1. Handelt es sich bei dieser Aussage um die abgestimmte Haltung der Landesregierung? Ich verweise auf den Vorlauf der Mündlichen Anfrage.
2. Welche Elemente des Planungsrechts führen nach Ansicht der Landesregierung zu den kritisierten Verzögerungen?
3. Welche Verfahrensschritte und Beteiligungsrechte beim derzeitigen Planungsrecht sollten nach Einschätzung der Landesregierung gestrichen oder reduziert werden?
4. Welche konkreten Maßnahmen – das Wort „konkret“ bezieht sich insbesondere auch auf die anderen Fragen –, zum Beispiel Bundesratsinitiativen, strebt die Landesregierung an, um die von ihr für notwendig erachtete Entbürokratisierung des Planungsrechts voranzubringen?
es ist mittlerweile im Infrastrukturbereich in aller Munde. Das Bundesverkehrsministerium hat im Jahr 2017 ein eigenes Strategiepapier dazu erstellt. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zu Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung sogar verpflichtet. Auch die Europäi
sche Union will vor Projekten im Bereich transeuropäischer Netze einfachere Entscheidungswege in den Mitgliedstaaten einführen.
Um die Infrastruktur für die Zukunft zu erhalten und an den erforderlichen Stellen noch auszubauen, brauchen wir in Deutschland schnellere Verfahren. Das kann aus meiner Sicht nur durch eine Entbürokratisierung geschehen.
Zu Frage 1: Angesichts der umfangreichen erstellten Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren und angesichts des langwierigen Klageverfahrens für die zweite Rheinbrücke bei Wörth möchte ich als Verkehrsminister des Landes noch einmal auf die Thematik aufmerksam machen. Auch die Landesregierung sieht es als erforderlich an, das Planungsrecht im Sinne einer Verkürzung der Zeiträume vom Planungsbeginn bis zur Fertigstellung zu reformieren bzw. zu entbürokratisieren. Dies kann nur der Wunsch aller Beteiligten sein, wenn man die Herausforderungen im Bereich der Infrastruktur in den nächsten Jahrzehnten bewältigen will.
Zu Frage 2: Ein wesentliches Element ist das hohe Prüferfordernis bei Großprojekten und der damit verbundene hohe Aufwand an Gutachten und zu erstellenden Unterlagen. Dabei werden ein hoher Detaillierungsgrad erreicht und ein Umfang an Daten und Grundlagen ermittelt und dargelegt, die den einzelnen Bürger völlig überfordern und selbst Gerichte an die Grenzen des Machbaren bringen. Das ist nach meiner Meinung dem deutschen Verwaltungsrecht mit seinem hohen Anspruch an der Aufklärung des genauen Sachverhalts geschuldet, aber es liegt auch an der Fülle von europäischen Vorschriften und Richtlinien, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen.
Zu Frage 3: Man könnte durch die Zusammenlegung der Raumordnung mit dem Planfeststellungsverfahren eine Beschleunigung erreichen.
Dabei soll im Interesse bestmöglicher Entscheidungsfindung jedoch nicht auf die Alternativbetrachtung verzichtet werden. Ebenso wäre es wichtig, dass im Falle von Ersatzneubauten – ich hatte es vorhin schon erwähnt – insbesondere bei Brücken das dafür erforderliche Baurechtsverfahren erheblich vereinfacht würde.
Grundlegend wäre aber, dass insgesamt eine Entbürokratisierung des deutschen Verwaltungsrechts erfolgen müsste. Das sollte dazu führen, dass die Behörden die formalen und materiellen Anforderungen an die Verfahren erfüllen, aber nicht im Bereich der Sachverhaltsaufklärung wissenschaftliche Dispute führen müssen. Wir müssen, wie bereits am Anfang dargelegt, zu einer überschaubaren und zumutbaren Erhebung der entscheidungsrelevanten Daten und Fakten gelangen, die rechtlich, aber auch volkswirtschaftlich noch vertretbar ist.
Zu Frage 4: Einen konkreten Beitrag zur Planungsbeschleunigung im Infrastrukturbereich kann die Landesregierung insbesondere auch durch Bereitstellung des erforderlichen Personals und der Finanzmittel zur Beauftragung
von mehr, aber entsprechend qualifizierten Ingenieurbüros leisten. Das tun wir auch bereits durch die Bewilligung von zusätzlichen Ingenieur- und Technikerstellen. Weiterhin stellt die Landesregierung durch den Landesbetrieb Mobilität mehr Finanzmittel zur Beauftragung von Ingenieurbüros bereit.
Maßnahmen zur Entbürokratisierung des Planungsrechts fordert die Landesregierung bei der Bundesregierung ein. Dazu müsste die Bundesregierung mit der Europäischen Union in einen Dialog treten, um die Anforderungen an ein Genehmigungsverfahren auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren, unter Wahrung der rechtlichen Anforderungen. Rheinland-Pfalz wird die Bundesregierung dabei unterstützen.
Ich möchte auch sagen, dass ich persönlich bei der EUKommission bereits vorgesprochen habe und dort bei der Generaldirektion Mobilität und Verkehr, also GD MOVE, vorgetragen habe, unter welchen Restriktionen und Planungskomplikationen wir in Deutschland leiden. Ich war froh, dort ein offenes Ohr zu finden. Ich hoffe, dass die Bundesregierung diese notwendigen Vereinfachungen auf europäischer Ebene ebenso bei der EU-Kommission einfordert.
Herr Minister, ich möchte auf eines Ihrer Zitate in der RheinZeitung im September 2018 zu sprechen kommen. Sie fordern Planungsvereinfachungen. Können Sie bitte aufzählen, welche Eingaben Sie im Bundesrat seitdem gemacht haben, mit welchem Inhalt, zu welchem Zeitpunkt, und welche weiteren Anträge und Vorschläge Sie sehr konkret in den nächsten Tagen vorhaben einzuspeisen?
Herr Kollege Baldauf, die Verkehrsminister tagen zweimal im Jahr. Das Thema der Planungsbeschleunigung findet dort unter Beteiligung des Landes Rheinland-Pfalz regelmäßig Eingang in die Diskussionen.
Ich bin, wie ich soeben gesagt habe, selbst bei der EUKommission vorstellig und fordere dort die Dinge ein. Auch im Gespräch mit dem Bundesverkehrsminister tragen wir diese Dinge vor.
Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir dort vorankommen. Wir haben allerdings eine große Kontroverse in Deutschland in diesen Fragen. Deswegen erwarte ich, dass die Bundesregierung einen Vorschlag macht. Sie wird dabei vom Land Rheinland-Pfalz unterstützt.
Eine Bundesratsinitiative aus der Hüfte zu schießen in der Situation, in der wir sehr komplex diskutieren, halte ich für sehr schwierig. Ich will Ihnen aber auch klar sagen, dass ein wesentlicher Teil der Auflagen, die wir bei dem Planverfahren haben, von europäischer Ebene kommt und
deswegen dort angesetzt werden muss. Ich werde jeden Vorstoß, den die Bundesregierung macht, konstruktiv prüfen und begleiten.
Herr Minister, ich komme noch einmal zu den freiwilligen zusätzlichen Planungsschritten wie dem Faktencheck, der ganz konkret von der Landesregierung mit eingeschoben wurde und zu erheblichen Verzögerungen geführt hat. War in der Retrospektive dieser Planungsschritt, auch im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf, erfolgreich?
Bezogen auf die Planungen der zweiten Rheinbrücke in Wörth können wir jedenfalls sagen, dass diese Planungen erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Die genauen Auswirkungen dieses Faktenchecks auf das Verfahren kann ich aus dem Stehgreif nicht beurteilen.
Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Minister, Sie sprachen bei dem Punkt der Planungsbeschleunigung davon, dass man über eine Zusammenlegung von Raumordnungsverfahren und Planfeststellungsverfahren nachdenken würde. Ähnliche Diskussionen gab es auch in der EnqueteKommission zur Bürgerbeteiligung in der letzten Legislaturperiode. Es gibt auch Vorschläge des BUND e. V., was eine Planungsbeschleunigung angeht.
Von Ihnen würde ich gern in diesem Zusammenhang wissen, wie Sie sich die Bürgerbeteiligung vorstellen. Meiner Ansicht nach müsste sie dann auch früher als im jetzigen Verfahren einsetzen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in die Debatten um Infrastrukturprojekte, insbesondere wenn es sich um größere Projekte handelt, in Deutschland einen Frieden hereinbekommen, wenn wir die Bevölkerung zurückdrängen. Die Bevölkerung muss die Möglichkeit haben, ihre Anliegen vorzubringen. Auch die Umweltverbände müssen die Möglichkeiten haben, ihre Anliegen vorzubringen.
Ein konstruktives Miteinander besteht für mich darin, dass Einwände der Bürgerinnen und Bürger frühzeitig mitgeteilt werden können, damit sie in den Abwägungsprozess einfließen und wir auch argumentieren können. Wenn wir nach Abschluss der Planungen mit Bürgerinteressen konfrontiert werden, die wir nicht berücksichtigen konnten, weil wir sie vielleicht übersehen haben oder sie uns nicht vorgetragen worden sind, dann ist es ganz schwer, am Ende Akzeptanz zu erlangen.
Das Gleiche gilt auch für Umweltbelange. Umweltbelange, die wir nicht kennen – wir haben sehr kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber es gibt noch eine spezifische Kompetenz auf anderer Seite, etwa bei den Umweltverbänden –, können wir nicht berücksichtigen. Deswegen bin ich generell der Meinung, dass diese Belange frühzeitig vorgetragen werden sollen, damit wir die Chance haben, sie zu berücksichtigen. Wir arbeiten nicht gegen Umweltinteressen oder gegen Bürgerinteressen, sondern wir wollen einen Ausgleich zwischen Umwelt- und Bürgerinteressen und den notwendigen Bedürfnissen nach Infrastrukturausbau schaffen.
Deswegen bin ich offen dafür, frühere Beteiligungsverfahren zu implementieren, allerdings nur dann, wenn wir am Ende Stichtage haben, an denen wir sagen, bis dahin muss alles vorgetragen sein; denn unsere Rechtsordnung kennt einerseits Beteiligungsprozesse, andererseits aber auch das Instrument des Rechtsfriedens und der Rechtsklarheit. Irgendwann muss auch entschieden werden. Ich finde, dass in manchen Fällen der Eindruck entsteht, dass bewusst Belange erst sehr spät vorgetragen werden, um Verfahren in die Länge zu ziehen.
(Beifall der Abg. Martin Brandl und Alexander Licht, CDU – Abg. Martin Brandl, CDU: Man muss ihn ja unterstützen, wo er recht hat!)
Das wirkt jedenfalls latent missbräuchlich. Das ist auch kein schützenswertes Interesse. Ich finde, darüber muss man offen reden. Das wünsche ich mir. Wir tun das auch in der Verkehrsministerkonferenz; denn wenn jemand persönlich gegen ein Infrastrukturprojekt ist, darf er das sein. Aber dann sollte man nicht Verfahrensvorschriften nutzen, um es so lange wie möglich zu verhindern. Am Ende müssen wir mehrheitlich in den Parlamenten und den Regierungen entscheiden, was wir ausbauen und was wir nicht ausbauen.
Man wird nicht allen Belangen zu 100 % Rechnung tragen können. Insofern glaube ich, es ist wichtig, dass irgendwann eine Entscheidungsreife eintritt, dies aber – ich sage es noch einmal – nicht mit dem Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern oder auch den Umweltverbänden die Möglichkeit zu nehmen, ihre berechtigten Interessen umfassend vortragen zu können.
Mir liegen jetzt noch vier weitere Zusatzfragen vor. Danach betrachte ich die Mündliche Anfrage als beantwortet. – Zunächst eine Zusatzfrage des Kollege Licht für die Fraktion der CDU.
Herr Minister, Sie haben für mich sehr eindrucksvoll dargelegt, dass Sie alle Bemühungen der Bundesregierung hinsichtlich der Entbürokratisierung des Planungsrechts, gegenüber der EU und in welche Richtung auch immer, unterstützen.
Können Sie berichten, mit welchen Abstimmungsgesprächen Sie dies mit Ihrem Koalitionspartner, den Grünen, konform geregelt haben?
Wir hatten vor noch nicht allzulanger Zeit einen nicht sehr umfassenden und auch nicht sehr weitgehenden Vorstoß der Bundesebene im Bundesrat zur Planungsbeschleunigung. Dazu haben wir uns natürlich abgestimmt. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem auch zugestimmt.
Herr Minister, Sie haben gesagt – dem würde ich zustimmen –, Sie wünschen sich gerade bei den Ersatzbauten eine Erleichterung des Baurechts. Meine Frage ist: Soll der Ersatzbau nach Ihrer Vorstellung trotzdem die aktuellen Standards erfüllen? Wenn er das soll, welche Baurechtsvereinfachungen sehen Sie bei Verfahren und Ausführung?
Selbstverständlich muss ein Ersatzneubau immer dem technisch neuesten Stand genügen. Das ist im Übrigen etwas, was wir in laufenden Planungsverfahren immer wieder berücksichtigen. Wenn wir neue Erkenntnisse aus der Ingenieurwissenschaft haben, wie wir eine Brücke oder eine Straße nach noch höheren Sicherheitsstandards bauen können, als wir das zu Planungsbeginn wussten, dann passen wir es selbstverständlich an.