ihren Alternativen. Herr Minister, ich gestehe Ihnen zu: Die Frage nach Alternativen der Opposition ist legitim. Ich hätte mich aber gefreut, wenn Sie in Ihrer 13-minütigen Rede auch einmal gesagt hätten, was Sie eigentlich wollen, anstatt nur zu fragen: Was wollt ihr denn?

(Beifall bei der FDP)

Offensichtlich haben Sie in der Vergangenheit- bedauerlicherweise auch mir, was ich gar nicht recht verstehen kann - nicht gut genug zugehört. Daher hier noch einmal unsere Vorschläge.

Die FDP hat drei Gesetzentwürfe in den Deutschen Bundestag eingebracht, um die Finanzpolitik des Bundes wieder auf gesunde Füße zu stellen: Erstens eine Reform der Besteuerung der Einkommen von Privatpersonen und Unternehmen, zweitens eine Reform der Gemeindesteuern durch Ersatz der Gewerbesteuer durch Aufschläge auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Einkommen- und Körperschaftsteuerpflichtigen, und zwar für Gewerbetrei

bende und Freiberufler, Herr Finanzminister. Bei beiden Vorschlägen streichen wir fast alle Ausnahmen, die unser Steuerrecht so wachstumsschädlich und beschäftigungsfeindlich machen. So verbreitern wir die Bemessungsgrundlagen und können gleichzeitig die Steuersätze senken und so steigern wir die Anreize zu arbeiten, zu sparen und zu investieren. Die Spitzensteuersätze bei Einkommen- und Körperschaftssteuer werden dann inklusive des durchschnittlichen Zuschlags durch die Kommunalsteuer bei etwa 35 % liegen, im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, am oberen Rand dessen, was der Sachverständigenrat im seinem aktuellen Gutachten als international wettbewerbsfähig dargestellt hat. Insgesamt wollen wir dadurch auch die Steuereinnahmen und damit langfristig auch die Steuerlast in Deutschland langfristig senken. Um dies zu finanzieren, haben wir in unserem dritten Entwurf beantragt, alle Subventionen des Bundes um 20 % zu kürzen.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wie wir die Finanzen des Landes ordnen werden, können Sie unseren Haushaltsanträgen entnehmen. Ich wiederhole hier nur ganz kurz unser Konzept.

Mit unseren Vorschlägen kürzen wir den Haushalt. Wir schichten innerhalb des gekürzten Haushalts auf die zu den Kernaufgaben des Landes zählenden Aufgabenbereichen um. Das ist die Bildung, das ist die innere Sicherheit und das sind Investitionen in die Infrastruktur. In der Tat, Frau Heinold: Wir verkaufen Landesvermögen. Wir verkaufen es aber einnahmemaximierend, um neue Schulden zu vermeiden.

Ich bedanke mich bei Ihnen allen herzlich, dass es möglich war, im Rahmen dieser Debatte sachlich zu diskutieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein kleines Schmankerl vorweg, weil ich, wie ich gestehen muss, zwischendurch in den „Pressespiegel“ geschaut habe. Dort kann ich lesen, die SPD sei die reichste Partei in Deutschland, die FDP stehe mit 1,8 Mil

(Monika Heinold)

lionen € im Minus. Daran kann man doch sehen, wer mit Geld umgehen kann.

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Günther Hil- debrand [FDP]: Frau Kollegin, Sie sollten sich die schleswig-holsteinischen Zahlen an- sehen! - Zurufe von der CDU)

Obwohl ich wie Herr Garg eine eher sachliche Rede vorbereitet habe, möchte ich doch am Anfang kurz noch etwas zu Ihnen, Herr Kayenburg, und zur Ernsthaftigkeit der CDU-Politik sagen.

Es ist schon erwähnt worden: Sie waren damals gegen die Kürzung von Weihnachts- und Urlaubsgeld, Herr Carstensen war zumindest im Fernsehen dafür. Sie waren zunächst für die Kündigung von Tausenden von Stellen im öffentlichen Dienst, dann wollten Sie 2.000 Stellen abschaffen, dann wollten Sie 1.000 Stellen abschaffen, dann konnten Sie nicht mehr sagen, wann man denn Stellen reduzieren kann.

(Martin Kayenburg [CDU]: Erzählen Sie nicht so einen Quatsch!)

Als Herr Kayenburg dann beim Beamtenbund war - so ist es zu lesen -, hat er gesagt, keinesfalls sei Personalabbau das Ziel aller Bemühungen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Stellenabbau, jawohl!)

Herr Kayenburg, so viel zu Ihrer Ernsthaftigkeit.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben es immer noch nicht kapiert!)

Was die Verschuldung angeht, so klagen Sie per Verfassungsklage gegen den Haushalt, während Herr Carstensen Schlagzeilen macht, indem er sagt: Höhere Verschuldung für Bildung und innere Sicherheit. Auch das passt nicht zusammen.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ingrid Franzen [SPD])

Es gibt aber auch kleine Beispiele. Ich nenne einmal die Landesvertretung in Berlin. In Ihren Haushaltsvorschlägen für diesen Doppelhaushalt sind Kürzungen in Bezug auf die Landesvertretung in Berlin vorgesehen und Herr Carstensen produziert dann wieder Schlagzeilen. Er will nicht nur die Landesvertretung in Berlin ausbauen, sondern er will gleich noch eine zweite in Brüssel bauen.

Wenn dann Ihr Parteichef und Ihr Spitzenkandidat auf die Frage, wie man den Haushalt sanieren könnte, zu der Aussage kommt: Ich weiß auch nicht, wie das gehen soll - so Ihr Spitzenkandidat zu Lösungsmög

lichkeiten für diesen Haushalt! -, dann sage ich Ihnen: Mit Ihnen setze ich mich ausgesprochen gerne über den Landeshaushalt und über die Lösungsmöglichkeiten auseinander.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir hatten eine gute und interessante Sitzung des Finanzausschusses. Herr Garg, ich habe diese Finanzausschusssitzung sehr positiv in Erinnerung. Wir haben uns parteiübergreifend sachlich mit dem vorgelegten Steuerkonzept der Landesregierung, aber auch mit anderen Konzepten beschäftigt. Ich habe aus der Debatte mitgenommen, dass wir uns in einigen Punkten durchaus einig sind und uns im Prinzip auch auf gemeinsame Positionen verständigen könnten, wären da nicht - das muss man ehrlicherweise sagen - die harten parteipolitischen Auseinandersetzungen in Berlin. Aber vielleicht - das ist meine Hoffnung - gelingt es uns doch noch, im Herbst gemeinsame Anträge zur Steuerpolitik zu machen, sei es zur Kfz-Steuer, sei es zum Ehegattensplitting oder auch zur Erbschaftsteuerreform. Für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir an parteiübergreifenden Anträgen ein großes Interesse haben, auch, wenn wir uns damit das eine oder andere Mal gegen unsere eigene Bundespartei stellen.

Für die schleswig-holsteinischen Grünen steht ein Ziel im Vordergrund: Wir brauchen dringend eine zeitnahe Steuerreform, welche die Einnahmen von Bund und Land stabilisiert, welche die Lohnnebenkosten deutlich senkt, eine Steuerreform, die familien- und kinderfreundlich ist, die unsere Steuergesetzgebung entrümpelt und die insbesondere ökologisch schädliche Subventionen drastisch senkt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Finanzausschuss hat sich letzte Woche in Dänemark davon überzeugen können, dass es sich lohnt, ein Land zu reformieren und insbesondere die Lohnnebenkosten deutlich zu senken. Natürlich erwarte ich nach dieser Reise nicht, dass die Opposition nun anfängt, das Steuerkonzept der Landesregierung zu loben. Aber ich erwarte schon - insofern fand ich den Beitrag von Herrn Garg ausgesprochen gut -, dass wir in der heutigen Debatte nicht nur das klassische Schwarz-weiß-Muster bedienen, sondern dass wir uns ohne Scheuklappen kritisch mit der Frage auseinander setzen, wie wir die Situation der öffentlichen Finanzen in Bund, Land und Kommunen verbessern können.

Wenn ich Haushaltsdebatten in den verschiedenen Landtagen vergleiche, so stelle ich fest, dass die Re

(Monika Heinold)

den nahezu austauschbar sind, je nachdem, welche Partei an der Regierung ist. Das zeigt doch deutlich, dass es bei aller berechtigten Kritik im Detail keinen Sinn macht, allein der jeweiligen Landesregierung die Verantwortung für die riesigen Haushaltslöcher in die Schuhe zu schieben.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Ruf nach weiteren Steuersenkungen und nach der Kündigung von Tarifverträgen bringt uns keinen Schritt weiter. Wir können und wollen uns nicht mit Niedriglohnländern messen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Landesregierung hat mit ihrem Vorschlag für eine Steuerreform einen guten Impuls gesetzt und mit dem Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuerreform einen ersten konkreten Baustein geliefert.

Das Hauptelement des schleswig-holsteinischen Konzeptes ist jedoch die Senkung der Lohnnebenkosten durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Deswegen warne ich an dieser Stelle auch vor Vorschlägen, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, um Haushaltslöcher zu schließen. Dies würde unser eigenes Modell kaputtmachen, und dagegen müssen wir uns wehren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Mai-Steuerschätzung war kein Tag der Freude, auch wenn wir im Jahr 2004 deutlich besser dastehen als andere Bundesländer, welche teilweise riesige Haushaltslöcher bewältigen müssen. Die vorausschauende Politik unseres Finanzministers hat dazu geführt, dass das Land 2004 sogar ein leichtes Plus verzeichnen kann. Aber in den Jahren 2005 ff. haben wir riesige Probleme. Ich sage sehr deutlich: Jede, der versucht, zu suggerieren, er hätte darauf eine einfache Antwort oder überhaupt eine Antwort, wie wir bis zu 500 Millionen € jährlich zusätzlich einsparen wollen oder umschichten können, argumentiert wissentlich unredlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)