Will die CDU, dass zukünftig alle Menschen, die das minimale Transfereinkommen, nämlich die Sozialhilfe oder zukünftig das Arbeitslosengeld II, erhalten, ohne weitere Entlohnung zur Zwangsarbeit verpflichtet werden? Auch das könnte man aus dem Antrag in seiner Allgemeinheit herauslesen. Würde die CDU dabei in Kauf nehmen, dass damit ein beispielloses Lohnqualitätsdumping für alle Arbeitsfähige in Gang gesetzt wird? Denn dann gäbe es keine Notwendigkeit mehr für einen privaten Arbeitgeber, gut entlohnte Arbeit anzubieten, weil die Kommunen sowieso alle Sozialhilfeempfänger zu beliebiger Zwangsarbeit zwangsverpflichten könnten. Diese Art der kommunalen Arbeitshäuser des 18. Jahrhunderts lehnen wir ab.
Zweitens lehnen wir den Antrag auch deshalb ab, weil die Einsparungen der Kommunen im Bereich der Sozialhilfe nicht, wie von der CDU unterstellt, ein zu honorierendes Ruhmesblatt sind. Einsparungen können entstehen, wenn es vor Ort wieder mehr Arbeit gibt - das wäre positiv - oder aber zum Beispiel die Bevölkerung abnimmt - auch dies ist sehr realistisch, wenn wir in die Zukunft sehen - oder die Legalität verlassen wird, wie ich das gerade eben skizziert habe, Arbeitszwang.
Ansonsten kann ich nur auf das Benchmarking der Landesregierung verweisen. Sie hat in die Wege geleitet, was die Kommunen allein nicht hingekriegt haben, nämlich dass die kommunalen Sozialämter in einem Arbeitskreis zusammensitzen, die unterschiedlichen Positionen der Sozialhilfe vergleichen und Systeme entwickeln, die sie untereinander vergleichbar machen. Das gibt es schon; da fordern Sie etwas, was es schon längst gibt.
Herr Kalinka, Sie sollten sich daran erinnern, was uns die Bürgerbeauftragte Jahr für Jahr ins Stammbuch schreibt. Sie berichtet immer wieder über mangelnde und schlechte Rechtsberatung der Sozialämter und sogar Willkür bei der Nichtleistungsgewährung. In vielen Fällen konnte erst die Bürgerbeauftragte durch ihr Einwirken Rechtsstaatlichkeit wieder herstellen.
Auch das sollten wir uns vor Augen halten und nicht leichtfertig über solche Thesen von Herrn Kalinka hinweggehen.
Ihr Antrag macht mich nicht nur ratlos. Je länger ich darüber nachdenke, macht er mich ärgerlich, weil der demagogische Unterton nicht das ist, was wir brauchen, und nicht das ist, was diejenigen verdient haben, die verzweifelt Arbeit suchen.
Herr Kalinka, ein Beitrag wäre gewesen, wenn Sie zum Beispiel angesichts dessen, dass Sie ja das Leid vieler armer Menschen hier wiederholt öffentlich beklagen, zum Beispiel in Ihrem Landkreis eine Wettbewerbssituation für mehr Bürgerfreundlichkeit der Sozialämter einleiten würden. Wir brauchen nicht nur ein Benchmarking im Zahlen- und Kostenvergleich, wir brauchen auch ein Benchmarking, was Bürgerfreundlichkeit und Transparenz der Beratung angeht. Gerade wenn wir jetzt die Job-Center der Zukunft schaffen, wäre das eine Chance, hier meilensteinmäßig voranzukommen.
Wenn ich mir von einzelnen Bürgerinnen anhöre, dass der Ermittlungsdienst des Sozialamtes morgens um 6 Uhr bei ihnen als allein erziehender Mutter klingelt und sagt: „Bitte zeigen Sie mir Ihr Schlafzimmer, ich möchte sehen, ob Sie hier mit einem Mann nächtigen und was in ihrem Kleiderschrank ist“, ist das ein Eingriff in Grundrechte, der unbeschreiblich und durch kein Gesetz gedeckt ist. Trotzdem kommt das immer wieder vor.
Angesichts solcher Tatsachen brauchen wir ein Benchmarking für Bürgerfreundlichkeit und Grundrechtssicherung.
Ich gestehe, dass mir angesichts der geplanten Überantwortung bisher kommunaler und damit demokratisch vor Ort legitimierter Sozialhilfegewährung auf die hierarchische Mammutbehörde, wie sie die Bundesarbeit für Arbeit immer noch ist, nicht wohl ist. Deshalb bin ich froh darüber, dass sich der Landtag in den letzten Monaten wiederholt für eine Stärkung der Kommunen bei der Hartz-Reform stark gemacht hat. Aber um alle Missverständnisse auszuschließen: Wir hatten damit nicht im Sinn, die Kommunen zu ermuntern, Arbeitshäuser des 18. Jahrhunderts zu eröffnen.
Zunächst möchte ich die Gelegenheit nehmen, neue Gäste im Schleswig-Holsteinischen Landtag zu begrüßen, und zwar die Soldatinnen und Soldaten der 4. Kompanie des Logistikbataillons 162 aus Seeth sowie Justizsekretäranwärterinnen und -anwärter beim Landgericht Lübeck. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Plenum des Schleswig-Holsteinischen Landtages!
Ich darf jetzt für den SSW im SchleswigHolsteinischen Landtag der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich mit dem Antrag der CDU, der uns heute auf dem Tisch liegt, beschäftigt. Ich habe die heutige Gesetzeslage genommen. Ich habe mich nicht mit möglichen Arbeitspapieren der CDU zu ihrem eigenen Parteitag beschäftigt, die man sicherlich zunächst parteiintern und nicht hier im Landtag diskutiert. Ich ging bisher jedenfalls davon aus. Bei anderen Parteien, zum Beispiel bei uns, diskutiert man das zunächst intern, bevor man mit Anträgen in den Landtag kommt.
- Das dachte ich mir auch, aber bei der CDU ist das wohl anders, erst die Meinung des Landtages einholen, dann der eigenen Parteimenschen.
Herr Kalinka, darüber hinaus haben Sie in Ihrem Redebeitrag erstaunlicherweise Dinge genannt, die in Ihrem Antrag überhaupt nicht aufgeführt sind. Sie möchten gern einen Datenabgleich mit Sozialdaten haben, das Steuergeheimnis brechen und Ähnliches. Das finde ich total spannend, aber in Ihrem Antrag steht davon konkret nichts drin. Es wäre schön gewesen, wenn Sie, wie die Kollegin Kolb schon gesagt hat, irgendetwas Konkretes vorgelegt hätten statt dieses Papier.
Nun zu meinem Redebeitrag! Der Antrag der CDU ist interessant. Wir sollen die Landesregierung auffordern festzustellen, ob die Sozialhilfe wirklich nur
schwachen und bedürftigen Menschen zugute kommen. Vor diesem Hintergrund erkläre ich Ihnen gern, wer überhaupt berechtigt ist, Sozialhilfe zu erhalten. Ein Blick in den Gesetzestext hilft.
Nach dem Bundessozialhilfegesetz, einem Bundesgesetz, unterteilt sich die Sozialhilfe in zwei Hilfearten, nämlich die Hilfe in besonderen Lebenslagen und Hilfe zum Lebensunterhalt. Hilfe in besonderen Lebenslagen erhalten verschiedene Personengruppen, zum Beispiel Kranke, Behinderte, Pflegebedürftige und alte Menschen, soweit ihnen nicht zugemutet werden kann, sich aus ihrem eigenen Einkommen und Vermögen zu helfen.
Hilfe zum Lebensunterhalt erhält, wer seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend oder vollständig aus eigenen Kräften und Mitteln sicherstellen kann. Dabei darf Sozialhilfe nur an Menschen gegeben werden, die sich nicht selbst helfen können und auch nicht Hilfe von Dritten erhalten können.
Genau aus diesem Grunde überprüfen die Kreise und kreisfreien Städte genau, ob eine Antragstellerin oder ein Antragsteller nicht zunächst von anderer Stelle Hilfe erhalten kann. Dies machen diese Behörden, weil es dem gesetzlichen Auftrag entspricht, aber auch, weil die Träger der Sozialhilfe ein eigenes Interesse haben, gerade keine Hilfe zahlen zu müssen. Wie vielleicht auch im Kreis Plön bekannt, müssen die Kommunen nämlich die Kosten der Sozialhilfe tragen. Es besteht deshalb ein sehr, sehr großes Eigeninteresse daran, die Daten und Angaben der Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Einige Kommunen haben inzwischen sogar Sachbearbeiter, die vor Ort genau überprüfen, ob eventuelle Ansprüche berechtigt sind. Darüber hinaus haben die Kreise und kreisfreien Städte eigene Rechnungsprüfungsämter, die sich gerade mit dem Bereich der Sozialhilfe beschäftigen und dort alles prüfen und gegebenenfalls monieren. In einigen Kreisen sitzen sogar Rechnungsprüfer mit im Sozialamt.
Zuständig für die Sozialhilfe sind in SchleswigHolstein die Kreise mit den ihnen angehörenden Kommunen und die kreisfreien Städte. Sie nehmen die Aufgaben des örtlichen und überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wahr. Und ganz entscheidend ist: Sie entscheiden in eigener Verantwortung im Einzelfall.
Wie ernst zum Beispiel die kreisfreien Städte die Prüfung der Ansprüche der Sozialhilfeempfänger nehmen, haben wir gerade jüngst in der Stadt Flensburg gesehen, wo es einen erheblichen Konflikt zwischen der Verwaltung und den sozialen Organisationen gab. Die Vertreter der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger waren der Auffassung, dass die Ver
waltung die Auszahlung der Sozialhilfe viel zu restriktiv handhabt. Dieses Beispiel zeigt aus meiner Sicht, dass die Sozialhilfe nicht nach Gutdünken ausgezahlt wird, sondern an diejenigen gezahlt wird, die laut Gesetz unsere Hilfe erwarten können und sie auch wirklich benötigen.
Will man das nun ändern, muss man ehrlicherweise die gesetzlichen Bedingungen für den Erhalt der Sozialhilfe auf Bundesebene ändern.
Auch hinsichtlich der Pflicht zur Gegenleistung von Sozialhilfeempfängern verstehe ich die Forderung der CDU nicht. Bereits heute erhalten nämlich viele Sozialhilfeempfänger die Sozialhilfe nur dann, wenn sie bereit sind, eine Gegenleistung in Form von Arbeit zu erbringen.
Nun verlangt die CDU, dass das Land die gesamten Sozialhilfeausgaben überprüft. Warum ist eigentlich nicht nachvollziehbar; denn, wie gesagt, dafür sind in erster Linie die Kreise und kreisfreien Städte zuständig. Nur im Rahmen des so genannten quotalen Systems hat das Land auch etwas damit zu tun.
Im anderen Zusammenhang vertritt die CDU folgende These: Es findet zu viel Bürokratie statt. Das Land mischt sich zu viel in die Angelegenheiten der Kommunen und Kreise ein. In diesem Antrag wird nun das genaue Gegenteil gefordert. Darüber hinaus haben wir bei der Diskussion über die Kommunalreform unter anderem auch von der CDU Folgendes gehört. Sie erklärte: Die Gemeinden ordnen ihre Aufgaben so gut, dass die vom SSW vorgebrachten Argumente gegen die Kleinteiligkeit der jetzigen Kommunalstruktur nicht richtig sein könnten, weil gerade vor Ort die Aufgaben effizient und gut erledigt werden könnten. Warum soll das Land nun um Himmels willen dort schon wieder kontrollieren? Anscheinend traut die CDU nicht einmal ihren eigenen Aussagen!
Deshalb ist auch der letzte Absatz des Antrages nicht nachvollziehbar. Nach diesem Vorschlag sollen die Einsparungen transparent dargestellt, koordiniert und honoriert werden. Bei der Transparenz habe ich so meine Probleme. Ich lese die Haushalte, zum Beispiel den Haushalt der Stadt Flensburg. Dort kann ich sehen, wie hoch die Sozialhilfeausgaben sind und was vielleicht im Vergleich zum Vorjahr eingespart oder leider mehr ausgegeben worden ist. Darüber hinaus ergibt sich auch - zumindest im Flensburger Haushalt -, wie viele Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger es jeweils mehr oder weniger geworden sind. Im Kreis Plön mag das anders sein.
Ich kann der CDU deshalb nur empfehlen, die Haushaltsaufstellungen und Beschlüsse der Kommunen genau zu lesen. Dort steht bereits alles drin.
Weiter wird Koordination vorgeschlagen. So wie ich das verstehe, würde dies zu weiteren Erlassen führen, nämlich von Landesebene, zu mehr Bürokratie also, und würde die Kommunen mit weiterer Arbeit bereichern.
Auch die Honorierung von Einsparungen bei der Sozialhilfe findet eigentlich heute schon statt. Denn, wie bereits gesagt, die Kommunen sparen eigenes Geld. Deshalb versuchen sie auch genau zu überprüfen, ob jemand Ansprüche hat. Genau aus diesem Grunde kann der SSW die einzelnen inhaltlichen Forderungen des Antrages nicht unterstützen.
Denn der Antrag und auch der heutige Redebeitrag unterstellen zum einen, dass die Kommunen nicht ordnungsgemäß mit ihrem Geld umgehen, und zum anderen, was noch viel schlimmer ist, dass viele Sozialhilfeempfänger diese Leistungen zu Unrecht erhalten. Ein solcher Populismus auf Stammtischniveau gehört trotz des beginnenden Landtagswahlkampfes nicht in die politische Auseinandersetzung!
Wenn Kurzbeiträge gewünscht werden, kann man sich melden. Der Erste, der sich nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung gemeldet hat, ist der Herr Kollege Dr. Heiner Garg.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich wollte mir doch nicht die Freude entgehen lassen, dem Kollegen Kalinka - wir hatten ja früher unsere Auseinandersetzung zu diesen Themen - Folgendes zu sagen: Lieber Werner Kalinka, es tut mir schrecklich Leid, aber dieser Antrag ist so platt, dass er geradezu danach schreit, dass man ihm noch einiges entgegensetzt. Vieles ist schon gesagt worden.