Protocol of the Session on December 11, 2003

(Beifall bei der CDU)

Und sie hat über 15 Jahre an ganz herausragender, verantwortlicher Stelle an diesem beklopptesten Steuersystem der Welt mitgewirkt.

Die zweite große Tat, die Schleswig-Holstein vorangebracht hat, ist die Äußerung der Ministerpräsidentin

in diesen Tagen zum Vermittlungsausschuss. Sie sagte:

„Da frage ich mich, ob wir nicht alle zusammen spinnen.“

Das ist das Niveau, auf dem Schleswig-Holstein regiert wird, meine lieben Freunde, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Das ist das Niveau. Deshalb stehen wir da, wo wir heute stehen.

Entsprechend ist die Geschäftsverteilung in dieser Landesregierung: Die Ministerpräsidentin macht die Homestories, der Wirtschaftsminister macht die ZIPZAP-Programme, der Umweltminister macht seine Spielchen, der Innenminister macht sein Nickerchen und der Herr Finanzminister macht als Letzter das Licht aus und die Tür zu, aber nicht, ohne vorher noch einmal durchs Haus zu gehen und zu sagen: „Genossen, ich gehe gleich zur Sparkasse, wie viel braucht ihr noch?“ Das ist Ihre Tat, Herr Finanzminister.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Der Nachtrag 2003 dokumentiert einen außerordentlich liederlichen Umgang mit unserer Verfassung. Die Landesregierung hat die Finanzlage am Ende des Jahres weitgehend mutwillig, teilweise fahrlässig durch Tun und durch Nichtstun selbst herbeigeführt. Aus diesen Gründen lehnen wir diesen Nachtrag ab. Und wir werden dafür sorgen, dass gewollte Verfassung und tatsächliche Verfasstheit in unserem Land wieder im Einklang stehen.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP - Günter Neugebauer [SPD]: Das machen Sie nur, um sich wach zu halten! - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Um Sie aufzuwe- cken!)

Für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Wichtigste zuallererst: Auch die Fraktion der FDP wird selbstverständlich den Nachtrag zum Haushalt 2003 ablehnen, obwohl - das will ich hier ausdrücklich sagen - der Finanzminister mit diesem Nachtrag sämtliche unserer Erwartungen an ihn erfüllt hat.

(Dr. Heiner Garg)

Erstens haben wir ihm bereits im April gesagt, dass ein zweiter Nachtrag unumgänglich sei. Jetzt debattieren wir ihn.

Zweitens haben wir ihm im April auch schon gesagt, dass er die rot-grüne Ausgabenwut im Haushaltsvollzug mit globalen Mindereinnahmen nicht bremsen werde. Auch das ist so eingetreten.

Berücksichtigen wir das makabre Weihnachtsgeschenk der Gehaltskürzungen für Beamtinnen und Beamte, so stehen immer noch 55 Millionen € globale Minderausgaben im Nachtrag. Im ersten Nachtrag wurden sie aber nur um 36 Millionen € erhöht. In der Ist-Liste für November ist nicht zu erkennen, wo dieses Geld eigentlich noch eingespart werden soll.

Drittens. Herr Finanzminister, wir sagten Ihnen im April vorher, dass die Überschreitung der Kreditobergrenze wegen einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und oder der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung in Schleswig-Holstein im Dezember verfassungswidrig sein würde. Herr Minister Stegner, auch diese Erwartungen haben sich voll und ganz erfüllt.

Im Mai drückte Rot-Grün sich vor der Wahrheit der ersten Steuerschätzung. Genauso war es bereits beim Haushalt 2003 vor der Schätzung vom November 2002. Der Beweis dafür erfordert ein bisschen Grundschulrechnen, mehr aber auch nicht. Die Steuerschätzung im November 2002 ergab erwartete Einnahmen von 5,44 Milliarden €; 5,08 Milliarden € aus Steuern, 109 Millionen € aus dem Länderfinanzausgleich und 251 Millionen € Bundesergänzungszuweisungen.

Im Haushalt 2003 setzte Claus Möller aber 5,57 Milliarden € an. 5,22 Milliarden € aus Steuern, 109 Millionen € aus dem Länderfinanzausgleich und 250 Millionen € Bundesergänzungszuweisungen. Hiervon zeugte bereits das erste Haushaltsloch von 137 Millionen €. Das war sachlich völlig unbegründet, aber anders hätte Rot-Grün schon 2003 die Kreditobergrenze bei der Aufstellung des Haushaltes überschritten. Diese Schmach wollte Claus Möller offensichtlich ganz und gar seinem Nachfolger überlassen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Rainer Wiegard [CDU])

Dann verschlechterten sich die Vorhersagen für die konjunkturelle Entwicklung. Bis zum April war abzusehen, dass das reale Wirtschaftswachstum Deutschland dieses Jahr umgehen würde und die Steuereinnahmen in Deutschland nur mit der Inflation steigen würden. Die Steuereinnahmen in Deutschland folgen dem nominalen Bruttoinlandsprodukt. Bei Inflationserwartungen von 1 % bedeutet dies, dass die im No

vember 2002 für 2003 geschätzten Einnahmen von 5,21 Milliarden € ungefähr um 1 % steigen würden, also auf 5,26 Milliarden €. Das Haushaltsloch hatte sich rein rechnerisch bereits hierdurch auf 312 Millionen € verdoppelt.

Herrn Dr. Stegner war das natürlich völlig egal. Er stellte einen Nachtrag mit entsprechenden Einnahmen von 5,51 Milliarden € auf; 5,15 Milliarden € aus Steuern und unverändert 109 Millionen € aus dem Länderfinanzausgleich und 250 Millionen € aus den Bundesergänzungszuweisungen.

Das waren immer noch 73 Millionen € mehr als in der Steuerschätzung vom November 2002. Er verkleinerte das tatsächliche Haushaltsloch lediglich um 64 Millionen € auf stolze 248 Millionen €. Eine Woche nachdem dieser Nachtrag verabschiedet war, kamen die Steuerschätzer zusammen. Auf Befehl von Hans Eichel durften sie für die offiziellen Ergebnisse kein reales Nullwachstum unterstellen. Für Schleswig-Holstein schätzten sie so 5,34 Milliarden € Einnahmen; 5,03 Milliarden € aus Steuern, 80 Millionen € aus dem Länderfinanzausgleich und 227 Millionen € Bundesergänzungszuweisungen. 175 Millionen € weniger als der vorausschauende Dr. Stegner noch eine Woche zuvor in seiner Kristallkugel gesehen hatte und in seinem Nachtrag veranschlagte.

Vor fünf Wochen kamen die Steuerschätzer erneut zusammen. Diesmal konnte sich auch Hans Eichel nicht mehr um das reale Nullwachstum für 2003 herumreden. So schätzte man für 2003 nur noch Einnahmen von 5,23 Milliarden €; 5,1 Milliarden € aus Steuern, 7 Millionen € aus dem Länderfinanzausgleich und 118 Millionen € Bundesergänzungszuweisungen. Damit betrug das Haushaltsloch gegenüber dem ersten Nachtrag 281,7 Millionen €.

Ich erinnere an meine Überschlagsrechnung von eben: Ohne reales Wachstum bei 1 % Inflation sollten die Einnahmen rechnerisch 5,26 Milliarden € und das Haushaltsloch 248 Millionen € betragen. Die Steuerschätzer kamen mit genau den gleichen Annahmen auf knapp 30 Millionen € weniger. Das Haushaltsloch wurde also entsprechend größer, und zwar um knapp 34 Millionen €.

Herr Dr. Stegner, vergleichbare Rechnungen hatten wir Ihnen allerdings bereits im Juni präsentiert. Was folgt daraus? Rot-Grün hat sich im Mai vor der Regierungsverantwortung gedrückt. Sie hatten zwei Chancen, verantwortlich zu handeln. Sie haben beide ausgelassen:

(Beifall bei FDP und CDU)

(Dr. Heiner Garg)

Die erste Chance wurde vergeigt, als Rot-Grün nicht auf unseren Antrag hörte und den ersten Nachtrag unbedingt vor der Mai-Steuerschätzung durchpeitschen wollte. Danach wäre es zumindest verantwortungsvoll gewesen, wenigstens die wirtschaftlichen Vorhersagen und den Zusammenhang zwischen nominalem Bruttoinlandsprodukt und den Einnahmen bei der Aufstellung des verfrühten Nachtrages zu berücksichtigen.

Im zweiten Nachtrag musste dann immerhin 248 Millionen € weniger Schulden veranschlagt werden; statt 628 Millionen € „nur“ 380 Millionen €. Das hätte selbstverständlich bedeutet, dass auch schon im ersten Nachtrag die 248 Millionen € hätten finanziert werden müssen. Zugegeben, das ist politisch unangenehm. Genau für diese unangenehmen Aufgaben hat die Ministerpräsidentin aber angeblich Herrn Dr. Stegner als Finanzminister berufen.

Genau wie in den letzten 15 Jahren traute sich RotGrün aber nicht, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken und entsprechend zu handeln. Man erging sich in den üblichen Ankündigungen. Alle nur denkbaren Haushaltslöcher würden im Dezember mit dem Mantel neuer Schulden zugedeckt; selbstverständlich auch die vermeidbaren. Herr Dr. Stegner ließ sich zur Beruhigung des rot-grünen Gewissens noch etwas ganz Besonderes einfallen. Er erhöhte nämlich die globalen Minderausgaben um 36 Millionen €. Damit wollte er wenigstens vorgeben, sich des Problems ein bisschen anzunehmen. Im Entwurf dieses Nachtrags stehen allerdings immer noch 55 Millionen €. Es war scheinbar die übliche Ankündigung ohne die entsprechenden Folgen.

Herr Dr. Stegner, Sie werden es mir möglicherweise nicht glauben, aber an dieser Stelle würde ich mich wirklich freuen, wenn Sie mich eines Besseren belehren würden und dem Landtag heute noch mitteilen könnten, dass die globalen Minderausgaben bis zum 31. Dezember noch vollständig erwirtschaftet werden. Wenn Sie das mitteilen, dann interessiert mich auch, bei welchen Ausgabentiteln. Das kann zweieinhalb Wochen vor Ende des Dezembers nicht allzu schwierig sein.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wenn Sie uns das nachher freundlicherweise mitteilen würden, sollten Sie allerdings auch gleich entsprechende Änderungsanträge vorlegen; quasi eine Nachschiebeliste zur Auflösung globaler Minderausgaben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die globalen Minderausgaben führen mich zur fehlenden Haushalts

sperre. Schließlich heißt es in der Begründung dieses Nachtrages:

„Mit dem ersten Nachtragshaushalt sind diese Einsparungen durch zusätzliche globale Minderausgaben anstelle einer Haushaltssperre ausgeweitet worden.“

Im August berichtete der Finanzminister dem Landtag über den Haushaltsablauf im ersten Halbjahr. Nach 50 % des Jahres waren 44 % der geplanten Einnahmen und 46 % der geplanten Steuereinnahmen erzielt, 51 % der geplanten Ausgaben getätigt und die geplante Nettoneuverschuldung war bereits zu 90 % ausgereizt. Im August hatte niemand mehr Illusionen über die schlechte wirtschaftliche Lage. Mit steigenden Ausgaben für die soziale Sicherung war also von jedermann zu rechnen.

Dass die Steuereinnahmen erheblich niedriger ausfallen würden als geplant, musste die Landesregierung im August auch bereits wissen. Im August rechnete - abgesehen von Hans Eichel - kaum noch jemand mit Wirtschaftswachstum in diesem Jahr, vor allen Dingen keine Fachleute. Wo also sollten die geplanten Minderausgaben erwirtschaftet werden? Wahrscheinlich nur noch in der Illusion dieses Finanzministers. Gewöhnlich gut unterrichtete Kreise aus dem Umfeld des Kieler Kabinetts meldeten schon im April, dass sich die Fachminister in der entscheidenden Kabinettssitzung nur zu höheren globalen Minderausgaben zwingen ließen, weil just während dieser Sitzung - selbstverständlich völlig versehentlich - eine Haushaltssperre ausgelöst wurde.

Die schlechten wirtschaftlichen Daten boten also für die Ressorts die beste Ausrede, sich der gedanklichen Fessel erzwungener Minderausgaben; quasi im vorgezogenen Dezemberfieber zu entledigen. Spätestens hier hätte ein glaubwürdiger Finanzminister seinen Kollegen eine Haushaltssperre vorgeschlagen. Ein glaubwürdiges Kabinett hätte dieser Haushaltssperre auch zugestimmt. Herr Dr. Stegner, selbstverständlich hätte eine Sperre nicht das gesamte Defizit im Vollzug erwirtschaften können. Die eine oder andere Million wäre aber zusammengekommen. Ein paar Millionen hier und ein paar Millionen da und schnell spricht man über tatsächliche Einsparungen und nicht nur über die gewünschten. An dieser Stelle wurde Dr. Stegner im Plenum und im Finanzausschuss den Erwartungen der Ministerpräsidenten gerecht.

Demagogisch geschickt blendete er die Finanzpolitiker der SPD: Die Haushaltssperre könnte doch sowieso niemals das gesamte Defizit abdecken - selbst in Baden-Württemberg würden beim vierfachen Haushaltsumfang nur 100 Millionen € erwirtschaftet. Des

(Dr. Heiner Garg)

halb sollte man für rechnerisch 25 Millionen € doch nicht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage endgültig ausbremsen; das brächte nämlich nichts. Aber, es hätte immerhin 25 Millionen € gebracht. Dann würden bei den globalen Minderausgaben jetzt nur noch 30 Millionen € offen stehen.

Das Stichwort „gesamtwirtschaftliche Nachfrage“ führt mich dann zum gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht. Es ist selbstverständlich gestört, es ist bei Ihnen immer gestört. Das allerdings reicht nicht, um die Kreditobergrenze verfassungsgemäß überschreiten zu dürfen. Es müssen nämlich zwei weitere Bedingungen erfüllt sein: Erstens muss eine schwerwiegende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung in Schleswig-Holstein vorliegen. Zweitens müssen die Ausgaben, die mit den zusätzlichen Schulden finanziert werden, bestimmt und geeignet sein, eben diese schwerwiegende Störung abzuwenden.

In Ihrer Pressekonferenz am 20. November 2003 schloss die Ministerpräsidentin aus, dass die zweite Bedingung erfüllt wird. Sie erwartete auch für 2004 kein angemessenes Wirtschaftswachstum und keine hohe Beschäftigung. Folglich wehren die zusätzlichen Schulden für 2003 die Störung 2003 und 2004 auch gar nicht ab. Damit sind sie per Definition auch nicht dazu geeignet. - Das war’s, Herr Finanzminister.

Die neuen Schulden können die miserable wirtschaftliche Lage Schleswig-Holsteins auch nicht verbessern. Diese Lage ist das Ergebnis einer strukturellen Krise, die maßgeblich 15 Jahre schlechter roter und rot-grüner Politik zu verdanken ist. Diese Krise kann man mit Staatsausgaben auf Pump nicht beenden. Sie existiert ja gerade wegen zu hoher Staatsausgaben auf Pump, und zwar für die falschen Zwecke.

Wirtschaftliche Strukturkrisen werden nur bewältigt, wenn die Anreize für Menschen und Unternehmen gestärkt werden zu arbeiten, zu sparen und zu investieren. Nur dann wird unsere Wirtschaft dauerhaft schneller wachsen, die Beschäftigung steigen und die Arbeitslosigkeit merklich sinken.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)