Ein Großteil der Menschen in unserem Land halten grundlegende Reformen für nötig. Aber ein Großteil der Menschen empfindet die Reformen der letzten Jahre auch als ungerecht. Deshalb frage ich Sie: Ist es wirklich wirtschaftsfeindlich, wenn nicht nur die skandinavischen Länder, sondern auch die USA, Kanada und Großbritannien Vermögen um ein vielfaches höher besteuern als Deutschland? Ist es wirklich Unvernunft, wenn viele Menschen es als ungerecht empfinden, wenn sie mehr belastet werden, aber zugleich die Vermögensteuer abgeschafft wird, eine Anpassung der Erbschaftsteuer abgelehnt wird und zugleich die Steuersätze für Spitzeneinkommen immer weiter abgesenkt werden?
Ich glaube ganz ernsthaft, dass eine Steuerreform, die von den Menschen akzeptiert werden soll, auf diese Fragen eine Antwort geben muss.
Genau das leistet das Steuerkonzept der rot-grünen Landesregierung. Es gibt eine Antwort, die die Bemessungsgrundlagen für die Erbschaftsteuer endlich den Realitäten anpasst; eine Antwort, die durch ausreichende Freibeträge für Ehepartner und Kinder sowie für kleine Betriebe sozial ausgewogen ist; und eine Antwort, die die Eingangssteuersätze für kleine Einkommen senkt, aber für Jahreseinkommen über 500.000 € einen 5-prozentigen Zuschlag erhebt.
Meine Damen und Herren von der Opposition: Das ist keine Sozialromantik. Und wenn Sie glauben, dass Sie diese Gerechtigkeitsfragen nicht betreffen, weil Sie zurzeit gerade gute Ergebnisse bei Wahlumfragen haben, dann täuschen Sie sich erheblich. Die Wahlen in Frankreich haben gerade deutlich gemacht, dass diese Fragen von jeder Regierung beantwortet werden müssen und dass konservative Regierungen genauso abgestraft werden, wenn sie die notwendigen Schritte unternehmen. Jede Regierung, die die Sozialsysteme grundlegend verändern will und den Menschen Einbußen zumutet, muss die Gerechtigkeitsfrage beantworten.
Wenn Sie sich davor drücken, meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie immer neue Entlastungen für Gutverdienende fordern und zugleich eine Kopfpauschale vorschlagen, die ein Drittel - ich betone: ein Drittel! - der Menschen dieser Republik
zu Empfängern von sozialen Leistungen machen wird, dann, meine Damen und Herren, werden Sie am Schluss dafür die Quittung bekommen. Schon jetzt ist es so, dass kaum einer glaubt - nehmen Sie die letzte forsa-Umfrage -, dass die Opposition die Probleme besser lösen kann. Sie versprechen immer neue Wohltaten, fordern immer neue Steuersenkungen, schlagen immer neue Ungerechtigkeiten vor und blockieren dann die notwendigen Reformschritte im Bundesrat.
Glauben Sie wirklich, dass merkt niemand? Glauben Sie wirklich, Sie können auf der Welle des Protestes die nächsten Wahlen gewinnen, ohne die Fragen der Gerechtigkeit, der Nachhaltigkeit und der Finanzierbarkeit zu beantworten? - Ich bin mir sicher, dass Sie damit nicht durchkommen werden.
Wenn die Regierung von Schleswig-Holstein ein eigenes Steuerkonzept vorlegt, dann ist das kein populistischer Ausflug unseres - entschuldigen Sie bitte - „propellergetriebenen Finanzministers“ in die Bundespolitik,
- Herr Kalinka, und wenn ihn kein anderer leistet, dann muss es eben die rot-grüne Regierung in Schleswig-Holstein tun. Das sind wir dieser Republik schuldig.
Ich darf zunächst neue Gäste begrüßen. Auf der Tribüne haben Damen und Herren des Glücksburger Kolloquiums und der Vizepräsident der schleswigholsteinischen Zahnärztekammer, Herr Küchenmeister, Platz genommen. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Nun erteile ich das Wort für den SSW im SchleswigHolsteinischen Landtag seiner Sprecherin, Frau Abgeordneter Spoorendonk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die öffentliche Reaktion auf die Vorschläge von Ministerpräsidentin Heide Simonis und Finanzminister Ralf Stegner zu einer Reform des Steuerrechts und der sozialen Sicherungssysteme ist aus meiner Sicht beispielhaft für die völlig verkorkste Reformdebatte auf Bundesebene.
Man greift sich einen Einzelpunkt aus einem runden Gesamtkonzept heraus und zerlegt anhand dieses einzelnen Beispiels den gesamten Vorschlag. Bei den Steuervorschlägen war es die punktuelle Erhöhung der Mehrwertsteuer. Dieser Punkt, der nur einen kleinen Teil des Gesamtkonzeptes ausmacht, führte dazu, dass die Opposition, die Medien, die Experten und leider auch die Bundesregierung sofort die roten Stoppschilder herausholten
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Eigentlich alle! - Lothar Hay [SPD]: Nein, nein, warten Sie mal ab, was die Bundesregierung macht!)
und unter dem Motto „Bloß keine Steuererhöhung!“ den gesamten Vorschlag ablehnten. Das ist wirklich mehr als ärgerlich.
Denn sieht man sich die konzeptionslose Steuerpolitik auf Bundesebene an, kann man nur in tiefe Depressionen verfallen. Es ist schon ein Armutszeugnis, dass ein kleines Bundesland seine Kräfte darauf verwenden muss, der Bundesregierung wieder eine klare Perspektive zu geben.
(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sauber, dürfen wir das zitieren?)
Denn ich möchte klar und deutlich sagen: Aus Sicht des SSW geben die Vorschläge der Landesregierung wichtige Impulse für die Debatte über die Zukunft des Sozialstaates in Deutschland.
Die Vorschläge der Landesregierung werden nicht nur endlich zu einem gerechteren Steuersystem führen, sondern auch den Umbau des Sozialstaates so gestalten, dass daraus eine echte Reform werden könnte. Die Pläne zum Ehegattensplitting, zur Erbschaftsteuer und zu einer Steuervereinfachung sind - das sage ich ganz selbstbewusst - auch alte SSW
Forderungen. Aber auch die Senkung der Lohnnebenkosten mit einer maßvollen Erhöhung der Mehrwertsteuer ist ein Reformansatz, den wir bereits auf unserem Parteitag im September 2003 beschlossen haben. Deshalb können wir uns nur wünschen, dass dieser Vorstoß für mehr soziale Gerechtigkeit nicht in den Berliner Reformmühlen zerrieben wird. Aber leider wird das wohl nur ein Traum bleiben.
Dennoch steht aber fest: Die Debatte über Steuersenkung und Steuervereinfachung ist bisher verzerrt und losgelöst von der europäischen Realität geführt worden. Europäische Wirklichkeit ist aber - und ich weiß, dass das schon von meinen Vorrednern gesagt worden ist ; ich füge es aber noch einmal hinzu, denn es ist ja ein gutes pädagogisches Prinzip, alles noch einmal zu wiederholen -,
dass Länder mit hoher Steuerlast, zum Beispiel Dänemark, Schweden und Finnland, im europäischen Vergleich hinsichtlich des wirtschaftlichen Wachstums und der Arbeitslosigkeit sehr gut dastehen.
Hinzu kommt, dass diese Länder im internationalen Vergleich auch noch sehr hohe Bruttolöhne haben. Wer also damit argumentiert, dass die deutsche Wachstumsschwäche in der zu hohen Steuerlast begründet ist, blendet diese Fakten einfach aus. Das bedeutet, dass Deutschland - wie oft behauptet - bei der Steuerbelastung im europäischen Bereich im Mittelfeld liegt und keineswegs ein „Hochsteuerland“ ist.
Allerdings darf man bei solchen Vergleichen nicht nur die Steuerbelastung heranziehen, vielmehr muss man die gesamte Steuer- und Abgabenlast vergleichen. Auch das ist natürlich wichtig hervorzuheben. Wegen der hohen Sozialabgaben steht Deutschland bei einem europäischen Vergleich bei der Steuer- und Abgabenlast schon etwas schlechter da. Aber auch bei diesem Vergleich liegen die skandinavischen Länder mit einer weit höheren Belastung als die Bundesrepublik ganz vorn.
Wer also die Debatte über die Zukunftsfähigkeit Deutschlands auf Steuersenkungen begrenzen will, der zäumt nun wirklich das Pferd von hinten auf. Das zeigen auch die Steuersenkungen, die die Bundesregierung seit 2000 sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Unternehmen durchgeführt hat. Obwohl es insgesamt weit über 50 Milliarden €
Steuersenkungen gegeben hat, sind wir nicht aus der Wirtschaftskrise herausgekommen. Im Gegenteil, die Finanzkrise der öffentlichen Hand hat sich dramatisch vergrößert. Die Arbeitslosigkeit ist genauso dramatisch angestiegen und wir haben nun seit drei Jahren ein Nullwachstum.
Wenn also CDU, CSU und FDP in dieser Lage weitere Steuersenkungen fordern, ist das aus Sicht des SSW der vollkommen falsche Ansatz. Dankenswerterweise hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Berlin gezeigt - und ich habe anscheinend andere Passagen dieser Studie gelesen als der Kollege Wiegard -, dass durch die Steuerreformvorschläge der Opposition weder größere Selbstfinanzierungseffekte noch eine nennenswerte steigende Beschäftigung oder ein stärkeres Wachstum zu erwarten sind. Schlimmer noch: Laut DIW würden durch diese Konzepte vor allem Reiche deutlich entlastet werden. Hinzu kommt, dass die Staatskassen weitere hohe Steuerausfälle kompensieren müssten. Das kann angesichts der jetzigen katastrophalen öffentlichen Haushaltslage gerade auch der Kommunen wirklich nicht der richtige Weg sein.
Wir begrüßen daher, dass die Landesregierung mit ihrem Konzept zum einen Geringverdienende durch eine Absenkung des Eingangssteuersatzes auf 10 % wirklich entlasten und zum anderen die öffentlichen Kassen durch einen vertretbaren Zuschlag bei Spitzenverdienern ab 500.000 € und durch eine verfassungskonforme Erbschaftsteuererhöhung mit angemessenen Freibeträgen nicht weiter belasten will. Das ist ein Steuerreformansatz, der den Begriff „soziale Gerechtigkeit“ wirklich verdient, auch, weil man die Steuerprogression erhalten will und weil die wirklich Starken die höchsten Steuerbelastungen tragen sollen.
Der wichtigste Punkt des Konzeptes der Landesregierung ist allerdings aus Sicht des SSW der Vorschlag, durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer eine wirkliche Senkung der Lohnnebenkosten zu erreichen. Denn gerade die Lohnebenkosten - in Form von Beiträgen für alle Sozialversicherungssysteme - sind die höchsten in Europa und verteuern den Faktor Arbeit unnötig. Dabei hat ein deutscher Arbeitnehmer dennoch weniger in der Lohntüte als beispielsweise sein dänischer Kollege, der aber sein Unternehmen weit weniger kostet, weil die Lohnnebenkosten bei unserem nördlichen Nachbarn eben niedriger sind.
Der SSW setzt sich - das ist Ihnen bekannt - für ein steuerfinanziertes Sozialsystem nach skandinavischem Vorbild ein. Dazu muss man wissen - der Kol