vier Neinstimmen, eine Stimmenthaltung. Damit ist der Abgeordnete Heinz-Werner Arens zum Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages gewählt. Herr Abgeordneter Arens, ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen.
Ich spreche Ihnen die Glückwünsche des ganzen Hauses aus - der Beifall hat es schon gezeigt - und bitte Sie, zur Ableistung des Eides nach vorn zu kommen. Ich spreche Ihnen die Eidesformel vor und bitte Sie, sie mir nachzusprechen.
(Die Anwesenden erheben sich - Präsident Heinz-Werner Arens wird nach folgender Eidesformel vereidigt: Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordneter gewissenhaft zu erfüllen, Verfassung und Gesetze zu wahren und dem Lande unbestechlich und ohne Ei- gennutz zu dienen.)
Ich wünsche Ihnen viel Freude in diesem hohen Amt und eine gute Hand für das Land Schleswig-Holstein und seine Bürgerinnen und Bürger und hin und wieder auch ein wenig Langmut gegenüber den Abgeordneten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie zunächst eine Bemerkung an die Adresse der Alterspräsidentin. Verehrte Frau Abgeordnete Böhrk, es hätte ihrer ausdrücklichen, charmanten Bemerkung nicht bedurft,
um zu begreifen, dass Sie die jüngste Alterspräsidentin sind. Ich möchte Ihnen gern herzlichen Dank für die Amtsführung als jüngste Alterspräsidentin sagen; genau dem war sie angemessen. Herzlichen Dank!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will Sie alle ausdrücklich zur Wahl und zur Annahme des Mandates beglückwünschen und zu Beginn der 15. Wahlperiode hier sehr herzlich begrüßen. Ich möchte insbesondere die 33 neuen Abgeordneten
begrüßen, parlamentarische Neulinge, nicht Neulinge im politischen Geschäft, nicht unerfahren. Sie werden sich sicher an der Arbeit der dienstälteren Abgeordneten orientieren, aber Sie sind auch Bereicherung für uns, denn Sie bringen sehr vielfältige berufliche und politische Lebenserfahrungen in die Arbeit dieses Parlaments. Das ist die Innovation parlamentarischer Arbeit. Ihnen allen, den alten und den neuen Abgeordneten, ein herzliches Willkommen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wahlergebnis ist in dieser Höhe unerwartet - ich freue mich darüber - und in dieser Deutlichkeit sicher keine Selbstverständlichkeit. Umso mehr habe ich Anlass, mich bei Ihnen für diesen Ausdruck der In-diePflichtnahme und des Vertrauens zu bedanken. Es ehrt mich insbesondere auch deshalb, weil die meisten von Ihnen bereits aus der abgelaufenen Legislaturperiode wissen, was sie sich mit meiner Wiederwahl einbrocken.
Ich sichere Ihnen allen zu, dass ich mich auch in den kommenden Jahren um eine Amtsführung bemühen werde, die in Auftreten und Wirken dem Anspruch aller Fraktionen voll Rechnung trägt, ohne je zu leugnen, in welchem politischen Lager ich selbst zu Hause bin.
Ich freue mich - um noch einmal auf den 27. Februar zurückzublicken -, dass unserem Parlament Gott sei Dank - oder besser: den Wählerinnen und Wählern sei gedankt - keine rechtsextreme Gruppierung angehört.
Deshalb muss ich meine Zusicherung, alle Fraktionen dieses Hauses nach innen und außen zu vertreten, mit keinerlei Einschränkung versehen.
Unser Parlament hat 89 statt 75 Abgeordnete und in der neuen Legislaturperiode wird es umfangreiche Baumaßnahmen geben. Dies wird unsere Arbeit nicht gerade erleichtern. Das bedeutet zwangsläufig Zusammenrücken; wir erleben das hier im Plenarsaal. Nach dem guten organisatorischen Start in den ersten Wochen bin ich jedoch zuversichtlich, dass wir das gemeinsam schaffen werden.
Ich will den fairen Umgang miteinander, den wir von Anfang an verzeichnen durften, aber nicht nur organisatorisch, sondern auch inhaltlich verstanden wissen. Angesichts der gewaltigen politischen Herausforderungen, die die Abgeordnete Frau Böhrk hier sehr deutlich angesprochen hat, die vor allem durch ein enormes Tempo von Veränderungen und Entwicklungen geprägt sind, müssen wir an der Verbesserung der Debatten, der Lösungsstrategien in diesem Hause
arbeiten. Die parlamentarische Kunst des Zwischenrufes ist in diesem Hause weit entwickelt; die Kultur des Zuhörens, der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Argumenten ist auf jeden Fall noch ein wenig verbesserungsbedürftig.
Hierbei bitte ich um aller Unterstützung. Das ist natürlich auch ein Signal nach außen, das Signal, dass wir bei aller Anerkenntnis der Notwendigkeit des politischen Wettbewerbs wirklich um die besten Lösungen ringen. Jedes an den Besuch einer Landtagssitzung anschließende Gespräch mit Abgeordneten, für die ich in der vergangenen Legislaturperiode äußerst dankbar gewesen bin, hatte immer wieder ein zentrales Thema: das Verhalten der Abgeordneten während der Plenardebatten. Mit einer Verbesserung unserer Debattenkultur können wir selbst dafür sorgen, dass es eine Veränderung auf dieser Prioritätenliste gibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines ist gewiss: Wenn wir zeigen, dass wir einander ernst nehmen, werden wir auch von den Bürgerinnen und Bürgern, die uns sozusagen bei der Arbeit zusehen, ernst genommen. Politikverdrossenheit ist - das haben wir zur Kenntnis zu nehmen - in ihrem Kern auch ganz entschieden ein Stück Politiker- und Politikerinnenverdrossenheit. Wir haben unsere eigenen Verantwortung für dieses Phänomen zu erkennen, jeder für sich; zugleich aber muss sich auch jede Bürgerin und jeder Bürger dieses Landes die leider etwas aus der Mode gekommene Frage stellen: In welchem Maße bin ich denn selbst bereit, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen, worin besteht mein Engagement und mein Beitrag für diese Gemeinschaft?
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Politik nicht die alleinige Verantwortung für unser Gemeinwesen tragen kann. Funktionieren kann die demokratische Gesellschaft vielmehr nur dann, wenn alle ihr Scherflein, ihr Stück dazu beitragen. Es wird zu häufig vergessen, dass Demokratie ein Prozess und eine Vision ist, die wir ständig anzustreben haben und deren idealtypisches Ergebnis wir möglicherweise nie ganz erreichen werden, dem wir uns mit Aussicht auf Erfolg aber nur in dem Maße nähern können, in dem sich alle Bürgerinnen und Bürger als aktive Teile dieses Prozesses verstehen. Dabei - das gestehe ich gern zu haben diejenigen, die Politik als Beruf betreiben, eine erhöhte Verantwortung zu tragen und entsprechend vorbildlich zu agieren. Als Berufspolitikerinnen und Berufspolitiker müssen wir
uns bewusst sein, dass die Big-Brother-Bedingungen für uns in gewissem Sinne schon lange gelten. Für uns ist das Stehen im Blickpunkt der Öffentlichkeit, das heißt in öffentlicher Beobachtung, selbstverständlicher Teil unseres Berufes, der öffentlicher Auftrag ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass unser Berufsbild durchaus nicht klar umrissen und auch nicht klar zu umreißen ist. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Abgeordneter kann ich aber einwandfrei feststellen: Es wird von uns viel verlangt und dieser Erwartung können wir nur gerecht werden, wenn wir uns selbst einem harten Arbeitsprozess unterziehen. Das gilt es festzustellen, nicht zu beklagen, denn wir haben uns dieser Verpflichtung freiwillig gestellt. Zugleich aber ist die Problemlösungskompetenz in dieser hoch komplexen Gesellschaft nicht allein bei der Politik angesiedelt. Politik ist viel, aber nicht alles - das wusste bereits Theodor Fontane. Oft genug hat der politische Sektor eher eine moderierende Funktion, gibt Anstöße, setzt Initialzündungen in Gang. Ohne die Bereitschaft in Wirtschaft und Gesellschaft, notwendige Veränderungen auch durchzuführen, kann das alles nicht funktionieren. In den Fällen des Misslingens wird gern mit dem Finger auf die Politik gezeigt. Wir werden sozusagen dafür bezahlt, die Schuld an Fehlentwicklungen zu übernehmen. Das bringt uns aber allesamt nicht weiter.
Als Mitglieder verschiedener und konkurrierender politischer Parteien unterliegen wir selbst oft genug der Vorstellung, nur der eigene politische Plan sei der geniale, während - um es zurückhaltend zu sagen sich alle anderen auf einem grässlichen Holzweg befinden. In Wahrheit wissen wir aber zugleich aus der parlamentarischen Praxis, dass uns die politische Diskussion oft genug auch zu einem Konsens in der Sache führt und auch führen muss. Ein Beispiel dafür ich will das hier gern noch einmal in Erinnerung rufen - war, dass wir es sogar auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes in der vorigen Legislaturperiode geschafft haben, ein so sensibles Gesetz wie das Datenschutzgesetz miteinander gemeinsam zu verabschieden. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich habe die Auffassung, das wir mehr solche Lösungen als weniger brauchen und auch anstreben sollten.
In der öffentlichen Berichterstattung findet das möglicherweise nicht immer den angemessenen Niederschlag. Das mag mit daran liegen, dass in der Medienberichterstattung politische Harmonie als geballte Langeweile, Streit dagegen als interessant und seitenfüllend herüberkommt - und das, obwohl die Bürgerinnen und Bürger nachweislich genervt sind von dauernden Streitigkeiten in der Politik.
Aber: Politische Realität ist in der Gegenwartsgesellschaft zu einer Medienrealität geworden. Sie unterliegt damit zunehmend auch den Gesetzen der Unterhaltungsindustrie. Die Frau jüngste Alterspräsidentin hat darauf hingewiesen.
Wer heute Aufmerksamkeit erheischen will, muss sich den Bedingungen der „Eventgesellschaft“ stellen. Das war wohl auch der Grund, warum sich in Lübeck Pastoren von den Kirchen abseilten. Sie wollten die öffentliche Aufmerksamkeit auf eine gute Sache ziehen, was ihnen zweifellos auch gelungen ist.
Aber ich frage mich und ich frage Sie: Was, um Bürgers willen, sollen wir denn bloß bieten, damit die Menschen in politische Versammlungen gehen, statt sich nur der Fernsehberichterstattung hinzugeben? Ja, gut, es gab auch politische Events wie das demonstrative Baden in verschmutzten Gewässern oder das kollektive Verzehren von britischem Rindfleisch. Aber im Großen und Ganzen sollte sich die Politik ihres sachlichen und ernsthaften Charakters nicht selbst berauben.
Bei aller Inszenierung darf der Kern unserer Arbeit nicht in Vergessenheit geraten, sonst geraten wir in allzu enge Konkurrenz mit Schauspielern und Entertainern. Und was das betrifft, so können die das besser. Daran - so denke ich - kann uns nicht gelegen sein.
Damit appelliere ich zugleich auch an die Medien - ich appelliere; ich sage das bewusst; Politik hat hier nichts zu fordern -, sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft bewusst zu sein. Es ist jedenfalls wenig glaubwürdig, ein gesunkenes Niveau in der Politik zu beklagen, wenn man durchaus auch selbst Anteil an dieser Senkung hat.
Nun aber noch einmal zurück zu unseren gemeinsamen politischen Aufgaben. Als Parlamentspräsident tut man gut daran, sich insbesondere in den Bereichen zu engagieren, die im Parlament auf hochgradigen Konsens stoßen. Dies ist zweifellos der Fall bei der Ostseekooperation und in den Fragen der Minderheitenpolitik. Auf diesen Feldern werde ich mich mit Ihrem Einverständnis in den kommenden Jahren besonders engagieren, um auch in Zukunft wieder ein Stück voran zu kommen.
Wir werden uns als Bundesland im europäischen Einigungsprozess nur dann wirksam behaupten können, wenn wir durch enge Kooperation mit den Ostseeanrainern eigene Akzente setzen. Die parlamentarische Zusammenarbeit hat dabei einen ganz besonderen Stellenwert. Ich meine, wir sind allesamt gut beraten, wenn wir aktiv - so wie wir das auch in der vorigen Legislaturperiode getan haben - diese Kooperation stärken. Hier können wir als Landesparlament durchaus Akzente setzen und Projekte in Gang bringen, die den Standort Schleswig-Holstein stärken werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind gewählt worden, um in Verantwortung für das Land und seine Menschen Politik zu machen. Wir haben durch unsere Arbeit einen wichtigen Anteil daran, wie der schleswig-holsteinische Teil der Welt morgen aussehen wird. Wie wir unsere politische Arbeit gestalten, wie wir sie vermitteln, trägt erheblich dazu bei, dass sich Bürgerinnen und Bürger ermuntert fühlen werden, sich aktiv am politischen Geschehen zu beteiligen. Wir wollen gemeinsam Politik nicht nur für die Menschen, sondern vor allem mit den Menschen machen.
Ich habe mich in den letzten Jahren in diesem Amt insbesondere darum bemühen dürfen, Jugendliche und ihre Probleme dort anzusprechen, wo sie sind - in den Schulen, in den Jugendzentren, in den Verbänden oder auch hier im Landeshaus durch vielfältige Veranstaltungen und Veranstaltungsformen. Ich will in den kommenden Jahren in diesem Bemühen nicht nachlassen. Wir als Abgeordnete müssen einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, den Faden zwischen Jugend und Politik wieder stärker zu knüpfen. Wir müssen ein Stück gehen, aber auch die Jugendlichen müssen sich ein Stück auf Politik zubewegen. Gehe jeder seinen Schritt, dann kommen wir dem Ziel näher!
Ich hoffe und weiß zugleich, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mich in meinen Bemühungen unterstützen, die Aufgaben, die mir jetzt als Präsident durch Sie wieder auferlegt worden sind, vorbildlich zu erfüllen. Ich will das gern tun. Ich kann das aber nur mit Ihnen tun und an diese Mithilfe appelliere ich.
Ich werde die Verpflichtung in der Weise vornehmen, dass ich zunächst für alle Abgeordneten die Eidesformel spreche. Ich bitte Sie, anschließend einzeln zur Bekräftigung der Verpflichtung durch Handschlag nach vorn zu kommen. Ferner bitte ich Sie - soweit
noch nicht geschehen -, die Eidesleistung durch Ihre Unterschrift auf dem Ihnen zugegangenen Formular zu bestätigen. Dies kann mit oder ohne religiöse Beteuerung geschehen. Ich spreche Ihnen die Eidesformel vor.