Protocol of the Session on April 29, 2004

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Zu früh gefreut: Nach der Sitzung des Bundesernährungsausschusses Mitte März und den viel versprechenden Äußerungen des Staatssekretärs im Bundesernährungsministerium, Matthias Berninger, war ich wirklich davon ausgegangen, dass sich das Projekt des Umweltbundesamtes, mittels verdeckter Feldbeobachtung die Wirtschaftsweise der Landwirte auszuspionieren, erledigt haben würde und wir unseren Antrag nach einer Entschuldigung der zuständigen Minister zurückziehen könnten. Leider weit gefehlt. Mit bekannter Starrköpfigkeit, wenn es darum geht, den Landwirten eins auszuwischen, beharrt RotGrün auf seinem Projekt zur verdeckten Feldbeobachtung, betont jetzt allerdings ganz besonders, dass es dabei überhaupt nicht darum gehe, Landwirte wegen möglichen Fehlverhaltens an den Pranger zu stellen, geschweige denn zu kriminalisieren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Tatsache ist, dass in SchleswigHolstein bereits heute der ordnungsgemäße Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln sachkundig vom Pflanzenschutzdienst überprüft wird. Landwirtschaftsminister Müller hat das in der Antwort auf meine Kleine Anfrage anschaulich dargelegt. Ohne Zweifel verfügt der Pflanzenschutzdienst über die notwendige fachliche Qualifikation und Erfahrung, die Richtigkeit von Bewirtschaftungsverfahren und Maßnahmen im Pflanzenschutz zu überprüfen. Warum aber lassen Sie es dann zu, Herr Minister, dass vom Bund eindeutig in Landeskompetenzen eingegriffen wird?

Tatsache ist weiterhin - und das sollten auch Sie, Herr Minister, endlich anerkennen -, dass es durchaus im Interesse der Landwirtinnen und Landwirte liegt, Pflanzenschutzmittel nur so anzuwenden, dass die Sicherung landwirtschaftlicher Erträge bei möglichst geringer Beeinträchtigung der Umwelt erreicht wird. Die einfache Formel lautet dafür: Je effizienter der Einsatz, desto geringer die Kosten. Unsere Landwirte sind dafür gründlich ausgebildet. „Viel hilft viel“ gehört schon lange der Vergangenheit an. Tatsache ist schließlich auch, dass der immer wieder von RotGrün konstruierte Widerspruch zwischen Landwirtschaft und Natur- und Umweltschutz in der Praxis bereits einer guten Kooperation gewichen ist. Die

Trauerseeschwalbe müsste Ihnen das inzwischen ausreichend gezwitschert haben. Hören Sie deshalb auf, die gute fachliche Praxis von Land- und Forstwirten immer und immer wieder künstlich infrage zu stellen, noch dazu mit Maßnahmen, die weder ein geeignetes noch ein legitimes Mittel zur Überwachung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln darstellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wir sind doch im Bereich der inneren Sicherheit häufig einer Meinung, wenn es darum geht, unsere Verfassung zu schützen und Bürgerrechte zu wahren. Erst gestern haben wir gemeinsam festgestellt, dass zum Beispiel Migranten nicht pauschal als Sicherheitsrisiko gesehen werden dürfen. Haben nicht auch unsere Bauern, Baumschuler und Forstleute Anspruch darauf, so beurteilt zu werden? Mit den verdeckten Feldbeobachtungen soll jetzt aber gegen diese Mitbürger ohne jeden Anfangsverdacht ermittelt werden. Oder zählt das hier alles nach dem Motto: „Wenn es um die Umwelt geht, ist jedes Mittel recht“? Dann hätten wir in unserem Land tatsächlich eine Ökodiktatur. (Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Meine Damen und Herren, verdeckte Feldbeobachtungen, eine Bespitzelung der Landwirte hat in der heutigen Zeit nichts verloren.

(Beifall bei der FDP)

Insofern habe ich mich gefreut zu lesen, dass es für Professor Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes, klar sei, dass mögliche Probeentnahmen vom Feld nur in Absprache mit dem jeweiligen Landwirt erfolgen sollen. Ich frage mich allerdings, was das dann noch mit verdeckten Ermittlungen zu tun hat. Auch die Rolle des so genannten wissenschaftlichen Begleitkreises als vertrauensbildende Maßnahme erscheint mir im Rahmen nach wie vor verdeckter Ermittlungen dubios. Statt so viel Energie in eine Verschlimmbesserung zu stecken, hätte besser der Mut aufgebracht werden sollen, sich von diesem Projekt insgesamt zu verabschieden.

(Beifall bei der FDP)

Noch ist es nicht zu spät. Das Vorhaben ist zwar vergeben, aber wie wir vom Bundesumweltministerium mit Datum vom 23. April erfahren haben, haben die verdeckten Feldbeobachtungen noch nicht begonnen. Die ungeheuerliche Kriminalisierung unserer Landwirte ist also noch zu stoppen. Solange alles nur wortreich in der Verpackung bleibt, ist uns wirklich nicht geholfen. Ich fordere den Schleswig-Holsteinischen Landtag deshalb auf, sich baldmöglichst von diesem Affront gegen die Landwirtschaft zu distan

(Günther Hildebrand)

zieren. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kruse das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hildebrand, niemand zweifelt an der guten fachlichen Praxis und an deren Einhaltung, aber fast jeder - Sie sicherlich ebenso wie ich - macht irgendwann Fehler aus Unwissenheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Pflanzenschutz ist ein wichtiger und unverzichtbarer Baustein in der Lebensmittelproduktion, er ist aber auch ein Umgang mit den Stoffen der erhöhten Gefährdungsklasse, der kanalisiert und kontrolliert werden muss.

Die aus meiner und aus der Sicht der SPD-Landtagsfraktion etwas überzogenen Reaktionen von Verbandsfunktionären, Interessenvertretern sowie Bundes- und Landtagsabgeordneten der FDP auf eine öffentlich annoncierte Forschungsaktivität sind daher nur schwer nachvollziehbar. Hier wird ganz bewusst versucht, einen Keil zwischen den Pflanzenschutzdienst der Länder und dem Bundesamt zu treiben.

Stein des Anstoßes ist ein Forschungsprojekt, mit dem Fehler bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln erkannt werden sollen, um daraus Verbesserungsvorschläge für den zukünftigen Vollzug im Pflanzenschutzbereich abzuleiten. Denn die jetzt gültigen Anwendungsbestimmungen, die zum Beispiel Mindestabstände zu Oberflächengewässern vorschreiben, werden einerseits von Anwendern und deren Vertretern als überzogen und nicht praxisgerecht kritisiert. Andererseits werden Vorwürfe von Umweltverbänden erhoben, die Anwendungsbestimmungen würden nicht in erforderlichem Maße die Sicherstellung des Schutzes des Naturhaushaltes gewährleisten. - Es gibt hier also eine Menge unterschiedlichster Aussagen.

Auch Sie, Herr Hildebrand, wissen, dass häufig erst mit der Erteilung der Anwendungsbestimmungen die Zulassungsfähigkeit eines Pflanzenschutzmittels hergestellt wird. Der Einhaltung dieser kommt daher eine ganz besondere Bedeutung zu.

Ich gebe es zu: Der Begriff „verdeckte Feldbeobachtung“ ist sicherlich ein bisschen unglücklich gewählt und weckt viele negative Assoziationen. Missverständnisse - Sie haben es gerade erwähnt - und auch

Versäumnisse hat das Umweltbundesamt hier ja auch zugestanden.

Die Feldbeobachtung umfasst die visuelle Beobachtung der Landwirte - ich möchte hier einmal darstellen, wie es eigentlich funktioniert - bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln durch geschultes mobiles Personal, das Ausmessen der Fahrspuren im Randbereich der Behandlungsfläche sowie die Entnahme von Boden- oder Pflanzenproben. Dies kann nur nach Absprache mit dem jeweiligen Landwirt erfolgen.

Im Rahmen der visuellen Erfassung sind Erkenntnisse über die verwendete Technik und den Applikationsvorgang selbst zu gewinnen. Zum Beispiel ist zu erfassen, ob Wenden mit laufender Spritze stattfindet, ob in Richtung auf Gewässer behandelt wird, ob die Abdrift von Spritznebel zu beobachten ist, ob Abschaltungen von Düsen stattfinden, welcher Abstand zum Gewässer eingehalten wird beziehungsweise ob eine Mitbehandlung stattfindet.

Und alle Beobachtungen beziehungsweise Proben dürfen nur mit Zustimmung der Landwirte erfolgen beziehungsweise entnommenen werden. Die Proben werden anonymisiert und dienen dazu, ein realistisches Bild vom alltäglichen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in verschiedenen Regionen zu verzeichnen.

Motiv für dieses Projekt ist es also, die Anwendungsbestimmungen und Auflagen zu überarbeiten und gegebenenfalls zu vereinfachen. Dies scheint ja auch Konsens zu sein. Denn in der neuesten Ausgabe des „Bauernblattes“ konnten wir mit Interesse lesen, dass Qualitätsfonds und Deula ein bundesweit einmaliges Schulungsprojekt mit dem Data-Bus starten: ein Schulungsprojekt auf dem Gebiet der Präzisionslandwirtschaft für Landwirte, bei dem es um passgenaue Aufwandsmengen für Düngung, Pflanzenschutz und Aussaat geht.

Dort wird begründet, dass mit der passgenauen Aufwandsmenge in den verschiedenen Abschnitten Betriebsmittel eingespart werden und zu höheren Erträgen führen können.

(Günther Hildebrand [FDP]: Das ist gute landwirtschaftliche Praxis!)

- Das habe ich auch nicht angezweifelt. Sie haben bei meinem ersten Satz, als ich Sie angesprochen habe, leider nicht zugehört.

Für den Pflanzenschutz wurde hier vom Qualitätsfonds und von Deula ein Einsparpotenzial von 20 € pro Hektar dargestellt.

(Maren Kruse)

Es steht also eindeutig fest und ist auch bei den Landwirten anerkannt, dass mehr Qualitätsdenken und Präzision notwendig sind.

(Günther Hildebrand [FDP]: Nichts anderes habe ich gesagt!)

Dazu werden mehr Informationen für alle am Prozess Beteiligten benötigt. Denn die Frage: „Wo tue ich was auf den Acker?“, gehört heute zum Thema Rückverfolgbarkeit und vor allem zur Produkthaftung der Landwirte, aber all dies ist ihnen noch nicht bewusst.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie uns alle offenen Fragen dazu im Ausschuss überdenken und diskutieren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Ehlers das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Absicht des Umweltbundesamtes, eine verdeckte Feldbeobachtung durchzuführen, könnte sicherlich umgehend verwirklicht werden. Das wäre kein logistisches Problem. Personal mit einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen, erworben in der ehemaligen DDR, wird wohl noch in ausreichender Zahl vorhanden sein und steht sicherlich schnell zur Verfügung.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Frei nach Lenin, meine sehr geehrten Damen und Herren:

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Bisher gingen wir davon aus, dass die Pflanzenschutzkontrollen Ländersache sind und ordnungsgemäß erfolgen. Wir gingen auch davon aus, dass die zuständigen Ämter für ländliche Räume ihre Aufgaben in der Vergangenheit zuverlässig erfüllt haben.

Umso erstaunter sind wir, dass nun eine Bundesbehörde der Überzeugung ist, alles besser zu können. Es dürfte den Ländern nicht schwer fallen, die notwendigen Daten und Erhebungen zur Verfügung zu stellen beziehungsweise zu ermitteln.

Auch dieses Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes kostet Zeit und vor allen Dingen Geld - und es ist Steuergeld, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es stellt sich daher die Frage, welches Ziel mit diesem Vorhaben überhaupt verfolgt wird. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist streng reglementiert. Von den Anwendern werden spezielle und nachgewiesene Kenntnisse verlangt und die Kontrollen werden nach Auskunft der Landesregierung ordnungsgemäß durchgeführt.

Wenn auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in SchleswigHolstein kein Nachholbedarf besteht, muss das Ansinnen des Umweltbundesamtes ins Leere gehen. Allerdings müssen auch den zuständigen Ämtern Auffälligkeiten bekannt sein, wenn es denn welche gibt.

Ich mag nicht glauben, dass Kontrolleure des Umweltbundesamtes Fehlverhalten in größerer Zahl aufdecken und damit unsere zuständigen Ämter als begossene Pudel dastehen, die mit ihrer Aufgabe anscheinend überfordert wären.

Aber nur unter dieser Voraussetzung der Überforderung macht die verdeckte Feldbeobachtung überhaupt einen Sinn. Letztlich werden nicht allein Landwirte und Gärtner kontrolliert, sondern auch die Qualität der Ämter. Und die Aufsichtsbehörde kann sich auch nicht von ihrer Verantwortung frei machen.

Wir wollen das Vorhaben des Bundesumweltamtes nicht zu hoch hängen. Es handelt sich um ein Forschungsvorhaben und die Erhebungen sollen angeblich anonym bleiben. Aber es bleibt die Frage, ob die zuständigen Ämter in ihrer Wahrnehmung der Kontrollaufgaben diese Erhebungen nicht kostengünstiger und wegen ihrer Kenntnisse vor Ort auch besser durchführen könnten.