Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile als erstes der Frau Abgeordneten Strauß das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst die Frage, wer zuständige Ministerin oder zuständiger Minister für dieses Thema ist.
Frau Abgeordnete, das ist alles geregelt. Ich finde es nett, dass Sie sich darum kümmern. Es ist geregelt, dass von der Regierungsseite selbstverständlich zu den Anträgen geredet wird.
Meine Damen und Herren, das Thema passt zur Uhrzeit. Das Thema Ladenschluss hat durch den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine reizvolle Komponente erhalten.
Eine Koalition, zwei extreme Positionen: Einmal völlige Flexibilisierung, einmal totale Regulierung! Das hat etwas!
Da stellt sich natürlich die Frage: Wer setzt sich durch? Herr Kollege Hentschel, ich möchte Ihre Bemühungen, wenigstens nicht auf Zeit zu spielen, durchaus anerkennen, aber auch Sie wissen: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut.
Mit dem mutigen Vorstoß der Länder zu einer weiteren Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes am 28. August dieses Jahres bestehen eigentlich alle Aussichten, diesen Ladenhüter endlich zu versenken, quer durch sämtliche Parteikonstellationen.
Die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg haben sich für eine generelle Freigabe ausgesprochen und die Verlautbarungen aus Rheinland-Pfalz, Hamburg und Schleswig-Holstein lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Dieses Relikt aus dem Jahre 1956 wird nun zügig entrümpelt und weitgehend liberalisiert.
Meine Damen und Herren, erinnern wir uns: In der Landtagsdebatte vom November 1998 bestand - wenn ich einmal von den Einlassungen des Kollegen Hentschel absehe - Einigkeit darüber, erstens dass das Ladenschlussgesetz weder den Verbrauchergewohnheiten noch den Wettbewerbsinteressen der Neunziger Jahre entspricht, geschweige denn denen des 21. Jahrhunderts, zweitens dass das Arbeitnehmerschutzinteresse nicht länger über das Ladenschlussgesetz, sondern besser über das Arbeitsrecht und tarifliche Vereinbarungen zu regeln ist, drittens dass dieses freiheitswidrige und bürokratische Ungetüm endlich zu den Akten gelegt wird und viertens dass Ihre viel be
aber nicht anmaßende und zügellose Bevormundung. „Tante Emma“ weiß und kann sehr wohl selbst entscheiden, was sie wann und wo zu tun oder zu lassen hat.
Dabei geht es nicht um generell längere Öffnungszeiten, sondern darum, die Zeitfenster zumindest so zu gestalten, dass jeder Wettbewerber das für sich Optimale wählen und entscheiden kann. Und das kann jeder Geschäftsinhaber allemal besser als die Politik. Das haben wir feststellen können.
Bereits im Juni 1998 stellt Ministerin Moser fest: „Nur Verdruss mit dem Ladenschluss.“ In der Novemberdebatte 1998 beglückte uns Ministerin Moser mit einer klaren Position zum Thema Ladenschluss und schlussfolgerte - ich bedaure sehr, dass Frau Moser krank ist:
„Für eine Gesetzesinitiative zur Abschaffung des Ladenschlussgesetzes müssen jetzt die politischen und rechtlichen Umsetzungsmöglichkeiten geprüft werden.“
Die Ministerin erklärte im Gespräch mit der ‘Welt’: Ich bleibe dabei: Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ist unumgänglich. Jeder Geschäftsinhaber sollte öffnen können, wann er will. Samstag ist eine gewisse Begrenzung denkbar, doch am Sonntag sollten die Geschäfte bis auf wenige Ausnahmen geschlossen bleiben.“
Was also reitet die Ministerin Moser, nun ganz plötzlich wieder auf Zeit zu spielen? - Nie waren die Chancen größer, zumindest große Teile ihrer Vorstellungen umzusetzen. Was steht der Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes im Weg? - Antwort: Im Prinzip nichts, wäre da nicht der „Rentendeal“ des Herrn Bundeskanzlers mit den Gewerkschaften. Nach dem Motto: Läden dicht ist gut für die Rente.
Und schon hält Frau Ministerin Moser diesem politischen Irrsinn eilfertig das Händchen und verkündet in einem „dpa“-Gespräch am 6. September 2000:
„Die Diskussion ist derzeit hoch emotional, eine vernünftige und rationale Debatte ist einfach nicht möglich. Vor diesem Hintergrund hat Bundeskanzler Gerhard Schröder vielleicht Recht, zunächst einmal abzuwarten.“
Nein, Frau Ministerin Moser, der Herr Bundeskanzler hat nicht Recht und es gilt, jetzt zu handeln und nicht zu kneifen.
Den intensiven Diskurs zu diesem Thema führen wir nun schon jahrelang. Die Bevölkerung will die Liberalisierung und hat Anspruch darauf, dass gehandelt wird. Dazu braucht es Rückgrat. Das fehlt der Landesregierung und deshalb sind wir, ist das Parlament aufgerufen, die Initiative zu ergreifen, um endlich eine wirkliche Liberalisierung dieses antiquierten Gesetzes zu erreichen.
Deshalb bitte ich Sie herzlich, stimmen Sie unserem Antrag zu, damit wir die Landesregierung mit den notwendigen Korsettstangen ausrüsten können und das Bundesparlament aufgefordert wird, seine Pflichten aufzunehmen. Das ist nämlich der Gesetzgeber, nicht der Herr Bundeskanzler Schröder.
Gestatten Sie mir einen letzten Satz - Sie wissen, dass diese Initiative der Länder von den neuen Bundesländern ausgegangen ist. Ich glaube, es steht uns allen gut zu Gesicht, dass wir das nicht abblocken oder auf Zeit spielen und verzögern, sondern dass wir das unterstützen. Die Freiheit haben sie lange genug entbehrt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einem Fazit beginnen, das 1998 - zwei Jahre nach der schon einmal vorgenommenen Reform des Ladenschlussgesetzes - gezogen worden ist:
„Wir öffnen meistens um 9 oder 10 Uhr, manchmal schon um 7 Uhr, aber dann wieder einmal erst um 12 oder 13 Uhr. Wir schließen ungefähr um 17:30 Uhr oder 18 Uhr, manchmal schon um 16 oder 17 Uhr, aber dann wieder erst um 23 Uhr oder Mitternacht.“
„Manche Tage oder Nachmittage sind wir überhaupt nicht hier. Aber in letzter Zeit sind wir fast immer hier, außer wenn wir woanders sind, aber dann sollten wir auch hier sein.“
Dieses Fazit hat der frühere Vorstandsvorsitzende der Karstadt AG 1998, zwei Jahre nach der Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes, gezogen. Es macht deutlich, dass sie zu einer Vielfalt geführt hat, aber auch zu mehr Verwirrung führen kann. Es zeigt auch, dass eine Auseinandersetzung mit dem Ladenschlussgesetz eine hoch emotionale Beschäftigung ist. Vehemente Befürworter des bestehenden Ladenschlussgesetzes treffen auf gnadenlose Deregulierer, die das gesamte Ladenschlussgesetz am liebsten einstampfen würden. Und das ist ein Thema, zu dem jeder in der Diskussion etwas beisteuern kann.