Protocol of the Session on January 30, 2013

Also ist Ihre Forderung im Prinzip doch eine Forderung der Umverteilung nicht nur innerhalb Europas, sondern auch ganz konkret in Deutschland von unten nach oben und deswegen ein unsozialer wirtschafts- und fiskalpolitischer Ansatz, den Sie hier gerade vorgetragen haben.

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sie kommen aus dem Tal der Ahnungslosen!)

Jetzt kann man – ich spreche ja für die Koalition – unterschiedlicher Meinung sein. Ich persönlich finde, dass Mario Draghi das in der Situation mit seiner Fiskalpolitik sehr richtig macht. Da gibt es aber auch andere Meinungen, das will ich gar nicht bestreiten. Aber wissen Sie, warum er das macht? Er macht es doch deswegen, weil Europa nicht die Kraft hat für eine kohärente und abgestimmte strategische gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Das lernt man im ersten Semester VWL, dass sozusagen ohne eine abgestimmte Wirtschafts- und Fiskalpolitik eine entsprechende Steuerung kaum möglich ist.

Weil Europa nicht die Kraft gehabt hat, bei der Griechenlandrettung auf der einen Seite in die Selbstbestimmung der griechischen Haushaltspolitik reinzureden, was richtig war angesichts dessen, wie die das die ganze Zeit gemacht haben, aber auf der anderen Seite nicht eine sozusagen gesamteuropäische Verantwortung übernommen hat, ohne auch entsprechende Investitionen in hohem Maße auslösen zu können, deswegen ist die EZB, die übrigens eine unabhängige Institution ist, die Sie hier bevormunden wollen, hingegangen und hat diese Niedrigzinspolitik gemacht, um eben Europa, die europäische Wirtschaft

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Europa schadet!)

und damit letztlich auch den Wirtschaftsstandort Deutschland in einer halbwegs vertretbaren konjunkturellen Lage zu halten. Wissen Sie, warum Europa nicht die Kraft hatte? Weil Populisten wie Sie in ganz Europa rumlaufen und alles immer auf Europa schieben,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sie verkehren Wirkung und Ursache!)

anstatt das zu tun, was wir bräuchten, mehr Europa, mehr Solidarität, mehr gemeinsame Verantwortung. Das führt dann auch – das hat die Geschichte gezeigt – zu mehr Wirtschaftskraft in ganz Europa. Die Briten wissen jetzt, was ich meine.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Abgeordnete Joa von der Fraktion der AfD gemeldet. Bitte schön, Herr Joa.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen und sehr geehrter Herr Köbler! Also, ich bin weitgehend sprachlos über eine solche ökonomische Inkompetenz.

(Beifall der AfD)

Sie versuchen immer, das auf die Populismusschiene zu

ziehen. Erkennen Sie doch einmal bestimmte Realitäten und Fakten an. Es ist genau dasselbe Spiel wie bei der Energiewende. Wenn es physikalische Gesetze gibt, behaupten Sie, das sei alles nicht wahr, und stellen alles in Abrede.

Ich möchte jetzt noch einmal zurück zur Niedrigzinspolitik. Es ist doch unbenommen, und es ist doch klar, dass gerade durch Zins- und Zinseszinseffekt die Kleinsparer insbesondere negativ beeinträchtigt werden. Schauen Sie einmal eine Lebensversicherung, die mit einer Verzinsung von 4 % oder 5 % früher einmal gerechnet hatte. Wenn jetzt die Verzinsung erheblich absinkt, dann bekommt der Sparer nach 20 oder 30 Jahren eben nicht 150.000 Euro raus, sondern noch 110.000 Euro oder 115.000 Euro. Das ist Fakt. Das können Sie auch nicht wegdiskutieren.

Und noch einmal zu dem Thema Zentralbank und EU. Wo liegt die Ursache für den Niedrigzins? Die Ursache liegt drin, das wir im EU-Währungsgebiet einen inhomogenen Währungsraum haben und dass wir Länder haben, die in dieses Gefüge gepresst wurden, aber nicht wirklich da hineinpassen. Das ist die Grundursache dafür.

(Beifall der AfD)

Und wenn Sie sagen, Deutschland, die deutsche Wirtschaft profitiert vom Niedrigzins, die deutsche Wirtschaft ist mit die stärkste. Also für uns sind die Zinsen zu niedrig. Andere Südländer könnten aber höhere Zinsen gar nicht verkraften. Jetzt haben wir zwei verschiedene Akteure. Der eine Akteur, den habe ich schon erwähnt, das sind die Bürger, und der andere Akteur, das sind die Staaten. Und es stimmt schon, die Staaten, besonders die Südländer in Europa, ständen beim aktuellen Schuldenstand, wenn die Zinsen sich jetzt stark und steil erhöhen würden, vor dem Kollaps. Das ist richtig, und deswegen wird es auch keine schnelle Zinserhöhung geben. Aber dieses festzustellen und den Bogen zu schlagen, den Sie machen, das wäre irgendwo populistisch und schürt irgendwo Hass oder sonst was, das ist doch absolut dummes Zeug. Erkennen Sie doch einmal die Realität an, und geben Sie auch einmal zu, dass auch andere Fraktionen oder andere Parteien mal die Wahrheit sagen. Sie reagieren da immer mit einem Beißreflex. Sie versuchen, alles wegzudrücken, und das ist, glaube ich, einer Demokratie unwürdig.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Das war die Kurzintervention des Abgeordneten Joa. Als Nächstes hat der Abgeordnete Schreiner das Wort für die Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Schreiner.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfDFraktion, Sie wollen, so wörtlich, die Landesregierung beauftragen, sich gegen die Niedrigzinspolitik der EZB zu wenden. Glauben Sie wirklich, dass ausgerechnet der

größte Profiteur niedriger Zinsen der richtige Adressat für Ihre Forderung ist?

Um es gleich vorwegzunehmen, auch wir sind der Auffassung, dass es seinen Preis haben muss, wenn man sich bei der Bank Geld leiht. Auch wir sind der Auffassung, dass, wenn ich meiner Bank Geld leihe, wenn die Bank mit meinem Geld arbeiten kann, mir dafür eine angemessene Verzinsung zusteht. Kommt dieser einfache Zusammenhang in Unordnung, dann werden unnötige Schulden gemacht, und auch dort, wo noch nicht absehbar ist, ob die Ausgaben, die man sich mit den Schulden glaubt leisten zu können, und die Zinsen und die Tilgung überhaupt langfristig zu refinanzieren sind; denn Schulden zu machen kostet ja augenscheinlich nichts.

Wohin diese niedrigen Zinsen führen, das sieht man eben auch exemplarisch an der Haushaltspolitik der Landesregierung. Anstelle Aufgaben zu hinterfragen und auf diesem Weg sich auf der Ausgabenseite zu konsolidieren, redet man sich die Welt schön, und auf dem Weg hin zum Verbot neuer Schulden ab 2020 steigen derzeit auch die Landesschulden noch kräftig. Während dieser Niedrigzinsphase, die wir erleben, sind die Aufwendungen für den Schuldenberg, der über Jahrzehnte angehäuft worden ist, sogar zeitweise zurückgegangen, obwohl die Schulden in absoluten Zahlen gestiegen sind. Damit hat die Landesregierung aber noch lange nicht nichts für schlechte Zeiten zurückgelegt. Im Gegenteil, es werden fröhlich neue Schulden gemacht zulasten unserer Kinder und Enkel. Man glaubt, man könnte es sich leisten.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und AfD)

Verehrte Kollegen von der AfD, Sie sehen, auch wir warnen vor den Risiken dauerhaft niedriger Zinsen, weil wir dieses schlechte Beispiel vor Augen haben, und trotzdem glauben wir, dass Ihr Antrag in die falsche Richtung geht; denn Geldpolitik ist aus gutem Grund nicht Sache von Politikern, nicht Sache von Parlamenten und nicht Sache von Regierungen.

(Beifall der CDU)

Geldpolitik wird aus gutem Grund in Deutschland und in Europa von unabhängigen Notenbanken bestimmt. Die EZB ist zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger im Euroraum einzig und allein einem Ziel verpflichtet, nämlich der Geldwertstabilität im Euroraum. Dieses Ziel leistet sie; denn eines konnten wir oder können wir auf der Welt immer wieder beobachten: Dort, wo Notenbanken abhängig sind von politischer Beeinflussung, dort, wo Parlamente und Regierungen reinregieren, ist in diesen Volkswirtschaften das Drucken von frischem Geld immer wieder bis heute ein probates Mittel, schlechte Politik von Regierungen, die nicht die Kraft haben, Aufgaben zu begrenzen, in den Augen der Bevölkerung besser erscheinen zu lassen. Das geht in Deutschland und in Europa gerade nicht mehr.

(Beifall der CDU und des Abg. Thomas Roth, FDP)

Gerade die Menschen, die Sie versuchen, mit Ihrem Antrag zu schützen, sind in diesen Volkswirtschaften, in denen Geld gedruckt wird, in denen es eine politische Einfluss

nahme auf die Notenbanken gibt, besonders benachteiligt. Was erwarten wir also von guter Politik? Wir erwarten, dass sie mit gutem Beispiel vorangeht. Wir erwarten, dass sie aufhört, Schulden zu machen, auch wenn es im Moment gerade so aussieht, als wäre es billig.

Ich erwarte, dass Sie mit dem vielen Geld, das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler den Regierungen zur Verfügung stellen, schlicht auskommen, haushalten und damit anfangen, die Schulden, die aufgeführt worden sind, zu tilgen. Wir müssen all diese aufgehäuften Schulden mit Zinsen und Zinseszinsen zurückzahlen. Vielleicht haben wir dann auch irgendwann wieder die Situation, dass eine weitsichtige Landesregierung die Möglichkeit hat, für Unerwartetes Geld auf der hohen Kante zu haben. Das ist ein Anspruch, von dem wir in Rheinland-Pfalz nach 25 Jahren SPD-Ministerpräsidenten weit entfernt sind.

Das wären dann solide Finanzen. Das würde dann die Spielräume auch für eine soziale Fairness ermöglichen. Wenn wir die Schwachen in einer Gesellschaft mit einer soliden Geldpolitik schützen und Lebensperspektiven für die Schwachen in einer Gesellschaft eröffnen wollen, ist eine unabhängige Notenbank ein hohes Gut. Geldpolitik ist bei einer solchen Notenbank viel besser aufgehoben als in den Parlamenten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Für die Landesregierung hat Frau Finanzministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Als Herr Köbler gesprochen hat, hat Herr Bollinger „verstehen Sie etwas von Wirtschaft“ gerufen.

Herr Bollinger, ich lese Ihnen jetzt einmal aus Ihrem Antrag vor. Ich zitiere mit Gestattung des Präsidenten: „Bereits mittelfristig wird sein Vermögen dadurch vernichtet“, nämlich das des Sparers durch die Niedrigzinsen. „In aller Regel hat er keine Möglichkeit, auf andere Anlageformen auszuweichen. Die Abschaffung oder Einschränkung des Bargeldes würde diesen Effekt nun noch verstärken, hat er doch ohne Bargeld nicht einmal mehr die Chance, seine Spargroschen zu Hause statt auf dem Bankkonto zu horten und somit wenigstens die Gefahr der Negativzinsbelastung zu umgehen.“ – So hört sich wirtschaftswissenschaftlicher Sachverstand der AfD an. Mir fällt dazu nur noch wenig ein.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich an dieser Stelle auch ganz deutlich: Wenn Sie uns als Landesregierung auffordern, wir mögen uns gegen die Geldpolitik der EZB mit allen Mitteln wenden, dann sage ich Ihnen, dass wir eines tun werden. Wir werden uns argumentativ vor allem gegen solch unzu

lässige Vereinfachungen wenden, wie sie auch in diesem Antrag zum Ausdruck kommen. Das ist nicht das, was wir wollen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie suchen sich kleine Punkte heraus, verknüpfen sie auf unzulässige Weise und wollen überhaupt nicht, dass man einen differenzierten Blick auf die Gesamtsituation wirft. Die Situation auch in Zeiten der Niedrigzinsen ist sehr differenziert.

Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass diese Geldpolitik der EZB einen Hintergrund hat, nämlich die Bewältigung der Finanzmarktkrise und der Staatsschuldenkrise. Ich darf auch darauf hinweisen, dass die EZB gerade mit diesen Maßnahmen in der damaligen Situation sehr zur Beruhigung der Märkte, zur Eindämmung der Spekulationen und schließlich auch zur Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise beigetragen hat.

Aktuell flankiert sie die laufenden Strukturreformen in den Krisenländern. Das ist die Aufgabe der EZB. Aus meiner Sicht leistet sie hier einen ganz wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung.

Ich finde, man muss eine solche Geldpolitik dann auch in den gesamteuropäischen Kontext einordnen und kann nicht den Blick nur isoliert auf einzelne Effekte auf die Bundesrepublik Deutschland legen. Die Wahrheit ist, dass von den Zielen der EZB auch Deutschland profitiert hat. Wir sind gut durch die Krise gekommen. Wir haben ein solides Wachstum und eine hohe Beschäftigung. Das kann man in der Betrachtung nicht außen vor lassen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich an dieser Stelle auch: Das, was Sie versuchen, nämlich die Bundesrepublik Deutschland auf der einen Seite und Europa auf der anderen Seite gegeneinander auszuspielen, ist etwas, was mit uns ganz und gar nicht geht. Wir sind gerade in der jetzigen Situation ganz dezidiert der Meinung, dass wir die intensive Zusammenarbeit in der Europäischen Union suchen und pflegen müssen und die europäischen Institutionen dabei auch respektieren.

Lassen Sie mich noch etwas zur Situation in den privaten Haushalten sagen. Das, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, ist völlig einseitig. Ja, es stimmt. Auf der einen Seite ist der Sparer von den Niedrigzinsen betroffen. Es stimmt auch, dass eine lang anhaltende Niedrigzinsphase negative Auswirkungen auf die Altersvorsorge hat. So kritisch die niedrigen Zinsen für die Vermögensanlage sind, gehört zur Wahrheit auch, dass sie es anderen erleichtern, die auch keine hohen Einkommen haben, wenn sie erst in der Phase des Vermögensaufbaus sind. Das Zinsniveau betrifft auch die Kreditzinsen.