Protocol of the Session on December 13, 2019

Sie müssen sich schon entscheiden. Auf der einen Seite sagen Sie, dass in Rheinland-Pfalz 22.000 Kinder Sprachförderung bekommen. Das sind übrigens knapp 16 % der Kinder im Grundschulbereich. Das sei viel zu viel. Auf der anderen Seite sagen Sie dann drei Sätze später, dass wir eigentlich viel zu wenig tun. Ich finde es gut, dass es eine individuelle Förderung für alle Kinder gibt, die die

brauchen. Das sind nicht immer nur die, die man vielleicht als allererste im Blick hat. Es sind nicht nur Kinder aus Flüchtlingsfamilien, es sind nicht nur Kinder aus Migrationsfamilien, sondern es gibt auch sehr viele Kinder, die diese Hintergründe im Elternhaus nicht haben, aber die dennoch einen individuellen Sprachförderbedarf haben. Es ist gut, dass auf den eingegangen wird.

Dann fordern Sie Sprachstandserhebungen an unseren Kitas. Die gibt es doch schon längst. Wir haben eine Sprachstandserhebung, eine Sprachstandsdokumentation zu jedem einzelnen Kind an unseren Kitas. Herr Barth, an anderer Stelle betont die CDU immer, wie erfolgreich Bayern in der Bildungspolitik sei. Bei diesen Sprachstandserhebungen orientiert man sich an dem Modell des Bayerischen Staatsinstituts für Frühpädagogik. Das ist also durchaus eine qualitätsvolle Sprachstandserhebung, die schon sehr, sehr früh eine individuelle Sprachförderung dort möglich macht, wo sie notwendig ist.

Dann haben Sie angesprochen, es müsste Tests und Überprüfungen bei Kindern geben, die nicht in der Kita waren und in die Grundschule kommen. Zum einen sei Ihnen einmal gesagt, dass das dank der Beitragsfreiheit der Kitas nicht einmal 1 % unserer Kinder in Rheinland-Pfalz betrifft. Das ist ein großer Erfolg der Bildungspolitik dieser Landesregierung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zum anderen muss ich Ihnen aber die Grundschulordnung vorlesen. Da steht in § 11 ganz eindeutig, dass Kinder, die nicht den Kindergarten besucht haben, sehr wohl eine Sprachstandserhebung an der Grundschule machen müssen. Wenn sie die Entwicklung für die Schulfähigkeit nicht haben, dann wird eine Sprachförderung, ein Kita-Besuch empfohlen. Die Schule ist nach unserer Schulordnung sogar in der Lage, den im Zweifel anzuordnen.

Sie müssen also schon, wenn Sie sich hier vorne hinstellen und über Bildungspolitik reden, vorher Ihre Hausaufgaben erledigen, liebe CDU.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Das Einzige, was Sie kritisiert haben, ist, dass die gute Sprachförderung, die wir individuell an den Schulen und in den Kindergärten in Rheinland-Pfalz machen, noch stärker erfolgen sollte. Das war der Hauptkritikpunkt Ihrer Ausführungen. Ich denke, das ist von der Opposition schon fast ein Lob.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Da haben Sie nicht zugehört!)

Wir haben die unterschiedlichsten Maßnahmen, wie Deutsch-Intensivkurse und Sprachfördermaßnahmen. Ich will das gerne im Einzelnen ausführen. Wir haben darüber hinaus im Integrationsbereich Feriensprachkurse, die wir noch einmal deutlich aufgestockt haben, die Hausaufgabenhilfe und den so wichtigen Herkunftssprachenunterricht für die Kinder, die eine andere Muttersprache als die deutsche Sprache haben, damit sie dann mit Deutsch als Zweitsprache darauf aufbauend Deutsch lernen können.

Herr Frisch von der AfD meldet sich. Ich weiß, dass er das nie verstehen wird.

All das zeigt, ja, es ist ein ganz wesentlicher Punkt. Sprache ist der Schlüssel zur Bildung, da haben Sie vollkommen recht. Deswegen gibt es auch kaum etwas Wichtigeres als die Sprachförderung, die wir machen.

Das Ergebnis können Sie aber anhand des Bildungsmonitors 2019 feststellen. Rheinland-Pfalz ist laut Bildungsmonitor im Bildungsbereich Spitzenreiter bei der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, und wir sind die Besten, wenn es darum geht, Bildungsergebnisse von der sozialen Herkunft zu entkoppeln. Dieses Ergebnis ist für uns Ansporn, daran noch weiter zu arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen zwei Wortmeldungen für Kurzinterventionen vor. Zunächst ist der Kollege Barth an der Reihe. Dann folgt der Kollege Frisch.

Liebe Herr Köbler, weil Sie mir indirekt vorgeworfen haben, ich würde von Dingen erzählen, von denen ich keine Ahnung habe, will ich eine Sache klarstellen: Wenn wir zwei uns hier vorne über Bildung streiten, ist es gut, dass wir das tun. Das machen wir aber aus völlig verschiedenen Sichtweisen. Da sind wir ziemlich unterschiedlich. Während Sie hier vorne beim Thema „Bildung“ aus den Tiefen der bildungsideologischen Theorien philosophieren, bin ich jemand, der aus den Weiten der bildungspragmatischen Praxis berichten kann. Das gilt für mich ebenso wie für die Kollegin Lerch. Das will ich einmal gesagt haben.

(Beifall der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD)

Jetzt hat der Abgeordnete der AfD-Fraktion Frisch das Wort.

(Unruhe im Hause)

Herr Frisch, beginnen Sie bitte!

Herr Kollege Köbler, ich sehe meine Aufgabe nicht darin, die CDU-Fraktion zu verteidigen, aber das, was Sie festgestellt haben, ist so nicht zutreffend. Sie beschreiben es als Widerspruch, einerseits einen steigenden Bedarf an Sprachförderung zu beklagen und andererseits zu fordern, man müsse mehr in dieser Sache tun. Ich halte das keineswegs für einen Widerspruch. Man kann doch zunächst

einmal kritisch anmerken, dass wir immer mehr Bedarf bei den Schülern haben.

Dafür, dass das so ist, ist insbesondere eine grüne Politik mit verantwortlich bzw. eine Politik, die von nahezu allen etablierten Parteien getragen wird, nämlich einmal in Bezug auf die Einwanderung – die hat uns diese Problematik letzten Endes beschert – und zum anderen im Hinblick auf eine verfehlte Familienpolitik, die immer weniger Zeit von Eltern und Kindern in der Familie ermöglicht. Da wird dann natürlich auch Sprache nicht mehr in dem Maße gelernt und vermittelt, wie das notwendig wäre.

(Beifall der AfD – Zurufe der Abg. Kathrin Anklam-Trapp und Alexander Schweitzer, SPD)

Das heißt, Sie haben diese Probleme in unserem Land wesentlich mit verursacht.

Jetzt kommen wir zum zweiten Punkt. Natürlich können wir nicht die Kinder darunter leiden lassen. Deshalb kann man beides tun. Man kann sagen, es ist fatal, dass hier eine Entwicklung gefördert worden ist, die dazu führt, dass wir immer mehr Sprachdefizite haben. Den Kindern wollen wir aber natürlich in dieser Situation helfen. Deshalb müssen wir punktuell mehr dafür tun, damit sie trotz dieser Probleme, für die Sie mit verantwortlich sind, Gelegenheit haben, die Sprache ausreichend zu lernen.

(Beifall der AfD)

Allerdings – das ist dann vielleicht der Unterschied zur CDU-Fraktion – sind wir der Auffassung, dass es nicht damit getan ist, einfach nur mehr Geld ins Systems zu geben, sondern man muss das auch richtig und klug machen.

(Glocke der Präsidentin)

Entschuldigung, Herr Frisch, Sie wissen, dass Sie auf Herrn Köbler antworten müssen.

Ja, Frau Präsidentin.

(Beifall der AfD)

Ich sage Ihnen das noch einmal im Hinblick auf die Geschäftsordnung. Eine Kurzintervention kann sich immer nur auf den Vorredner beziehen.

(Zurufe von der AfD)

Auf den Vorredner Köbler.

Herr Köbler hat die Gelegenheit für eine Erwiderung.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Kollege

Barth, ich weiß, Sie sind Lehrer. Ich würde niemals Ihre pädagogische Kompetenz infrage stellen. Das ist gar nicht der Punkt. Ich erwarte aber schon, dass Sie dann, wenn Sie hier Forderungen erheben, vorher einmal die Grundschulordnung lesen und nicht etwas fordern, was es nach unserer Grundschulordnung schon längst gibt.

Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte irgendwie die falsche Perspektive auf die Dinge. Das ist Ihr gutes Recht. Ich will Ihnen nur sagen, was meine Perspektive ist, wenn wir über Bildungspolitik reden. Zuallererst gilt es doch, die Perspektive der Kinder und Jugendlichen einzunehmen, die unsere Zukunft sind und für die wir die ganze Bildungspolitik machen. Das ist die Perspektive, von der ich aus versuche, unsere Position in der Bildungspolitik hier darzustellen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Ich erteile der fraktionslosen Abgeordneten Bublies-Leifert das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion heißt es: Ebenso wichtig wie das Erlernen der deutschen Sprache sei zum Beispiel die Stärkung der Herkunftssprache; denn Mehrsprachigkeit sei eine bedeutende Ressource. – Das ist natürlich richtig und unterstützenswert.

Bekannt ist seit Langem, Kinder mit Migrationshintergrund haben es mit Barrieren auf den unterschiedlichsten Ebenen schulischer Bildung zu tun. Indem jedoch frühzeitig Begabungen erkannt und gefördert werden, können gleichzeitig diese Barrieren überwunden und Benachteiligungen schon im Ansatz vermieden werden. Die Voraussetzungen hierbei sind natürlich, dass Migrantenkinder ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache möglichst früh erwerben können und dieses natürlich auch mit Nachdruck tun sollten.

Fakt ist jedoch, dass wir hierfür eine große Anzahl speziell ausgebildeter Lehrkräfte brauchen, die ihrer Leistung entsprechend entlohnt werden müssen, und zwar in einer Festanstellung. Speziell in Rheinland-Pfalz werden junge Lehrerinnen und Lehrer nämlich zunächst vor allem als Vertretungskräfte eingestellt.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Das haben wir doch geändert!)

Wir haben aber trotzdem die Fluktuation in andere Bundesländer.

In diesem Zusammenhang sollte außerdem zum einen ein ganz klarer Augenmerk auf Kinder von Zuwanderern gelegt werden, die seit mehreren Generationen in Deutschland leben, aber in deren Elternhaus bislang kaum Deutsch gesprochen wird sowie in dem der Kontakt zu Kindern anderer Nationalitäten oft eher gering ist und in dem die Teilnahme an der vorschulischen Sprachförderung gar nicht

oder nur sporadisch stattfindet. Solche Maßnahmen verhindern nämlich die weitere Bildung migrantischer Ghettos.

Zum anderen gibt es dann auch die Schüler mit Migrationshintergrund, die als Seiteneinsteiger ohne jegliche deutsche Sprachkenntnisse – zumeist sogar während des laufenden Schuljahrs – direkt aus ihrem Heimatland an unsere Schulen kommen, die sich irgendwie zurechtfinden und sogar erstaunlich gut mit der Situation klarkommen. Hier möchte ich eine Erfolgsgeschichte erwähnen. Das sind nämlich die chinesischen Familien im Kreis Birkenfeld, deren Kinder und Jugendliche fast ohne Kenntnisse der deutschen Sprache nach Deutschland kommen und innerhalb kurzer Zeit sogar ein Einser-Abitur ablegen.