Ich glaube, dass es sich die Profis, die hier im Parlament sitzen, gegenüber den Amateuren, die in der Wirtschaft sind, etwas sehr leicht machen.
Herr Kollege Hentschel, würden Sie mir zustimmen, dass Folgekosten erst dann entstehen können, wenn ich ein Projekt oder eine Anlage abgenommen habe, dass aber hier die Anlage als solches nicht funktioniert hat, daher die Kosten vom Hersteller zu tragen sind und damit der Vertrag schlecht verhandelt war, der keine Pönale vorgesehen hat, vor allem nicht die Kostenübernahme?
- Herr Kayenburg, die Sache ist komplizierter. Der Vertrag hat eine Pönale vorgesehen. Er hat eine Pönale vorgesehen, die in ihrer Größenordnung üblich ist bei solchen Projekten. Das Problem ist nur: Wir reden nicht über eine Pönale. Die zahlt Mercedes. Die Pönale liegt pro Monat bei irgendwo 7 Millionen €. Wir reden hier über die Ausfallkosten des Bundes, weil eine Einnahme durch die Maut nicht fließt. Das ist etwas ganz anderes! Die Pönale ist vereinbart worden.
Ich komme noch einmal auf die Frage, welche Konsequenzen man daraus ziehen muss. Ich glaube, dass man bei großen technischen Projekten grundsätzlich davon ausgehen muss, dass es möglicherweise mehrere Jahre dauern kann und dass auch eine Verzögerung von mehreren Jahren eintreten kann. Das ist für einen Laien häufig nicht einsehbar. In der Realität ist es aber, wenn man alle großen Projekte in der Wirtschaft betrachtet, immer wieder vorgekommen; von der Raumfahrt bis zu simplen Sachen wie dem Mercedes A1.
Ich glaube, wir müssen jetzt nach vorn blicken und fragen: Was ist zu verhandeln? Wie kann man nach vorn schauen? Ich glaube nicht, dass Mercedes und Telekom garantieren können, dass das System zu einem bestimmten Zeitpunkt laufen wird. Das ist das Problem. So, wie sie das in der Vergangenheit nicht garantieren konnten, weil sie die Schwierigkeiten nicht vorhergesehen haben, so werden sie es auch für die Zukunft nicht garantieren können. Sie werden es erst dann garantieren können, wenn das System fertig ist und die Tests bestanden hat. Das heißt, wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, dass das System erst Ende des Jahres zum Laufen kommt. Wir müssen vielleicht aber auch damit rechnen, dass es möglicherweise gar nicht zum Laufen kommt.
Deswegen finde ich es richtig, zum jetzigen Zeitpunkt eine einfache, abgespeckte Übergangslösung ins Auge zu fassen, mit der zumindest ab einem bestimmten Zeitpunkt Einnahmen zu realisieren sind. Ob das eine technische Lösung oder ob das eine Vignettenlösung ist, muss politisch entschieden werden.
Weiterhin ist es richtig, dass dann, wenn ein neuer Vertrag geschlossen wird, über die Frage von Pönalen in größerer Größenordnung als bisher üblich, nachgedacht werden muss. Auch das ist eine richtige Konsequenz.
Ein weiterer Punkt, den ich nennen müsste, ist: Man kann über Herrn Stolpe vieles sagen. Eines können
Sie aber nicht behaupten: Herr Stolpe ist nun wirklich nicht der, der diesen Vertrag abgeschlossen hat. Das scheint hier irgendwie verwechselt worden zu sein.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Innovations- und Technologiestandort Deutschland hat sich in den letzten Jahren in gewissen Bereichen wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Man denke hierbei nur an den Transrapid und an das Dosenpfand. Dann wollten da noch die Elefanten der deutschen Wirtschaft, DaimlerChrysler und Telekom, ein satellitengesteuertes LKW-Maut-System einführen und damit weltweit glänzen.
Obwohl sich im letzten Jahr bereits abgezeichnet hat, dass der Starttermin dieses aufgeblasenen Systems platzt, hat der verantwortliche Minister eisern und mit Gottvertrauen weiter an seinen Vertragspartnern festgehalten. Dies mag durchaus verständlich sein, denn man lässt seinen nationalen Partner nicht fallen wie eine heiße Kartoffel. Nur so kann ich mir das Verhalten von Herrn Stolpe erklären. Dennoch hätte der Verkehrsminister aus der Sicht des SSW schon vor Monaten den Vertrag kündigen müssen, um dem Elend so schnell wie möglich ein Ende zu bereiten. Dann wären wir jetzt sicherlich weiter!
Aber auch was sich die Wirtschaft hier geleistet hat, grenzt schon fast an Betrug. Wenn jemand wissen konnte, dass das angepriesene System nicht funktioniert, dann waren das DaimlerChrysler und Telekom. Von dieser Seite kam gebetsmühlenartig die Zusicherung, dass dieser Quantensprung in der Verkehrspolitik funktioniere und planmäßig anlaufen werde. Stattdessen feiert in diesen Firmen der Diletantismus fröhliche Urstände. Man hat das Gefühl, dass diese Manager zwar ständig die Senkung von Sozialstandards für ihre Mitarbeiter fordern können, ein abgegrenztes Projekt aber nicht vernünftig durchführen können. Ich glaube, das ist das eigentliche Problem, das wir in unserer Wirtschaft haben.
Angesichts des bisherigen Desasters fällt es auch schwer, daran zu glauben, dass Toll Collect dies noch
auf die Reihe bekommen wird. Auch wenn der Vorstandsvorsitzende von DaimlerChrysler, Herr Schrempp, gerade gestern erklärt hat, dass das MautSystem von Toll Collect das beste der Welt sei. Eigentlich ist das eine unverfrorene Behauptung, wenn man bedenkt, was für ein immenser Imageschaden durch das bisherige Trauerspiel von Toll Collect für die Industrienation Deutschland entstanden ist.
Wir wissen aber, dass nicht nur der Wirtschaft immenser Schaden zugefügt wurde, sondern dass damit auch etliche Verkehrsprojekte in Deutschland zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Das sind Schäden, die sich negativ auf die gerade etwas anziehende Konjunktur auswirken werden, und die die Länder jetzt ausbaden müssen.
Für Schleswig-Holstein bedeutet dies einen Verlust von rund 100 Millionen € im Schienenbereich und etwa 50 Millionen € für den Straßenbau. Dass dieser Verlust nicht ohne weiteres auszubügeln ist, ist allen klar. Daher erwarten wir jetzt - wie alle anderen auch - von Verkehrsminister Rohwer, dass er sich in Berlin für Schleswig-Holstein stark macht. Das wird er auch tun. Wohlwissend, dass er sich mit seinen Länderkollegen erst einmal um einen Platz in der Schlange vor Eichels Büro streiten darf, fordern wir dies. Herr Minister Rohwer, wir wünschen Ihnen dabei natürlich viel Glück. Das ist selbstverständlich.
Aber auch wenn der Einsatz von Herrn Rohwer in Berlin Erfolg haben sollte, so können wir doch davon ausgehen, dass wir erheblichen Schaden davontragen werden. Denn auch wenn wir es schaffen sollten, einige unserer großen Verkehrsprojekte doch noch durchzuführen, so werden dafür andere kleinere Projekte hinten runterfallen. Da sollten wir uns nichts vormachen. Das Geld werden wir nicht zweimal verteilen können.
Es muss jetzt auch darum gehen, hier Wege aufzuzeigen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Und hier steht an erster Stelle die Bundesregierung in der Verantwortung. Hier müssen sich die Minister Eichel und Stolpe zusammensetzen und nach Lösungen suchen, um aus diesem Finanzdebakel, verursacht durch die fehlenden Maut-Milliarden, herauszukommen.
Das bedeutet durchaus, dass man zugunsten von Systemen, die derzeit schon laufen, auf Satellitensysteme verzichtet.
Ein funktionierendes System soll bitte auf der Grundlage übersichtlicher und wasserdichter Verträge erreicht werden. Denn das, was der Vorgänger von Herrn Stolpe, nämlich Herr Bodewig, damals verzapft hat, müssen wir jetzt ausbaden. Hier wurden Verträge abgeschlossen - über 10.000 Seiten stark -, die den Maut-Ausfall jetzt nicht ausgleichen. Und das ist unser eigentliches Problem, vor dem wir stehen.
Monatelang hat sich der heutige Bundesverkehrsminister von Toll Collect vorführen lassen. Daher erwarten wir jetzt, dass die Bundesregierung im weiteren Verfahren um die Maut endlich ein Machtwort gegenüber der Wirtschaft ausspricht und ein Verfahren einleitet, das Planungssicherheit gewährleistet. Dabei erwarten wir etwas mehr Professionalität der Bundesregierung als bisher.
Ich darf die antragstellende Fraktion fragen, ob der Tagesordnungspunkt mit dem gegebenen Bericht und der Debatte als erledigt zu betrachten ist.
(Martin Kayenburg [CDU]: Zur Kenntnis- nahme! - Zuruf von der FDP: Das Problem ist aber nicht erledigt!)
Man könnte auch überlegen, ob der mündliche Bericht so, wie er im Protokoll seinen Niederschlag finden wird, zur weiteren Beratung an den zuständigen Ausschuss überwiesen wird.
Ich erteile der Berichterstatterin für den Innen- und Rechtsausschuss, Frau Abgeordneter Monika Schwalm, das Wort.