Wenn es nach unserer Rechtsordnung eine Möglichkeit gibt, die NPD und gleichgerichtete Parteien und Organisationen von der politischen Bühne verschwinden zu lassen, dann sollten wir diese Möglichkeit nutzen. Ein Antrag auf Verbot der NPD ist allerdings nur dann hilfreich, wenn die hierfür vorliegenden Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden diesen Schritt rechtfertigen.
Eine Niederlage vor dem Verfassungsgericht würde zu einer Aufwertung der NPD führen. Wir sollten uns aber auch nicht der Illusion hingeben, dass die Rechtsextremisten damit aufhören würden, Rechtsextremisten zu sein oder dass es dadurch weniger rechtsextreme Aktivisten geben würde.
Wir brauchen nicht so sehr neue Maßnahmen. Was wir brauchen, ist eine konsequentere Handhabung der rechtlichen Mittel, die es bereits gibt.
Es ist zu überprüfen - das sage ich auch im Hinblick auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig hinsichtlich der Schließung des „Club 88“ -, ob die Mittel, die bereits vorliegen, ausreichend sind; ob Erlasse, Verwaltungsvorschriften und Ausführungsbestimmungen ergänzt oder geändert werden sollten, damit die Ordnungsbehörden eine noch bessere Handlungsgrundlage für die Bekämpfung von rechtsextremer Gewalt, Gewaltverherrlichung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben.
Wir Sozialdemokraten werden aber nicht den populistischen Forderungen nach einer Verschärfung von Gesetzen oder dem Abbau von demokratischen Grundrechten nachgeben.
Dem Ziel der Rechtsextremen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen, darf nicht Vorschub geleistet werden. Wichtiger als Diskussionen über Verbote sind Maßnahmen, die den Rechtsextremisten und ihrer Propaganda von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen. Was wir nicht brauchen, sind mehr Angebote der Landeszentrale für politische Bildung, denn Schüler und Jugendliche, die für rechtsextremes Gedankengut anfällig sind, werden durch diese politische Bildung gar nicht erreicht. Wichtiges Feld ist hier die Jugendarbeit, besonders in der Verknüpfung von Jugendhilfe und Schule.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständliche Dinge vergessen wir zu häufig. Zu oft werden die Opfer rechtsextremer Gewalt oder deren Hinterbliebene mit den Folgen allein gelassen. Manchmal werden sie sogar Gegenstand behördlicher Schikane. Wenn die Aufenthaltsgenehmigung für einen Ausländer widerrufen wird, weil sie an den Betrieb einer Gaststätte geknüpft war, die dem Betreiber über dem Kopf angezündet wurde, so kann ich verstehen, wenn der „Spiegel“ von einer einmaligen Arbeitsteilung von Rechtsextremisten und Behörden spricht.
Es muss nicht nur staatliche Programme geben, die solchen Opfern helfen. Hier ist die Hilfe der Gesellschaft und das heißt die Hilfe jedes Einzelnen von uns auch hier im Parlament gefordert.
Gesicht zeigen ist eine Aufforderung an uns alle, das heißt, ausländerfeindlichen Äußerungen zu widersprechen; das heißt, friedlich zu demonstrieren - wie am Wochenende in Lübeck - und den Rechtsextremen zu zeigen, dass sie gesellschaftlich ausgegrenzt sind; das heißt, sich mit den Opfern öffentlich und privat zu solidarisieren; das heißt auch, überall in Städten und Gemeinden Initiativen gegen den Rechtsextremismus zu ergreifen und sich gegen ihre Aktivitäten zur Wehr zu setzen.
Wir hoffen sicherlich gemeinsam, dass das breite Engagement für Toleranz und gegen Rechtsextremismus und Ausländerhass kein Strohfeuer ist. Wir müssen und werden das Unsere dazu tun. Ich glaube, das ist der Beginn dieser Aktivitäten, die wir heute starten.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Hay hatte bereits darauf hingewiesen. Wir haben uns in der Tat vor etwa acht Jahren am 30. Oktober in einer eindrucksvollen und hervorragenden Debatte mit der damals in diesem Parlament vertretenen rechtsradikalen DVU auseinandergesetzt. Dort haben wir Position gegen einen neuen Rechtsextremismus bezogen, den wir hier in diesem Parlament alle gemeinsam ertragen mussten, und gegen eine absurde Gedankenwelt, die sich in zahlreichen Anträgen von damals noch dokumentieren lässt.
Alle demokratischen Fraktionen des Landtages waren sich damals in der Ablehnung dieser Neonazis einig und wir haben dies erfolgreich - wie ich meine - deutlich gemacht. Dies ist in einer entsprechenden Broschüre nachzulesen. Vier Jahre später verschwand der braune Spuk aus unserem Parlament. Die Wählerinnen und Wähler in Schleswig-Holstein hatten uns verstanden und verwiesen diese unappetitliche Gruppe wieder aus dem Parlament.
Heute müssen wir uns erneut mit einer Ausprägung des Rechtsextremismus auseinandersetzen, der - wie ich meine - seine alten Fratze hinter einer neuen Maske verbirgt.
Lassen Sie mich deshalb vorweg sagen, ich bin froh und dankbar darüber, dass wir doch zu einer gemeinsamen Resolution gegen den Rechtsextremismus und für ein tolerantes Schleswig-Holstein gekommen sind.
Nichts wäre schlimmer gewesen, als wenn es zwischen den Demokraten dieses Landes keine gemeinsame Linie in der Ablehnung des politischen Rechtsextremismus mehr geben würde.
Wenn wir heute besorgt und bestürzt neue Erscheinungsformen, insbesondere des Rechtsextremismus erleben, müssen wir uns natürlich auch selbstkritisch nach den Ursachen fragen. Haben wir in der Freude über den Rausschmiss der DVU aus dem Landtag unsere Wachsamkeit ein Stück aufgegeben? Haben wir Probleme nicht erkannt, die jetzt möglicherweise den Nährboden für den neuen Rechtsextremismus bilden? Haben wir uns vielleicht auch in mancher Debatte hier im Landtag zu weit von den Sorgen und Nöten der jungen Menschen entfernt und sie so zu leicht ansprechbaren Opfern extremer Ideologien gemacht?
Haben wir in unserem Bemühen, Schleswig-Holstein für die Herausforderungen des globalen Wettbewerbs fit zu machen und nur darüber zu diskutieren, die Ängste und Sorgen der Jungen vergessen, die gerade mit
diesem Problem der Globalisierung Schwierigkeiten haben? Haben wir möglicherweise am Elfenbeinturm der Politik kräftig weitergebaut und nicht genug Türen und Fenster gelassen, um aufzunehmen, was die Menschen draußen wirklich interessiert? Sind wir nicht mehr vor diese Tür gegangen? Wird das Ja zu Staat und Demokratie nicht zu oft in der veröffentlichten Meinung infrage gestellt? Sind in den Augen vieler Menschen nicht diejenigen die Dummen, die Steuern zahlen, ihren Wehr- und Zivildienst leisten, sich ehrenamtlich in Vereinen, Verbänden oder auch Parteien engagieren? Und sind nicht diejenigen die Cleveren, die selbstsüchtig nur ihre eigenen Interessen verfolgen?
Diese eher rhetorischen Fragen führen zu der entscheidenden Frage: Was können und was müssen wir tun, um diesen neuen Angriff der Extremisten auf unser Staatswesen, auf unsere Demokratie erfolgreich abzuwehren?
Mit dem Extremismus muss sich unsere Demokratie wehrhaft auseinandersetzen. Das heißt, rechtsextremistische Straftaten müssen wie alle Straftaten verfolgt und geahndet werden auf der Grundlage und Anwendung bestehender Gesetze und unter Anwendung rechtsstaatlicher Prinzipien.
Gerade das zeichnet aber die „erwachsene“, stabile, gelebte und auch lebendige Demokratie aus. Wer Grundrechte infrage stellt, nur weil sie von Extremisten schamlos ausgenutzt werden, der bietet jenen eine Chance, die auch die Grundrechte anderer infrage stellen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Demokratie stark genug ist und in den Köpfen und Herzen der Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger auch so fest verankert ist, dass wir keinen Anlass für überzogene Reaktionen haben.
Dies gilt auch bei aller Betroffenheit über die Bilder, die zum Beispiel von Neumünster aus in alle Welt gehen und unser Land und das ganze Deutschland insgesamt beschädigen. Wir dürfen, wenn die Glatzköpfe mit ihren Springerstiefeln über unsere Straßen marschieren, nicht schweigen, aber wir müssen auch in unserer Betroffenheit und in unserem Erschrecken einen kühlen Kopf bewahren und klug handeln.
Der Rechtsstaat darf sich nicht provozieren lassen. Wer Rechtsextremisten die Chance verschafft, sich bei Demonstrationen auf höchstrichterliche Urteile zu berufen, ist schon ein Stück weit über das Stöckchen
gesprungen, das ihm von den Extremisten hingehalten wurde. Deshalb sage ich: Die wehrhafte Demokratie muss entschlossen und überlegt handeln, gleich welche Form von Extremismus sie bekämpft. Und deshalb darf es einen Verbotsantrag gegen die NPD auch nur dann geben, wenn nach objektiven Maßstäben fest steht, dass diesem Antrag nach menschlichem Ermessen jedenfalls auch entsprochen werden wird.
Die Extremisten dürfen keine Chance haben, vom Bundesverfassungsgericht möglicherweise ihre Verfassungsmäßigkeit quasi bestätigt zu bekommen. Ich habe aber den Eindruck, dass sich diese Auffassung nach einer Phase verständlicher Betroffenheit immer mehr und bei den meisten durchsetzt. Und das ist gut so.
Wir müssen auch jenen extremistischen Gruppen von Links, die gegen die Neonazis demonstrieren und dabei auch vor Gewalt nicht zurückschrecken, sagen und immer wieder deutlich machen, dass sie sich auf ein böses Spiel dieser Rechtsextremisten einlassen. Für Demokraten kann es keinen Zweifel geben, dass beide Gruppen, diejenigen, die marschieren und diejenigen, die die Marschierenden angreifen, ein gemeinsames Ziel haben. Sie wollen unseren freiheitlichen Rechtsstaat kaputt machen. Und das werden wir nicht zulassen.
Und deshalb danken wir der Polizei für ihren umsichtigen Einsatz vor Ort. Den Polizeibeamten, denen übel wird, wenn sie die Glatzen vor den Autonomen schützen, denen sage ich: Sie schützen nicht die Rechtsextremisten vor den Linksextremen, sondern Sie schützen unseren Rechtsstaat vor Gewalt von Rechts und von Links. Und genau dafür sind wir ihnen dankbar.
Natürlich sind wir in Deutschland wegen unserer Vergangenheit und wegen der schrecklichen Verbrechen, die in deutschem Namen begangen wurden, in einer völlig anderen Situation als andere Länder, die mit Rechtsextremismus in der unterschiedlichsten Form leben müssen. Und wir erleben jetzt auch seit Jahrzehnten, dass der Ungeist des Rechtsextremismus in einer Art Wellenbewegung, hinter welcher jeweiligen Maske auch immer, aus dem Untergrund auftaucht. Aber unsere Demokratie hat dem bisher standgehalten. Ich bin sicher, dass auch der neue braune Spuk wieder verschwinden wird. Das heißt aber nicht, dass wir ihn nicht aktiv bekämpfen müssen.
Was mich dennoch ernsthaft besorgt, ist die Tatsache, dass anders als früher die braunen Parolen offenbar
verstärkt bei den jungen Menschen Gehör finden. Rechtsextremistische Liedtexte als populäre Rocksongs und zum Beispiel die Nutzung des Mediums Internet für extremistisches Gedankengut zeigen, dass die ewig Gestrigen die neue grenzenlose Medienwelt für ihre üblen Ziele missbrauchen. Da wir den internationalen Zugang zum Internet gesetzlich werden kaum regeln oder auch nur umfassend kontrollieren können - ich betone: und auch nicht wollen -,