Protocol of the Session on November 14, 2019

Nun zum Thema „Infrastrukturbeschleunigungsplanung“: Diese langjährigen Prozesse wären vielleicht nicht nötig gewesen, wenn tatsächlich beispielsweise das Land von vornherein gesehen hätte, aha, da ist ein FFH-Gebiet, und dort planen wir lieber nicht. Natürlich kann man sich dagegen gerichtlich wehren. Ich brauche mir von Ihnen nicht anhören, dass ich irgendetwas gemacht hätte, was wider der Gesellschaft gelaufen wäre.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema „Infrastrukturplanung“: Es gibt gute Vorschläge des BUND, auch Infrastrukturplanung zu beschleunigen.

(Glocke der Präsidentin)

Das gilt auch für Zugstrecken, für Radwege oder für Windkraft. Wir können gern darüber reden.

(Zuruf des Abg. Michael Billen, CDU)

Mit einer frühen Bürgerbeteiligung können wir mehr gewinnen als mit langen Prozessen. Da stimme ich Ihnen zu.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit haben wir das dritte Thema der Aktuellen Debatte beendet.

Wir treten in die Mittagspause ein. Ich schlage vor, wir treffen uns um 14.15 Uhr wieder – wir haben jetzt ein bisschen überzogen – und setzen dann die Debatte fort.

U n t e r b r e c h u n g d e r S i t z u n g : 1 3 : 1 5 U h r

W i e d e r b e g i n n d e r S i t z u n g : 1 4 : 1 7 U h r

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fahren in der Sitzung fort mit Punkt 12 der Tagesordnung:

30 Jahre Mauerfall – Verhältnis der Landesregierung zu Opfern der kommunistischen Gewaltherrschaft Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der AfD und Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der AfD

Drucksachen 17/9457/9661/10295 –

Für die antragstellende Fraktion spricht der Abgeordnete Schmidt.

Herr Präsident, werte Kollegen, liebe Frau Lerch! Nachdem die letzte Debatte zur Großen Anfrage unserer AfDFraktion anlässlich des 30. Jahrestags des Mauerfalls abrupt, letztlich aber zum Glück ohne schwerwiegende Folgen abgebrochen werden musste, möchte ich nun dort anknüpfen, wo ich am 23. Oktober aufgehört habe.

In meinen Ausführungen war deutlich geworden, dass die rheinland-pfälzische Staatskanzlei anlässlich des besonderen Jahrestags am 9. November keinerlei eigene Veranstaltungen geplant und durchgeführt hat. Das, obwohl zwischen Januar 1950 und September 1990 rund 200.000 Übersiedler und innerdeutsche Flüchtlinge nach Rheinland-Pfalz gekommen waren. Zur Begründung musste der Hinweis herhalten, dass unser Bundesland kein innerdeutsches Grenzland gewesen sei.

Geht uns also, so frage ich Sie, der Mauerfall und die durch diesen ermöglichte Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten weniger etwas an als die Bundesländer Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt, Hessen, Thüringen oder Bayern? Ganz sicherlich nicht.

Warum trat die rot-grün-gelbe Landesregierung in diesem Jahr nicht gezielt an Verbände wie die Vereinigung der Opfer des Stalinismus oder die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft heran, um mit diesen gemeinsam größere öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zur Würdigung des Schicksals der Kommunismusopfer in der DDR durchzuführen?

(Abg. Michael Frisch, AfD: Sehr richtig!)

Es spricht leider vieles dafür, dass es der Regierung Dreyer an Empathie für diese von linkem Totalitarismus zeugenden Landsleute mangelt.

(Beifall der AfD)

Apropos Empathie, die SPD-Fraktion in Person von Frau Klinkel begann ihren Debattenbeitrag am 23. Oktober mit der Unterstellung, ausgerechnet wir als AfD würden uns – ich zitiere –: nicht wirklich für DDR-Flüchtlinge interessieren. – Oder sollte ich

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Stimmt ja auch!)

an dieser Stelle im Sinne der mutmaßlichen klinkelschen Gedankengänge von „DDR-Migranten“ sprechen? Die letzten Sätze im dann so plötzlich endenden jüngsten Plenum liefen offensichtlich auf völlig unpassende Parallelisierungen hinaus. Die innerdeutsche Fluchtbewegung von Ost nach West von vor 30 Jahren und vorher soll in Zusammenhang gebracht werden mit den aktuellen, überwiegend wirtschaftlich motivierten Migrationsströmen aus zumeist fremden Kulturkreisen.

Tatsächlich aber sollten all jene, die auf die einzigartige Friedliche Revolution von 1989 Bezug nehmen, anderes ins Bewusstsein rücken, nämlich vor allem die Erinnerung an das allen Systemgrenzen zum Trotz fortbestehende kulturgeschichtliche Zusammengehörigkeitsgefühl aller Deutschen.

(Beifall der AfD)

Außerdem darf in diesem Zusammenhang vom Unrechtscharakter der kommunistischen SED-Herrschaft nicht geschwiegen werden, nicht von Bautzen, nicht von BerlinHohenschönhausen, nicht vom gigantischen Spitzelapparat der Stasi, nicht vom 17. Juni 1953 oder vom 13. August 1961, nicht von den insgesamt 270 nachgewiesenen Mauertoten und auch nicht von den unzähligen, weniger augenfälligen Repressionen gegen andersdenkende und freiheitsliebende Landsleute im Osten.

(Abg. Michael Frisch, AfD: So ist es!)

Doch längst trifft man auf immer weiter um sich greifende Verharmlosungen dieser jüngsten totalitären Hinterlassenschaften in Deutschland. Deshalb treten wir mit aller Entschiedenheit für einen Ausbau der Zeitzeugenprogramme, auch und gerade im Hinblick auf das historische Erbe der sozialistischen SED-Diktatur ein. Wir als AfD werden nicht hinnehmen, dass das Ende der DDR und die Friedliche Revolution im Osten unseres Vaterlandes auf fast historisch absurde Weise linksideologisch instrumentalisiert werden.

Hierzu möchte ich den Publizisten Michael Klonovsky zitieren, der anlässlich einer Veranstaltung der rheinlandpfälzischen AfD-Fraktion am 30. Oktober im Abgeordnetenhaus unseres Landtages wörtlich ausführte: Die neue historische Erzählung, die Sie in nahezu sämtlichen Medien hören und lesen können, lautet: Im Herbst 1989 gingen die Menschen für Weltoffenheit und gegen Abschottung auf die Straße.

Grenzen sind schlimm, und die Rechtspopulisten wollen heute wieder Mauern bauen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Ja, das ist doch so!)

So wie des Nachts alle Katzen grau sind, wurden im Zwielicht dieses neuen Narrativs alle Grenzen gleich. Die Tagesschau brachte es am 13. August fertig, den Stacheldrahtverhau um Honeckers Staatsgatter, an dem es, wenn Du von drinnen ins Freie wolltest, den Fangschuss setzte, in einem Atemzug mit der israelischen Grenze und der amerikanischen Grenze zu Mexiko zu nennen,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Hört, hört!)

also zwei Grenzen, mit denen Staaten ihr Hoheitsgebiet vor illegaler Einwanderung, Kriminalität und – was Israel betrifft – vor Terrorismus schützen. Diese lustigen Gesellen vom Staatsfunk wollen uns also einreden, dass es keinen Unterschied gibt zwischen einem Menschen, der seine Haustür abschließt, um selbst zu entscheiden, wen er hineinlässt, und einem anderen Menschen, der jemanden in seinem Haus gefangen hält. –

(Beifall der AfD)

Als Zeitzeuge, der im Westteil unserer geteilten Hauptstadt geboren wurde und im Raum Braunschweig unmittelbar mit den Wunden der jahrzehntelangen Teilung aufgewachsen ist, empören mich derartige absurde Verdrehungen. Nicht zuletzt aus dem persönlichen Miterleben der Friedlichen Revolution am 10. und 11. November vor Ort in Berlin, unter anderem eine ganze Nacht lang auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor, weiß ich genau, worum es damals ging: nämlich vor allem um Freiheit, Recht und Einigkeit.

(Beifall der AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: So ist es!)

Für diese Werte hat sich nicht nur der 1848er und Dichter unserer Nationalhymne, Hoffmann von Fallersleben, mit aller Kraft eingesetzt. Für sie gingen auch jene Hunderttausende mutige Demonstranten auf die Straße und bewirkten entscheidend das Ende der kommunistischen Herrschaft und die Wiedervereinigung Deutschlands.

Wir beantragen die Überweisung dieser Besprechung der Großen Anfrage an den Ausschuss.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das können Sie vergessen!)

Ich möchte schließen mit einem Zitat aus einer Kolumne von Milosz Matuschek unter der Überschrift „Vorsicht, der Geist der DDR lebt immer noch“, erschienen in der Neuen Zürcher Zeitung am 12. November 2019 – ich zitiere –:

(Glocke des Präsidenten)

„Es ist erschreckend zu sehen,“ – ich komme zum Ende – „wie viel vom Geist der DDR sich heute wieder breitmacht, als wären die Grenzen und Schranken von der materiellen Aussenwelt nun in die ideelle Innenwelt verschoben worden.“

Vielen Dank.

(Beifall der AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: Sehr gut!)

Die Abgeordnete Klinkel hat das Wort für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, das „klinkelsche Gedankengut“ ist das Gedankengut einer Historikerin, die das ganz gut einordnen kann, vor allem auch das, was Sie in der letzten Plenarrunde hier von sich gelassen haben.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: So ist das nämlich! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Was ist das für ein Umgang? „Von sich gelassen“! Abwertend!)