Protocol of the Session on January 21, 2004

Damit ist Tagesordnungspunkt 24 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Zweiter Bericht zur Durchführung des Gesetzes zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst - Gleichstellungsbericht (1999 - 2002) -

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3046

Ich erteile zunächst der Frauenministerin, Frau Lütkes, das Wort.

Artikel 3 Grundgesetz kann man wie folgt zusammenfassen: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, mit weiteren Staatszielen. Aber man kann auch sagen: Gleichheit und Differenz. - Das hat Elisabeth Selbert, die Mutter des Grundgesetzes, bereits sehr deutlich gesagt, wenn ich darauf einmal hinweisen darf, Herr Fraktionsvorsitzender der Grünen.

Es hat im Zusammenhang mit der Geburt der Bundesrepublik eine sehr differenzierte Debatte um diesen Artikel 3 des Grundgesetzes gegeben. Damals haben sich Frauen waschkörbeweise an den Parlamentarischen Rat gewandt und darauf hingewiesen, dass es schlicht darum geht, dass Menschen unterschiedlichen Geschlechts nicht nur staatsbürgerliche Gleichheit zu erlangen haben, sondern in allen Situationen des Alltags, des gesamten Lebens gleiche Rechte, Pflichten, Möglichkeiten und Chancen haben müssen.

Das durchzusetzen ist unsere Aufgabe. Dabei sind Frauen als gleiche Hälfte oder - wenn ich, ganz außerhalb meiner Gewohnheit, einmal Mao Tse-tung zitieren darf - als Hälfte des Himmels

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und nicht nur als Hälfte der Bevölkerung zu begreifen. Frauen sind keine soziale Gruppe, sondern die Hälfte der Gesellschaft. Sie haben insofern entsprechende Rechte. Diese Rechte innerhalb der Gesellschaft einzuklagen, ist auch meine Aufgabe als Frauenministerin, und zwar auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichsten Handwerkszeugen.

Ein sehr modernes Handwerkszeug haben wir gerade bei dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt diskutiert, nämlich das Prinzip Gender Mainstreaming, das nicht nur eine Hälfte der Menschheit, sondern die gesamte Menschheit in den Blick nimmt.

Frau Abgeordnete Schwarz, es handelt sich aus meiner Sicht um eine Weiterentwicklung des frauenpolitischen Ansatzes und nicht um etwas Neues; denn es geht bei Frauenpolitik und auch bei Gender Mainstreaming immer um Artikel 3 Grundgesetz.

Darüber hinaus haben wir nach wie vor die Aufgabe, das Gleichstellungsgesetz anzuwenden und den rechtlichen Rahmen für tatsächliche Gleichheit in allen Bereichen, also auch Gleichheit bei den Anstellungs- und Arbeitsverhältnissen, umzusetzen. So legen wir Ihnen heute den zweiten Gleichstellungsbericht vor, durch den für die Zeit von 1999 bis 2002 auch einmal die Statistik auf den Tisch gelegt wird. Man kann sehr viel über Gleichberechtigung und das Prinzip des

Gender Mainstreaming reden. Aber man muss - wie einige hier schon gesagt haben - die Zahlen kennen. Dafür muss einmal die nackte Statistik auf den Tisch, die wir Ihnen vorgelegt haben.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Statistik macht deutlich, dass wir auf einem richtigen Weg sind, dass aber die faktische Gleichberechtigung noch nicht erreicht ist. Die magische Zahl der 50 % als Indikator für eine solche gleichberechtigte Teilhabe erscheint am Horizont, ist aber nicht überall erreicht.

Lassen Sie mich einige Fakten nennen. Nahezu die Hälfte, nämlich 49,1 % aller im unmittelbaren Landesdienst heute Beschäftigten sind Frauen. In fünf von elf Geschäftsbereichen liegt der Frauenanteil sogar deutlich über der 50-%-Marke. Bei der Einstellung von Führungskräften im höheren Dienst beträgt der Frauenanteil im allgemeinen Verwaltungsdienst 44 %, im Justizbereich 47 %. In der Besoldungsgruppe A 13 - höherer Dienst - haben wir erstmalig die 50-%-Marke überschritten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird noch besser. In den Laufbahngruppen des gehobenen beziehungsweise des mittleren Dienstes liegt der Frauenanteil bei 55,8 beziehungsweise 49,6 %.

Es sind also schon Erfolge und Fortschritte zu verzeichnen. Aber wir müssen sehen, dass Frauenförderung im vorgesehenen gesetzlichen Qualitätsstandard zu erhalten ist.

Wenden wir den Blick dem kommunalen Aufgabenbereich zu, so sehen wir, dass Anzeichen dafür vorhanden sind, die dortige Gleichstellungsarbeit, insbesondere durch die Gleichstellungsbeauftragten, nicht unbestritten sein zu lassen. Wir - wenn ich „wir“ sage, dann meine ich das Frauenministerium - haben Anhaltspunkte dafür, dass arbeitsrechtlich Tendenzen vorhanden sind, die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten zu reduzieren. Ich möchte deutlich sagen: Das Prinzip Gender Mainstreaming kann und darf nicht als Alibi dafür benutzt werden, um die Frauenförderung vor Ort beziehungsweise in allen Bereichen der Gesellschaft zu den Akten zu legen. Das darf nicht die politische Entwicklung sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Insofern haben wir uns erlaubt, in den Gleichstellungsbericht, der sich eigentlich auf die Landesverwaltung bezieht, Hinweise darauf aufzunehmen, wie

(Ministerin Anne Lütkes)

die Situation bei den Gleichstellungsbeauftragten vor Ort ist. Ferner haben wir darauf hingewiesen, dass die einzelnen Berichte der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten über das Netz und auf anderem Wege für Sie gut zugänglich sind.

Ich hoffe, dass juristische Auseinandersetzungen um die Position der Gleichstellungsbeauftragten, die auf der Gesetzesänderung, die der Landtag vor einiger Zeit Gott sei Dank beschlossen hat, basiert, nicht notwendig werden. Damit sie nicht notwendig werden, haben wir zusammen mit dem Innenminister, aber auch mit den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten eine interministerielle Arbeitsgruppe gebildet, um noch einmal sehr deutlich darzustellen, wie die juristische Verpflichtung für die Beschäftigung von Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen ist.

Bitte beachten Sie die Redezeit.

Ich hoffe nicht, dass es eine solche Auseinandersetzung geben wird. Aber die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten müssen, was die juristische Seite angeht, sicher sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich der Frau Abgeordneten Caroline Schwarz.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bemerkenswert - eigentlich ist es traurig -, dass 86 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts und 55 Jahre nach Einführung des Gleichberechtigungsartikels in das Grundgesetz immer noch über die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen und Männern im Erwerbsleben diskutiert werden muss

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubi- cki [FDP])

und Gleichstellungsberichte darüber Auskunft geben müssen, ob Frauen nun endlich gleichberechtigt am Erwerbsleben teilnehmen.

Der Bericht macht deutlich, dass dieses Ziel noch lange nicht erreicht ist. Auch wenn die Landesregierung glaubt, gute Fortschritte im Bereich der Gleich

stellung verzeichnen zu können, ist die Situation für Frauen nach wie vor verbesserungsbedürftig und -fähig. Ich begrüße ausdrücklich, dass trotz Rückgang der Beschäftigtenzahl der Frauenanteil von 46,8 % auf 49,1 % erhöht werden konnte und in fünf von elf Geschäftsbereichen der obersten Landesbehörden und im nachgeordneten Bereich der Frauenanteil mittlerweile über der 50-%-Marke liegt. Das ist wirklich bemerkenswert. Spitzenreiter ist das Bildungsministerium, Frau Erdsiek-Rave, und Bummelletzter ist das Wirtschaftsministerium, Herr Minister Rohwer.

(Zuruf von der SPD: Guck nicht so betrof- fen! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das soll auch so bleiben! - Minister Dr. Bernd Rohwer: Ich gelobe Besserung!)

- Er gelobt Besserung.

Allerdings ist das Aufholen der Frauen kein besonderes Verdienst des Landesgleichstellungsgesetzes, sondern der Frauen, die aus eigener Kraft, aus eigener Initiative, aufgrund hoher Kompetenz und Flexibilität im Organisieren der privaten familiären Situation selbst dazu beitragen, dass sie vermehrt in den öffentlichen Dienst eingestellt werden.

Diese Kriterien sind viel wichtiger als Gesetze, die Gleichstellung normieren wollen. Insofern ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Spitzenpositionen, die in der Regel ein noch sehr viel höheres Maß an Flexibilität erfordern, weiterhin eine Männerdomäne sind. Auch wenn, bezogen auf die zweite Berichtsperiode, ein Anstieg des Frauenanteils von 10,7 % auf 14,8 % zu verzeichnen ist, ist dieser Anstieg in Anbetracht der Tatsache, dass gerade im Bildungswesen Mädchen und Frauen in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte erzielt, riesengroße Fortschritte erzielt haben und der Anteil gut ausgebildeter weiblicher Arbeitskräfte steigt, verschwindend gering.

Nach einer Shell-Studie wollen 80 % der jungen Frauen und Männer heute Familie und Erwerbstätigkeit miteinander vereinbaren. Gerade in den ersten Jahren wollen sie sich dabei oftmals ganz der Erziehung von Kindern widmen. Andere dagegen wollen, auch wenn die Kinder noch klein sind, den Anschluss an das Berufsleben nicht verlieren und zum Beispiel mit verminderter oder flexibler Arbeitszeit weiterarbeiten.

Dass Familie und Haushalt immer noch die Domäne

(Caroline Schwarz)

der Frauen sind, wird im Gleichstellungsbericht anhand der Zahlen zur Teilzeitarbeit deutlich.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Wie bitte?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Bei uns ist das umgekehrt! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Der Geschirrspüler und die Waschmaschine!)

Der Anteil der Männer, die sich für Teilzeitarbeit entschieden haben, ist mit 17,6 % nach wie vor außerordentlich gering, um nicht zu sagen zu gering. Als positiv beurteile ich die Flexibilisierung von Arbeitszeiten durch die „Grundsätze der variablen Arbeitszeit“ sowie die Fortschritte bei der Tele- und Heimarbeit, die insbesondere Beschäftigten mit langen Wegen zur Arbeitsstelle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern beziehungsweise im Einzelfall überhaupt erst möglich machen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

An dieser Stelle betone ich, dass meine Fraktion ausdrücklich die Entscheidung der Mütter und Väter anerkennt, auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten und sich ausschließlich der Familienarbeit zu widmen. Wir stellen die Wahlfreiheit für Frauen und Männer in den Mittelpunkt unserer Familienpolitik.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Die selbst bestimmte Lebensführung darf nicht infrage gestellt werden, schon gar nicht durch Gesetze, die in das Privatleben eingreifen und die Wahlfreiheit gefährden. Voraussetzung sind also nicht Gesetze, die die Gleichstellung von Frauen und Männern normieren, sondern insbesondere die entsprechenden Rahmenbedingungen, zu denen nicht zuletzt eine angemessene finanzielle Ausstattung der Familien und ein ausreichendes Angebot an Betreuungseinrichtungen gehören. Da sind wir uns seit gestern mit dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages einig, der für eine Allianz für die Familie warb und genau das meinte.