Zunächst begrüße ich auf der Besuchertribüne die Besuchergruppen der Gustav-Johannsen-Skole in Flensburg und der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte in Malente.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt Ihnen in diesem Jahr gleichzeitig mit dem traditionellen Ostseebericht den Bericht über den Erweiterungsprozess der Europäischen Union und den Bericht über die Sicherheitskooperation im Ostseeraum vor, um Ihnen damit eine Chance zu geben, die weitergehenden und zusammenwachsenden Tendenzen im Zusammenhang zu diskutieren, zu bewerten und auf ihre Tragfähigkeit hin abzuklopfen.
Spätestens das finnische Konzept einer Nördlichen Dimension der Europäischen Union zeigt: SchleswigHolstein war und ist auf dem richtigen Weg in seiner Zusammenarbeit mit dieser Region. Im Zuge des Erweiterungsprozesses verlagern sich die Gewichte in der Union in Richtung Nordosten. Die Ostseekooperation bleibt deshalb die richtige strategische Perspektive für unser Land. Sie ist längst mehr als ein Versuch, Schleswig-Holstein über die Deichgrenzen hinweg mit den benachbarten Regionen zu vernetzen, sich zu treffen, Schüleraustausch und Studentenaustausch zu betreiben. Mit der Zusammenarbeit verfolgen wir das Ziel, den Ostseeraum insgesamt zu stärken. Gemeinsam mit den anderen Ländern rund um die Ostsee wollen wir die Region in Europa positionieren, ein Europa, das mehr und mehr vom Standortwettbewerb der Regionen geprägt wird.
Auf sich allein gestellt ist unser Land sicherlich zu klein, um in diesem Wettbewerb zu bestehen. 2,6 Millionen Schleswig-Holsteiner können unmöglich etwa 30 Millionen direkte Anrainer an der Ostsee oder 50 Millionen - wenn man etwas tiefer in das Land hineingeht - treffen, beraten oder mit ihnen zusammenarbeiten.
Aber zusammen mit unseren dänischen und schwedischen Partnern aus der Øresundregion haben wir eine gute Perspektive und wir haben gute Möglichkeiten,
zusammen in so genannten STRING-Projekten mit ihnen und den baltischen Staaten zu arbeiten, uns also die Last zu teilen.
Dies werden wir nutzen, um beispielsweise im Rahmen des STRING-Projektes gemeinsam an einem Entwicklungskonzept für die südwestliche Ostseeregion zu arbeiten, mit dem wir versuchen wollen, im Europa der Regionen ganz vorn mitspielen zu können.
Gleichzeitig wird Schleswig-Holstein weiterhin seiner Rolle als „Motor und Ideengeber der Ostseekooperation“ gerecht werden. Bis zum Juni 2001 können wir dabei mit der Unterstützung des deutschen Ostseeratsvorsitzenden rechnen. Ich hoffe, dass sich auch weitere andere Vorsitzende dieser Aufgabe annehmen werden. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt wollen wir im Sommer 2001 die erste Konferenz für Nichtregierungsorganisationen im Ostseeraum organisieren.
Mit der Konferenz der Subregionen und unseren norwegischen Partnern bereiten wir in Kaliningrad eine Konferenz über die Zukunft dieser „russischen Exklave im EU-Binnenmarkt“ vor. Kaliningrad wird in den kommenden Jahren eine Schlüsselfunktion zwischen Europa und Russland zukommen. Hier können wir den Russen beweisen, dass wir sie nicht einkreisen, sondern dass wir mit ihnen zusammenarbeiten wollen, wenn sie es nur wünschen.
Außerdem engagieren wir uns in einer Hochschulkooperation zwischen den Anrainerstaaten und betreiben gemeinsam den weiteren Ausbau. Wir stärken damit die Universitäten und Institutionen der Ostseeregion in der globalisierten Wissensgesellschaft und wir sorgen dafür, dass unser Land in alle diese wichtigen Netzwerke integriert ist. Voraussetzung ist - das sage ich gleich an alle Hochschulen und wissenschaftlichen Institutionen -, dass Englisch sozusagen die Lingua franca wird und dass bestimmte Voraussetzungen geändert werden müssen, was beispielsweise bestimmte Voraussetzungen etwa für die Zertifikate beim Bachelor- oder beim Master-Abschluss anbetrifft. Sie müssen vergleichbar werden und es muss vor allen Dingen sichergestellt werden, dass das, was man an einer ausländischen Universität erworben hat, an der eigenen Universität auch anerkannt wird und umgekehrt.
Die größten Potentiale hat die Ostseeregion im Bereich der Multimedia-, Informations- und Kommunikationstechnologien. Hier kommt es nun wirklich dar
auf an, sie mit dem dichten Bildungs- und Ausbildungsangebot unseres Landes zu verbinden, um so die Wettbewerbschancen der schleswig-holsteinischen Hochschulen und ihrer Absolventen auf Dauer zu sichern, gleichzeitig aber auch durch eine gute Zusammenarbeit mit dieser Region unsere Wettbewerbsposition in Europa zu stärken und auszubauen.
Kein europapolitisches Thema kann in diesen Momenten heißer diskutiert werden als der Erweiterungsprozess der EU in den Osten hinein. Das gilt auch für die weitere Ostseezusammenarbeit und es gilt dabei, uns selbst fit zu machen und mit dieser Osterweiterung sozusagen die Chancen zu sehen und nicht nur die Risiken.
Wir begrüßen ausdrücklich die bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union. Die Osterweiterung hat für Schleswig-Holstein wie zuvor die Norderweiterung um Schweden und Finnland eine besondere regionalpolitische und ökonomische Bedeutung. Sie bedeutet gleichzeitig, dass im Europaparlament und in der Kommission die Interessen des Nordens ebenso stark wahrgenommen werden wie bisher die Interessen des Westens und des Südens, wobei wir denen das nicht missgönnen, aber es wird Zeit, dass auch der Osten und der Norden stärker mit in die Betrachtung einbezogen werden.
Die Ostsee wird nach der Erweiterung zum einzigen wirklichen europäischen Binnenmeer. Das, was die Mittelmeeranrainer voller Stolz sagen, stimmt nicht ganz; denn auf der südlichen Seite des Mittelmeers findet man afrikanische Staaten, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind. Damit ist das Mittelmeer kein europäisches Binnenmeer, wie es die Ostsee eines Tages sein wird.
Wir haben unsere politische Position im Erweiterungsprozess der Europäischen Union zur Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Staaten im vorliegenden Bericht erläutert. Die angestrebte Aufnahme der zehn assoziierten Staaten in Mittel- und Osteuropa, Maltas und Zyperns sowie zu einem späteren Zeitpunkt auch der Türkei wird entscheidend zur politischen und wirtschaftlichen Stärkung des Kontinents beitragen, wenn wir unsere Hausaufgaben machen. Mit der Erweiterung werden die Märkte der Union um mehr als 100 Millionen Verbraucher auf 480 Millionen Menschen wachsen - und dies, ohne die Türkei hinzuzurechnen. Im Moment ist das noch Zukunftsmusik.
fröhlich auszugeben, sondern damit verbunden ist unsere Erklärung, dass wir im Jahre 2004 nachweisen können, dass die Gespräche über die Erweiterung für uns keine Bedrohung darstellen. Wir müssen also sozusagen unser Fitnessprogramm absolvieren und dann in einer Art Kür beweisen, dass wir in der Lage sind mitzuhalten, wenn es zur Erweiterung kommt. Denn die alte Europäische Union hat den Mitgliedsstaaten versprochen, mit diesen vom Jahre 2006 an entsprechende Gespräche aufzunehmen.
Seit 1991 hat die Union mit den mittel- und osteuropäischen Staaten Assoziierungsverträge abgeschlossen; zum Teil wissen diese Staaten also bereits, was auf sie zukommt. Eine klare Beitrittsperspektive ist in diesen Verträgen enthalten. Wir sollten uns also darauf einstellen, dass das Ganze nicht an uns vorbei geht, sondern dass das im Gegenteil etwas ist, was wir haben wollen und was wir gestalten wollen. Es ist für uns eine Chance, wenn wir jetzt nicht mit weichen Knien herangehen, sondern mit Zuversicht und Tatkraft.
Im Juni 1993 hat der Europäische Rat in Kopenhagen beschlossen, dass diejenigen assoziierten Mittel- und Osteuropäischen Länder, die dies wünschen, Mitglieder der Europäischen Union werden können. Es hieß damals wörtlich:
„Ein Beitritt kann erfolgen, sobald ein assoziiertes Land in der Lage ist, den mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen nachzukommen und die erforderlichen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen zu erfüllen.“
Wer beobachtet hat, wie zum Beispiel die baltischen Staaten, insbesondere die uns besonders vertraute Region Estland, ihre Bürger wirklich hart herangenommen hat und ihnen Opfer zugemutet hat, darf am Willen dieser Länder nicht zweifeln, dass sie wirklich beitreten wollen und diese Auflagen erfüllen wollen. Auch wenn es keine Termine für die Aufnahme gibt und noch keine festgelegt sind, werden wir eines Tages erleben, dass die Bedingungen der Beitrittserklärung als der entscheidende Maßstab für den Zeitpunkt der Aufnahme von einigen dieser Länder erfüllt sein werden und wir dann gar nicht mehr zurück können, es sei denn, wir wollten wortbrüchig werden.
(Beifall von Abgeordneten der SPD und Bei- fall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mein Kollege Stoiber macht zwar eine geschickte Innenpolitik für sein Land, aber das macht er ausdrücklich - wie übrigens auch bei der Frage des Länderfinanzausgleichs - auf Kosten derjenigen, die ärmer sind als er, die beitreten wollen und die sich Mühe geben, die Beitrittskriterien zu erfüllen. Man kann zwar mit innenpolitisch opportunistischen europäischen Reden eine ganze Menge Stimmen am Biertisch gewinnen, aber den Prozess der Erweiterung Europas wird man damit eher kaputt denn stark machen.
Für das politische Gelingen der Erweiterung ist es entscheidend, dass die Bürgerinnen und Bürger in den EU-Staaten sowie in den Beitrittsstaaten den Prozess, der vor ihnen liegt, akzeptieren, dass sie ihn nicht kaputt reden, sondern ihn kraftvoll anpacken. Eine öffentliche Debatte, die ja durchaus erwünscht ist, die aber nicht gleichzeitig die Chancen aufzeigt, sondern nur auf die Probleme hinweist, die dabei zu bewältigen sind, hat schon von vornherein den Keim des Versagens in sich. Die Europäische Union, nationale und regionale Regierungen, müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen, Antworten auf drängende Fragen geben und auch die Möglichkeit offen lassen, dass jemand, der bei einem Referendum heute vielleicht nein sagt, die Chance bekommt, bei einem zweiten Referendum ja zu sagen, wie wir es bei einem benachbarten Freundesstaat erlebt haben und vielleicht in dieser Woche noch einmal erleben werden und eventuell später noch ein weiteres Mal.
Die Fragen lauten unter anderem: Was bedeutet die Ostsee-Erweiterung für die Arbeitsmärkte der europäischen Länder? Welche Folgen hat sie für den Binnenmarkt und für die Exporte der Union? Wir wirkt sich die Grenzöffnung nach Osten auf die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger vor Verbrechen und maffiaähnlichen Zusammenschlüssen aus? Gerade diese letzte Frage bedeutet für viele die größte Unsicherheit und wir sollten es ernst nehmen, was wir machen, nämlich die Sicherheitskooperation im Ostseeraum so auszubauen, dass überall gleiche Standards bei der Polizei vorliegen, dass diese zusammenarbeiten können und dass die Angst vor Verbrechertum, das durch die offenen Grenzen zu uns hereinschwappen könnte,
auf ein Mindestmaß reduziert werden kann, weil alle am gleichen Strang in die gleiche Richtung ziehen und weil das Wissen, das wir haben, von uns weitergegeben wird an eine moderne schlagkräftige Polizei in den neuen Beitrittsstaaten.
Unser gemeinsames Ziel ist es jedenfalls, die Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger in der gesamten Region, in der ganzen Ostseeregion auf dem gleichen Standard zu halten.
Die Landesregierung engagiert sich seit 1989 mit Beratern, Ausstattungs- und Ausbildungshilfen für den Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Polizeistrukturen in den baltischen Staaten, in Polen und den Ostseegebieten der russischen Föderation. Zum Teil ist es wirklich hartes Brot, was die dort tätigen Berater essen müssen. Zum Teil können sie aber auch schon schöne Erfolge vorweisen. Uns ist es jedenfalls wichtig, dass sich auf dieser Grundlage einer ökonomischen Zusammenarbeit, einer Sicherheitszusammenarbeit, aber auch einer Zusammenarbeit auf kulturellem Gebiet, auf dem Wissenschaftsgebiet und in der Verwaltung der Ostseeraum als eine Region der Freiheit, des Rechts, der Sicherheit und der Demokratie entwickelt.
Das bedeutet, wir müssen erst einmal selber sicher sein, was wir einbringen wollen und dann gemeinsam mit unseren Freunden, die schon in der Europäischen Union sind, diskutieren, was sie können, wo sie sich sehen, wie sie sich entwickeln wollen und welche Rolle sie in Europa einnehmen wollen. Dazu gehört die Diskussion mit den Parlamenten und zwischen den Parlamentariern selbstverständlich genauso wie die Diskussion zwischen den Verwaltungen und den Regierungen.
Wir werden uns austauschen müssen und können und ich hoffe, dass Berlin die Anstrengungen, die wir - in Schleswig-Holstein - unternehmen, honoriert und auch umsetzt, denn wir machen ein großes Stück der Vorfeldarbeit, die die Bundesregierung gar nicht mehr leisten könnte.