Protocol of the Session on December 10, 2003

(Jürgen Weber [SPD]: Ich verzichte!)

- Nicht mehr, gut. Das war eine Scheinmeldung.

(Heiterkeit)

Dann habe ich der Regierung das Wort zu erteilen, und zwar der Frau Bildungsministerin Erdsiek-Rave.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kein neues Gesetz, kein neues Argument, kein neuer Gedanke! Ich frage mich wirklich, Herr Dr. Klug - außer dass Sie das für die Deckung anderer Anträge zum Haushalt brauchen; damit haben Sie ja auch begründet,

weshalb Sie den Gesetzentwurf noch einmal eingebracht haben -,

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Nein!)

in welchen Abständen wir schon ausführlich debattierte, einer Anhörung unterzogene Gesetzentwürfe, die abgelehnt wurden, hier wieder einbringen sollen. Diese Kritik müssen Sie sich schon einmal gefallen lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Nach intensiver Debatte haben wir hier im Mai 2003 genau das gleiche Gesetz schon einmal abgelehnt. Es bringt uns keinen Millimeter weiter, wenn Sie das heute von Neuem versuchen. Es ist im Bildungsausschuss auch schon von einer deutlichen Mehrheit abgelehnt worden, und zwar von den Angehörten.

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Nein, mir steht wenig Redezeit zur Verfügung. Herr Dr. Garg, wir können uns gern privat darüber unterhalten.

Von den Rektoraten der Hochschulen, denen Sie, Herr Dr. Klug, eine Verbesserung ihrer Einnahmesituation versprechen, wird dies übrigens merkwürdigerweise abgelehnt. Im Juristendeutsch nennt man das, glaube ich, eine aufgedrängte Bereicherung.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Sie wissen doch, warum!)

Ebenso ist es von den Verbänden abgelehnt worden, nicht nur von der GEW, nicht nur vom Deutschen Hochschulverband, sondern auch von den Unternehmensverbänden Nord, auch vom DGB und auch von den Allgemeinen Studierendenausschüssen; sicherlich aus unterschiedlichen Gründen und Erwägungen heraus - das will ich gerne konzedieren -, aber die Ablehnung war nun einmal einhellig.

Seitdem haben Sie kein einziges neues Argument präsentiert und Sie haben die gültigen Gegenargumente auch nicht wirklich entkräftet. Stattdessen lassen Sie sich vielleicht auch von der jüngsten Berichterstattung leiten. Ich meine, es war im Oktober. Diese Debatte wurde ja auf heute verschoben. Das Zahlenmaterial war damals sehr spekulativ. Nicht nur, dass die dort avisierten Einnahmen in einer Größenordnung zwischen 3 Millionen € und 6 Millionen € lagen, auch die Zahl der betroffenen Studierenden war hoch gegriffen. Nach den neuesten Zahlen haben Sie sie jetzt nach unten korrigiert. Sie sagen, Sie gingen von einer Größenordnung von 4.000 Studierenden aus. Wir zählen ungefähr 3.200. Vermut

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

lich sind bei Ihren Zahlen die Doktoranden mitgezählt. Aber um diese Fragen müssen wir uns jetzt nicht streiten.

Natürlich sind auch solche Beträge kein Pappenstiel. Das ist klar. Aber es handelt sich eben nicht um eine Summe, die komplett den Hochschulen zugute käme. Ich bleibe dabei: Die Erhebung erfordert einen hohen Verwaltungsaufwand. Wenn man sich alle Ausnahmen und Befreiungstatbestände anschaut, die etwa in Niedersachsen und Hamburg vorgesehen sind, die auf die soziale, auf die finanzielle Situation der Studierenden Rücksicht nehmen, so bedeutet dies, dass etwaige Einnahmen von den Verwaltungskosten vielleicht nicht gänzlich aufgebraucht, aber doch deutlich reduziert werden.

Die Studiengebühren verbessern also die finanzielle Situation der Hochschulen keineswegs dauerhaft. Das sowieso nicht, weil sie ja über kurz oder lang ihre zahlende Klientel abschaffen sollen. Es ist ja das Ziel, die Zahl der Langzeitstudierenden zu reduzieren und nicht etwa zu erhöhen, damit die Einnahmen wachsen. Die Gebühren sollen ja gerade dazu führen, dass die Zahl der Studierenden mit Regelzeitüberschreitung zurückgeht.

Nun zu dem Argument, Sie legten ja gesetzlich fest, dass die Einnahmen den Hochschulen zugute kommen. Das kann man gerne tun. Das ist auch in anderen Bundesländern so gewesen, aber regelmäßig mit der Folge, dass der Zuschuss für die Hochschulen entsprechend gekürzt wurde.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Wir erhöhen um 6 Millionen zusätzlich!)

- Sie erhöhen virtuell in einem Antrag. Aber ich rede von der Realität. In den Bundesländern, in denen es umgesetzt worden ist, ist dies derzeit überall zu beobachten. Schauen Sie sich doch Berlin, Niedersachsen, Hessen und Bayern an! Überall werden die Hochschulzuschüsse, und zwar dramatisch, gekürzt. Die Studiengebühren sollen dann die Einnahmesituation verbessern. Selbst wenn man also gesetzlich festlegt, wem die Einnahmen zugute kommen, ist dies keineswegs eine Garantie für steigende Hochschulhaushalte. Das sollten wir den Leuten nicht erzählen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind, was die Frage des Studierens in der Regelzeit und die Frage des zügigen Studiums anbetrifft, im Prinzip auf einem anderen Weg richtig unterwegs. Ich will Herrn Garg antworten, der von dem Studenten im 20. Semester berichtet hat, der zahlen soll, anstatt die Hochschule weiter zu belasten. Ich finde, man sollte lieber das Grundübel bei der Wurzel packen und sagen: Man muss die Voraussetzungen dafür schaffen,

dass ein zügiges, ordnungsgemäßes Studium abgeleistet werden kann, angefangen bei einer Studienberatung, fortgesetzt durch Anreize an den Hochschulen. Man muss dafür sorgen, dass Studierende ihr Studium auch in der Regelzeit abschließen können, und neue Studienstrukturen schaffen, die den Umlauf an den Hochschulen erheblich erhöhen werden. - Das Bachelor- und Master-System ist natürlich gemeint. Dadurch wird sich die Quote der Absolventen in der Regelstudienzeit deutlich erhöhen. Davon bin ich überzeugt.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Übrigen könnte dies auch ein Kriterium bei der leistungsorientierten Mittelverteilung sein. Auch das ist ein Anreiz für die Hochschulen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, die Debatte um zukunftsweisende und um gerechte, sozial gerechte, nicht abschreckende, intelligente Modelle der Bildungsfinanzierung - so will ich es einmal allgemein nennen - wird und muss weitergeführt werden, und zwar vom Kindergarten bis zum Studium und auch im Hinblick auf das lebenslange Lernen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Problem muss dabei vorrangig gesehen und beachtet werden: Die Kluft zwischen den Bildungsfernen und den Bildungsnahen - ich will dies etwas verkürzt einmal so nennen - darf sich dabei nicht noch weiter öffnen, sondern muss im Gegenteil schrittweise geschlossen werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das muss bei allen Modellen, die diskutiert werden, vorrangig gesehen werden. Ich finde, dass der vorliegende Gesetzentwurf jedenfalls dazu kein Beitrag ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit schließe ich die Beratung. Bevor wir in die Abstimmung eintreten, darf ich die Gelegenheit nutzen, neue Gäste auf der Tribüne zu begrüßen, und zwar die Damen und Herren vom CDU-Ortsverband Nusse. -

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Wir treten jetzt in die Abstimmung ein. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP, Drucksache 15/2991, an den zuständigen Bildungsausschuss zu überweisen. Ich darf fragen: Gibt es weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Wer dem so seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein deutliches Handzeichen. - Gegenprobe? - Stimmenthaltungen? - Das ist vom Haus einstimmig so akzeptiert und der Tagesordnungspunkt 9 ist somit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Religionsunterricht an den Schulen in SchleswigHolstein

Große Anfrage der Fraktion der CDU Drucksache 15/2749

Antwort der Landesregierung Drucksache 15/2943

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, dies ist nicht der Fall. Zur Beantwortung ist die Landesregierung berufen. Ich erteile hierzu der Frau Bildungsministerin Erdsiek-Rave das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Religionsunterricht ist ein wesentlicher Bestandteil von schulischer Bildung und Erziehung. Das gilt für den katholischen und für den evangelischen Religionsunterricht gleichermaßen. Dennoch ist die Nachfrage nach Religionsunterricht rückläufig. Immer mehr Schülerinnen und Schüler nehmen nicht daran teil, werden abgemeldet oder melden sich selbst ab oder besuchen Philosophie als Ersatzfach.

Die Gründe für die Abmeldung vom Religionsunterricht werden nicht erhoben. Man kann darüber also nur - ich will nicht sagen: spekulieren, aber - nachdenken. Es verhält sich damit genauso wie mit dem Kirchenaustritt. Dessen Gründe werden auch nicht erhoben. Nach Artikel 7 Grundgesetz entscheiden die Erziehungsberechtigten über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht oder das Kind selbst, wenn es mit 14 Jahren religionsmündig ist.

Ich glaube, dass die Beweggründe für das nachlassende Interesse am Religionsunterricht sehr vielfältig und sehr differenziert sind. Meiner Einschätzung nach haben wir es mit einer generellen Säkularisierung der Gesellschaft zu tun, vergleichbar auch dem generellen

Trend zum Kirchenaustritt. Eines will ich aber sehr deutlich sagen, weil dies in manchen Beiträgen, bei der Formulierung dieser Großen Anfrage und auch in manchen Kommentaren Ihrerseits durchschimmerte: Diese Gründe sind nicht von der Landesregierung zu verantworten. Im Gegenteil. Ich plädiere entschieden für den Fortbestand des konfessionellen Religionsunterrichts.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Ich weiß, dass aus den Reihen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer wieder auch andere Vorschläge gemacht werden, aber ich sage ganz deutlich: „LER“, also Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde, ist für mich keine gleichwertige Alternative.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)